Unter dem Titel "Das fliegende Milliardengrab" erschien am 13. März 2001 ein Artikel in der jungen welt, worin wieder einmal an die enormen Kosten für den Eurofighter erinnert wird. Wenige Tage zuvor hatte sich der Bundesrechnungshof in die Diskussion über den Verteidigungshaushal mit dem Vorschlag eingeschaltet, die Beschaffung des Eurofighter zu strecken und damit Geld zu sparen. Mindestens aber müssten die genauen Kosten für den teuren Vogel auf den Tisch. Der Artikel, den wir im Folgenden dokumentieren, stammt von Thomas Klein, einem in der Friedensbewegung bekannten Experten in Sachen Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte.
»Niederschmetternd« ist für den Bundestagsabgeordneten Uwe-Jens Rössel, PDS-Berichterstatter für den Verteidigungshaushalt, der jetzt bekanntgewordene Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zur Finanzierung des Waffensystems Eurofighter 2000. Nach diesen Angaben zeichnet sich immer deutlicher eine enorme - von Rüstungsgegnern bereits vor Jahren vorhergesagte - Kostenexplosion des teuersten europäischen Rüstungsprojekts ab. Das Ende der Fahnenstange sei hier noch lange nicht erreicht.
Schon jetzt, so Rössel in einer Erklärung zu den neuesten Prognosen, seien im Bundeshaushalt 33 Milliarden Mark an langfristigen Finanzierungsverpflichtungen für »diesen Rüstungswahn« vorgesehen. Dem Bundesrechnungshof sei deshalb zuzustimmen, so Rössel zu den Vorgängen im Zusammenhang mit dem maßgeblich von CSU-Politikern einst durchgeboxten Rüstungsprojekt, wenn er nun fordere, die Bundesregierung solle endlich konkrete Zahlen zu den Kosten vorlegen.
Das Verteidigungsministerium aber hält trotz steigender Kosten am Eurofighter fest. Schuld trage die alte Bundesregierung, die es versäumt habe, für das Kampfflugzeug die nötige Bewaffnung einzuplanen, erklärte ein Ministeriumssprecher am Freitag. Nun entstünden deshalb zusätzliche Kosten. Das ändere nichts daran, daß 180 Eurofighter beschafft und finanziert würden.
Der Rechnungshof hatte zuvor ein vernichtendes Urteil über das Beschaffungsprojekt gefällt. Statt der vom Ministerium bis 2015 veranschlagten 24,7 Milliarden Mark werde die Beschaffung der 180 Flugzeuge 32,7 Milliarden Mark kosten. Bereits die Entwicklung, die sich um zwei Jahre bis 2004 verzögere, werde statt 8,6 Milliarden rund 11,4 Milliarden Mark verschlingen.
Schon Anfang Dezember war es im Haushaltsausschuß des Bundestages zu einem bemerkenswerten Vorgang gekommen. Der Ausschuß hatte fast »ins Blaue hinein« (Rössel), gegen die Stimmen der Opposition, dem Abschluß eines heiklen Beschaffungsvertrages zugestimmt. Für die gemeinsam mit Großbritannien, Italien und Spanien zu entwickelnde Defensivavionik vom Typ EURODASS bewilligte die Mehrheit der Abgeordenten von SPD und Grünen die Freigabe von 2,929 Milliarden Mark. Ein erstaunlicher Sinneswandel bei den Vertretern der Regierungsparteien.Vor dem Regierungswechsel im Bund war es für SPD und Bündnis 90/Die Grünen keine Frage: Der Eurofighter 2000, vormals als Jäger 90 in der Diskussion, ist abzulehnen. Bei den Grünen stand es zu Oppositionszeiten außer Frage, daß sowohl aus sicherheits- als auch finanzpolitischen Erwägungen dieses für »militärische Abenteuer out-of-area« gedachte Jagdflugzeug niemals produziert werden dürfe.
Und auch die SPD-Bundestagsfraktion bezog bis kurz vor dem Regierungwechsel noch eindeutig Position. Zur Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1998 legte die SPD- Fraktion gar einen Änderungsvertrag zum Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums vor. Darin begründeten »Rudolf Scharping und Fraktion« ausführlich, daß die Mittel für die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter 2000, mit einem Ansatz von 847 Millionen Mark für 1998 sowie Verpflichtungsermächtigungen von 23,315 Milliarden Mark, gestrichen werden sollten.
Die Begründung liest sich schlüssig: Obwohl die SPD- Bundestagsfraktion »den Jäger 90 und den Eurofighter 2000 in zahlreichen Anträgen immer wieder abgelehnt« hätten, versuche nun die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung das umstrittene Projekt weiter voranzutreiben und »Fakten zu schaffen«. Auch aus finanzpolitischer Sicht berge dieses Projekt ungeheure Risiken: »Die Bundesregierung nennt 23 Milliarden Mark, der Bundesrechnungshof prognostizierte 30 Milliarden Mark oder mehr an Kosten«. Die für eine so weitreichende Entscheidung maßgeblichen sogenannten »Lebenswegkosten« des Eurofighters beliefen sich nach damaligen Angaben des Bundesrechnungshofes sogar auf sage und schreibe 87 Milliarden Mark. Außerdem werde bei dem Rüstungsvorhaben ganz außer acht gelassen, so Rudolf Scharping und Fraktion zu Oppositionszeiten, »daß die Öffnung der NATO und die damit verbundene geographische Erweiterung« nicht berücksichtigt würden.
Ein in der Tat entscheidender Punkt. Tatsächlich war den Eurofighter-Befürwortern angesichts der Entwicklung in Europa einst die Legitimationsbasis komplett entzogen worden. Einige Zeit mußte schlicht in den luft- bzw. »feindlosen« Raum hinein geplant werden.
Der Friedensforscher Michael Brzoska brachte es während der Entwicklungsphase des Projekts so auf den Punkt: »Die Bedrohung aus dem Osten gibt es nicht mehr, eine andere militärische Bedrohung deutschen Territoriums ist nicht in Sicht. Die Luftwaffe hat sowieso zu viele Flugzeuge für ein abgerüstetes Europa. Die 300 MRCA-Tornados (MRCA steht für Multi Role Combat Aircraft), die die Bundeswehr für das Bombenwerfen in der DDR, in Polen, der CSSR und in der westlichen Sowjetunion vorgesehen hatte, sind ohne Aufgabe. Man könnte sie auch als Abfangjäger einsetzen.«
Doch die militärische Vernunft der CDU/CSU/FDP- Koalition hatte sich in der Zwischenzeit in eine Richtung »weiterentwickelt«, die neue Perspektiven für das überflüssig gewordene Jagdflugzeug eröffnete. Der einst vorgebrachte Einwand, »die Luftwaffe braucht einfach keine neuen Abfangjäger, zumindest so lange Einsätze out-of-area politisch nicht durchgesetzt sind« (Brzoska), hatte unter Rühe nicht länger Bestand.
Nachdem im Juli 1994 das Bundesverfassungsgericht sogenannte out-of-area-Einsätze der Bundeswehr rechtlich abgesegnet hatte, war der entscheidende Durchbruch erzielt: Deutsche MRCA-Tornados waren ab Mitte der neunziger Jahre im Luftraum über dem Balkan, also außerhalb des NATO-Gebiets, im Einsatz. Die »Sinnkrise« löste sich »out-of- area« auf. So wie Tornados unter Schröder, Fischer und Scharping während des ersten Kriegseinsatzes seit 1945 flogen, sollen morgen »Eurofighter« in anderen Regionen der Welt zum Einsatz kommen.
Die »Kontinuität der Außenpolitik« (Joseph Fischer) machte es möglich: Die Kündigung der Verträge mit der Rüstungsindustrie und der Ausstieg aus dem Projekt »Eurofighter« waren nach der Bundestagswahl 1998 kein Thema mehr. Schließlich sind weltweite Einsätze der Bundeswehr auch unter der neuen Regierung beschlossene Sache - und moderne Jagdflugzeuge inzwischen, trotz Kostenexplosion und knapper Kasse, auch von Scharping verlangt.
Auch die Grünen legten eine 180-Grad-Wende hin: Angelika Beer, militärpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, erklärte am 26. November 1997, dem Tag, als in Bonn mit den Stimmen der CDU/CSU- und FDP- Fraktion die Anschaffung der Flugzeuge beschlossen wurde: »Der Eurofighter ist nicht nur sicherheitspolitisch überflüssig, sondern auch friedenspolitisch schädlich. Der Eurofighter ist nicht zu verantworten; er muß gestoppt werden.«
Beer fast auf den Tag genau drei Jahre später: »Wir werden dafür Sorge tragen, daß der Eurofighter nicht nur steht, sondern daß er auch fliegen kann und einsatzfähig ist.«
Thomas Klein