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Gute Geschäfte mit dem Rüstungsexport

Von Fregatten bis zu den begehrten "Kleinwaffen": Deutschland spielt in der ersten Liga. Mit einem Kommentar von Ekkehart Krippendorf

Die vor kurzem veröffentlichte "Waldkircher Erklärung" veranlasste die Tageszeitung "Neues Deutschland" eine Themenseite zur deutschen Rüstungsexportpraxis einzurichten. Sie erschien am 4. August 2007. In den Beiträgen geht es u.a. um die Werftindustrie, die mit ihrem Fregattenbau auf gute Geschäfte hoffen darf, und um den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung. Der letzte erschien vor einem Jahr und bezog sich auf das Geschäftsjahr 2005 (vgl. hierzu folgende Beiträge auf unserer Website:

Zu guter Letzt schließt sich ein Gastkommentar des bekannten Friedensforschers Ekkehart Krippendorf an.




Deutsche Fregatten sollen Kunden locken

Steuerzahler leisten Anschubfinanzierung für weltweite Bombengeschäfte – Beispiel: Die Marine

Von René Heilig *

Das obige Bild erinnert fatal an »Marine-Gemälde« vergangener Jahrzehnte. Nur dass man sich den sonst hinter Segeln oder Schornsteinqualm üblichen Pulverdampf »geklemmt« hat. Doch gemeint ist das selbe: Deutsche Schiffe taugen zu jeder Art Machtpräsentation. Und natürlich auch zum Kampf, egal ob das Töten über oder unter der Meeresoberfläche stattfindet.

Doch in der Regel zeigt die Deutsche Marine ihre Schiffe immer nur im Einsatz für »das Gute«. Am Horn von Afrika will man angeblich den Nachschub der Al-Qaida-Terroristen stoppen, vor Libanon geht es nach offizieller Darstellung gleichfalls um die Verhinderung von Waffenschmuggel, im Mittelmeer beweist man die Bündniskraft durch das Eskortieren von US-Transportern Richtung Irak. Neben der Präsentation von wiedergewonnener globaler Starke läuft da auch eine besondere Art Werbespot ab. Es geht quasi um den »guten Stern auf allen Meeren«. Man stellt deutsche Waffen vor, modern und erprobt.

Die Anschubfinanzierung für den zumeist folgenden gigantischen Exporterfolg leistet der Steuerzahler. Zitat aus dem Bundeswehr-Rüstungsprogramm für 2008: »Bundeswehraufträge tragen zum Erhalt der international herausgehobenen Wehrtechnischen Kernfähigkeit auf dem Gebiet des Marineschiffbaus und der Marinetechnik bei.«

Klartext: Die deutschen Streitkräfte bestellen neue Schiffe, lassen sie konstruieren und bauen – und erproben sie. Im Gefolge kommen Aufträge für die Werften. So hat Blohm + Voss in den zurückliegenden Jahrzehnten große Erfolge mit den sogenannten MEKO-Fregatten erzielt. Mehr als 60 dieser Fregatten und Korvetten sind weltweit in Dienst, einige wurden in Deutschland gebaut, andere in Lizenz auf ausländischen Werften, beispielsweise in Australien und Südafrika. Auch der neueste Fregattentyp F 124 der Deutschen Marine – derzeit schwimmen bereits die »Sachsen« und die »Hamburg« – hat wesentliche Konstruktionsmerkmale des MEKO-Systems.

Doch das ist bereits der Erfolg von gestern. Nun geht es mit »Äußerster Kraft voraus« dem Typ F 125 entgegen. Wieder steht Thyssen-Krupp-Marine-Systems am Ruder. Das Ordervolumen des Verteidigungsministeriums beträgt rund 2,27 Milliarden Euro. Anders als die Vorgängertypen ist die F 125 nicht mehr auf Luftverteidigung und U-Jagd ausgerichtet. Sie soll für sogenannte maritime Stabilisierungsaufgaben eingesetzt werden, Landtruppen taktische Feuerunterstützung geben und die Einsätze von Spezialkräften unterstützen. Das bedeutet: Angriff.

Das gilt auch für die neuen modernen U-Boote vom Traditionsstandort Kiel. Als einzige Werft weltweit bietet HDW serienreife U-Boote mit einem Antrieb aus Wasserstoff-Brennstoffzellen an. Die können wochenlang unter Wasser operieren und nur schwer geortet werden. Wiederum ging das erste Boot an die Bundesmarine. Das war 2004. Und nun boomt der Export. Man hofft an die Erfolge mit der 206er Klasse anzuknüpfen. Von denen gingen über 60 in die Welt.

Nur gering ist die Scheu, derartige hochmoderne Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Israel bekam solche Boote, die sogar atomar bestückte Marschflugkörper ausstoßen können, man bot ähnliche Boote jüngst Pakistan an. Nur Taiwan gilt noch als Tabuzone. Moralische Bedenken stecken nicht dahinter. Man will nur den potenten Wirtschaftspartner China nicht zu sehr reizen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2007

Genehmigte Rüstungsexporte 2005

Der letzte amtliche Rüstungsexportbericht der Bundesregierung beschreibt das Geschehen im Jahr 2005. Insgesamt wurden 11 855 Einzelanträge für die endgültige Ausfuhr von Rüstungsgütern genehmigt. Das waren 537 mehr als im Vorjahr. Der Gesamtwert der Genehmigungen betrug 4,216 Milliarden Euro. Das ist gegenüber 2004 ein Anstieg um elf Prozent.

Die wichtigsten Bestimmungsländer waren:
  • USA (630,7 Millionen Euro),
  • Südafrika (614 Millionen Euro),
  • Vereinigten Arabischen Emirate (316,1 Millionen Euro),
  • Griechenland (255,8 Millionen Euro),
  • Frankreich (219,5 Millionen Euro),
  • Türkei (213,1 Millionen Euro),
  • Niederlande (202,5 Millionen Euro),
  • Spanien (161,7 Millionen Euro),
  • Großbritannien (123,7 Millionen Euro),
  • Singapur (120,3 Millionen Euro),
  • Finnland (118,4 Millionen Euro),
  • Italien (113,0 Millionen Euro).
Auch aktuelle oder potenzielle Krisengebiete wurden beliefert. Pakistan erhielt Rüstungsgüter für 99,7 Millionen Euro, Malaysia kaufte für 92,8 Millionen Kriegsgerät ein. Ebenso steht Südkorea auf der Lieferliste – mit 76,9 Millionen Euro. Waffen und andere militärische oder rüstungsindustrielle Geräte gingen nach Afghanistan, Indien, Indonesien, Kasachstan, Kroatien, Kuwait, Taiwan.

Neben Hochtechnologie-Gerät exportierten deutsche Firmen mit staatlicher Genehmigung sogenannte Kleinwaffen und entsprechende Munition. Als Kleinwaffen bezeichnet man in der Regel Revolver, Pistolen, Maschinenpistolen und -gewehre, Gewehre und Karabiner. Man nennt sie auch vagabundierende Waffen, weil sie leicht von Krisengebiet zu Krisengebiet versandt werden können.

Insgesamt exportierte Deutschland im Jahr 2005 Kleinwaffen für 35,98 Millionen Euro. Exporte für 5,44 Millionen Euro gingen in NATO-, EU- oder gleichgestellte Länder. Für 12,57 Millionen Euro verkaufte man Kleinwaffen in sogenannte Drittländer. Auf der Verteilerliste stehen Afghanistan, Indien, Indonesien, Irak, Jordamien, Südkorea, Kosovo, Kroatien, Kuwait, Malaysia, Oman, die Philippinen, Saudi Arabien, Sudan, Taiwan ...



Zwei Patronen pro Kopf und Jahr ...

Es gibt in der EU einen allgemein verbindlichen Kodex für Rüstungsexporte. Obenan stehen da die Menschenrechte. Man werde, so heißt es, keine Rüstungsexporte zulassen, wenn »eindeutig das Risiko besteht, dass das zur Ausfuhr bestimmte Gerät zur internen Repression benutzt werden könnte«.

Insbesondere wolle man aufpassen, dass durch solche Ausfuhren im Endbestimmungsland nicht bewaffnete Konflikte heraufbeschworen, verlängert oder bestehende Spannungen verschärft werden. Waffenexport wäre tabu, wenn das Gerät »zu aggressiven Zwecken gegen ein anderes Land oder zur gewaltsamen Durchsetzung eines Gebietsanspruchs« benutzt werden würde.

Gute Absichten. Doch leider nur das. So wie die USA, Russland und China pfeifen auch die meisten EU-Staaten auf moralische Grundsätze. Wie sonst wäre es möglich, dass die Länder Asiens, Afrikas, des Nahen Ostens und Lateinamerikas jährlich für rund 22 Milliarden US-Dollar Waffen kaufen. Das Geld wäre besser angelegt, um jedem Kind in diesen Gebieten einen Schulbesuch und ärztliche Hilfe zu garantieren. Für 22 Milliarden Dollar könnte man Entwicklungsprojekte vorantreiben, die das Gefühl ständigen Hungers in die Geschichte verbannen.

Addierte man nun noch jene Mittel, mit denen westliche Armeen fit gemacht und ausgeschickt werden in die Welt, um ganz gleich unter welchem Vorwand Macht zu demonstrieren oder auszuüben, dann wäre das Paradies auf Erden wohl nahe.

Deutschland tut das Seine, um die Wirklichkeit von diesen Träumen fern zu halten. Laut Amnesty international benutzte man in 85 Prozent der von der Menschenrechtsorganisation weltweit registrierten Todesfällen sogenannte Kleinwaffen. Zwei Patronen werden pro Kopf der Weltbevölkerung jährlich hergestellt. Eine einzige davon reicht, um zu töten oder zu verstümmeln.
hei.


Nicht in unsrem Namen

Von Ekkehart Krippendorf *

Es gibt Gipfel der internationalen Diplomatie, auf denen Krokodilstränen über die dramatisch fortschreitende Unterentwicklung afrikanischer Gesellschaften vergossen und Anstrengungen zu wirtschaftlicher Hilfe versprochen werden. Es gibt ein aus London operierendes Kontroll- und Informationszentrum, das über die verheerend destabilisierende Ausbreitung von sogenannten »Kleinwaffen« in Afrika berichtet, mit denen ethnische und andere Konflikte gefüttert werden, und von UN-Truppen, die sich als Waffenschmuggler ein Zubrot verdienen. Und es gibt seit vierzig Jahren ein renommiertes Friedensforschungsinstitut in Schweden, SIPRI, das in seinem letzten Jahresbericht (für 2006) nüchtern vorrechnete, dass Deutschland binnen eines Jahres seinen Export an konventionellen Waffen von 1,5 Milliarden auf 3,8 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt hat – trotz angeblich strenger Kontrollgesetze, die die Lieferung von Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete untersagen. Besorgt wird in diesen Tagen darüber diskutiert, dass die deutsche Wirtschaft ihre Rolle als Exportweltmeister nicht mehr halten könne – für den Waffenexport gilt das mitnichten. Da haben wir uns die Bronzemedaille hinter den USA und Russland erkämpft.

»Wir« sind tatsächlich wir: Mitverantwortlich sind alle, die angesichts dieses öffentlich bekannten Skandals nicht empört aufschreien und die unmittelbar Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Der Tonfall der Betroffenheit, mit dem von den Regierenden, der politischen Klasse und in vielen Medien über mehr Anstrengungen zur Hilfe für Afrika gesprochen wird, ist zynisch. Wenn es um das Geschäft mit dem Tod geht, hören wir: Der Waffenexport mache nur 0,3 Prozent des deutschen Außenhandels aus, wenn wir nicht liefern, dann liefern andere, und die Sicherung von Arbeitsplätzen sei verantwortliche Politik. Dass es in Bonn ein kleines, aber seriöses Internationales Institut zur Konversionsforschung (BICC) gibt, das gerade dieses letzte Argument wissenschaftlich widerlegt, wird unterschlagen. So war es bis vor kurzem auch mit der alternativen Energieforschung: Erst öffentlicher Druck bewirkte, dass die Branche jetzt boomt. Wenn der politische Wille da wäre, könnte die deutsche Wirtschaft ohne Waffenproduktion profitabel arbeiten.

Demokratischen Minderheiten in den USA gelang es mit der Losung »Not in our name«, die öffentliche Meinung gegen den Irak-Krieg und die Bush-Politik zu wenden. »Nicht in unserem Namen« ruft auch eine kleine Initiative aus Südbaden der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit zu: Zur Ungeheuerlichkeit der deutschen Waffenexporte darf nicht länger geschwiegen werden. Eine Handvoll Sozialdemokraten, Mitarbeiter von Pax Christi, der Friedensgesellschaft, der Linkspartei, Gewerkschafter und Wissenschaftler haben eine »Waldkircher Erklärung« in die Welt gesandt. Diese Erklärung braucht Mitstreiter und Lautsprecher. Vielleicht gelingt es, einige noch vorhandene Funken unter der Asche der Friedensbewegungen anzublasen: Deutschland als weltweit erster Aussteiger aus dem tödlichen Waffengeschäft – das wäre etwas, wofür sich einzusetzen lohnte. Es kostet nur moralischen und politischen Mut.

»In der Idee leben, heißt das Unmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre.« (Goethe)

* Der emeritierte Politikwissenschaftler (73) ist einer der Begründer der Kritischen Friedensforschung in Deutschland.

Alle Beiträge auf dieser Seite aus: Neues Deutschland, 4. August 2007

Hier geht es zur "Waldkircher Erklärung".


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