"Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland"
Im Dezember 2008 verabschiedete der Rat der Europäischen Union einen GEMEINSAMEN STANDPUNKT zum Rüstungsexport - Dokumentation der acht Kriterien
"Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland"
Im Dezember 2008 verabschiedete der Rat der Europäischen Union einen GEMEINSAMEN STANDPUNKT zum Rüstungsexport - Dokumentation der acht Kriterien
Im Folgenden dokumentieren wir den sog. Verhaltenskodex der Europäischen Union zum Rüstungsexport und internationalen Waffenhandel aus dem Jahr 1998, der im Dezember 2008 neu gefasst und veröffentlicht wurde.
GEMEINSAMER STANDPUNKT 2008/944/GASP DES RATES
vom 8. Dezember 2008
betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern
Der Europäische Rat (...) HAT FOLGENDEN GEMEINSAMEN STANDPUNKT ANGENOMMEN:
Artikel 1
(1) Jeder Mitgliedstaat prüft die ihm vorgelegten Anträge auf
Ausfuhrgenehmigung für Gegenstände der in Artikel 12 genannten
Gemeinsamen Militärgüterliste der EU in jedem Einzelfall
anhand der Kriterien nach Artikel 2.
(2) Die in Absatz 1 genannten Anträge auf Ausfuhrgenehmigung
umfassen Folgendes:
-
Genehmigungsanträge für tatsächliche Ausfuhren, auch
wenn diese zum Zwecke der Lizenzproduktion von Militärgütern
in Drittländern erfolgen;
- Anträge auf Lizenzen für Waffenvermittlertätigkeiten;
- Anträge auf Lizenzen für „Durchfuhr“ oder „Umladung“;
- Lizenzanträge für immaterielle Software- und Technologietransfers,
z. B. mittels elektronischer Medien, Fax oder Telefon.
In den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten wird festgelegt, in welchen Fällen eine Ausfuhrgenehmigung für diese Anträge erforderlich ist.
Artikel 2
Kriterien
(1) Kriterium 1: Einhaltung der internationalen Verpflichtungen
der Mitgliedstaaten, insbesondere der vom VN-Sicherheitsrat
oder der Europäischen Union verhängten Sanktionen, der Übereinkünfte
zur Nichtverbreitung und anderen Themen sowie
sonstiger internationaler Verpflichtungen
Eine Ausfuhrgenehmigung wird verweigert, wenn ihre Erteilung
im Widerspruch stünde unter anderem zu
a) den internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sowie
ihren Verpflichtungen zur Durchsetzung von Waffenembargos
der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder
der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa;
b) den internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus
dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, dem
Übereinkommen über biologische und Toxinwaffen und dem
Chemiewaffenübereinkommen;
c) der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, keinerlei Antipersonenminen
auszuführen;
d) den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der
Australischen Gruppe, des Trägertechnologie-Kontrollregimes,
des Zangger-Ausschusses, der Gruppe der Kernmaterial-
Lieferländer (NSG), des Wassenaar-Arrangements und
des Haager Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer
Raketen.
(2) Kriterium 2: Achtung der Menschenrechte und des humanitären
Völkerrechts durch das Endbestimmungsland
Die Mitgliedstaaten bewerten die Haltung des Empfängerlandes
zu den einschlägigen Grundsätzen der internationalen
Menschenrechtsübereinkünfte und
a) verweigern eine Ausfuhrgenehmigung, wenn eindeutig
das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die
Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, zur internen
Repression benutzt werden könnten;
b) lassen besondere Vorsicht und Wachsamkeit bei der Erteilung
von Ausfuhrgenehmigungen an Länder walten, in
denen von den zuständigen Gremien der Vereinten Nationen,
der Europäischen Union oder des Europarates
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt
wurden, und nehmen dabei eine Einzelfallprüfung unter
Berücksichtigung der Art der Militärtechnologie oder der
Militärgüter vor.
Hierfür gelten als Militärtechnologie oder Militärgüter, die zu
interner Repression benutzt werden könnten, unter anderem
Militärtechnologie oder Militärgüter, die vom angegebenen
Endverwender in dieser oder einer ähnlichen Form nachweislich
zu interner Repression benutzt worden sind oder
bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass sie an der
angegebenen Endverwendung bzw. am angegebenen Endverwender
vorbeigeleitet werden und zu interner Repression
genutzt werden. Gemäß Artikel 1 ist die Art der Militärtechnologie
oder der Militärgüter sorgfältig zu prüfen, insbesondere
wenn sie für Zwecke der inneren Sicherheit bestimmt
sind. Interne Repression umfasst unter anderem Folter
sowie andere grausame, unmenschliche und erniedrigende
Behandlung oder Bestrafung, willkürliche oder
Schnell-Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Personen,
willkürliche Verhaftungen und andere schwere Verletzungen
der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie in
den einschlägigen Menschenrechtsübereinkünften, einschließlich
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische
Rechte, niedergelegt sind.
Die Mitgliedstaaten bewerten die Haltung des Empfängerlandes
zu den einschlägigen Grundsätzen der Übereinkünfte des
humanitären Völkerrechts und
c) verweigern eine Ausfuhrgenehmigung, wenn eindeutig
das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die
Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind verwendet
werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht
zu begehen.
(3) Kriterium 3: Innere Lage im Endbestimmungsland als Ergebnis
von Spannungen oder bewaffneten Konflikten
Die Mitgliedstaaten verweigern eine Ausfuhrgenehmigung für
Militärtechnologie oder Militärgüter, die im Endbestimmungsland
bewaffnete Konflikte auslösen bzw. verlängern würden
oder bestehende Spannungen oder Konflikte verschärfen würden.
(4) Kriterium 4: Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit
und Stabilität in einer Region
Die Mitgliedstaaten verweigern eine Ausfuhrgenehmigung, wenn
eindeutig das Risiko besteht, dass der angegebene Empfänger die
Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt
sind, zum Zwecke der Aggression gegen ein anderes
Land oder zur gewaltsamen Durchsetzung eines Gebietsanspruchs
benutzt. Bei der Abwägung dieser Risiken berücksichtigen
die Mitgliedstaaten unter anderem
a) das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten
Konflikts zwischen dem Empfängerland und einem anderen
Land;
b) Ansprüche auf das Hoheitsgebiet eines Nachbarlandes, deren
gewaltsame Durchsetzung das Empfängerland in der Vergangenheit
versucht bzw. angedroht hat;
c) die Wahrscheinlichkeit, dass die Militärtechnologie oder die
Militärgüter zu anderen Zwecken als für die legitime nationale
Sicherheit und Verteidigung des Empfängerlandes verwendet
wird;
d) das Erfordernis, die regionale Stabilität nicht wesentlich zu
beeinträchtigen.
(5) Kriterium 5: Nationale Sicherheit der Mitgliedstaaten und
der Gebiete, deren Außenbeziehungen in die Zuständigkeit eines
Mitgliedstaats fallen, sowie nationale Sicherheit befreundeter
und verbündeter Länder
Die Mitgliedstaaten berücksichtigen
a) die möglichen Auswirkungen der Militärtechnologie oder der
Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, auf ihre Verteidigungs-
und Sicherheitsinteressen sowie auf die anderer
Mitgliedstaaten und befreundeter oder verbündeter Länder,
wobei sie anerkennen, dass hierdurch die Berücksichtigung
der Kriterien betreffend die Achtung der Menschenrechte und
die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität
in einer Region nicht beeinträchtigt werden darf;
b) das Risiko, dass diese Militärtechnologie oder diese Militärgüter
gegen ihre eigenen Streitkräfte oder die anderer Mitgliedstaaten
oder befreundeter oder verbündeter Länder eingesetzt
werden.
(6) Kriterium 6: Verhalten des Käuferlandes gegenüber der
internationalen Gemeinschaft, unter besonderer Berücksichtigung
seiner Haltung zum Terrorismus, der Art der von ihm
eingegangenen Bündnisse und der Einhaltung des Völkerrechts
Die Mitgliedstaaten berücksichtigen unter anderem das bisherige
Verhalten des Käuferlandes in Bezug auf
a) eine Unterstützung oder Förderung des Terrorismus und der
internationalen organisierten Kriminalität;
b) die Einhaltung seiner internationalen Verpflichtungen, insbesondere
im Hinblick auf die Nichtanwendung von Gewalt,
und der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts;
c) sein Engagement im Bereich der Nichtverbreitung und anderen
Bereichen der Rüstungskontrolle und Abrüstung, insbesondere
die Unterzeichnung, Ratifizierung und Durchführung
der bei Kriterium 1 unter Buchstabe b aufgeführten
einschlägigen Rüstungskontroll- und Abrüstungsübereinkommen.
(7) Kriterium 7: Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie
oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr
von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen
Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Militärtechnologie
oder der Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, auf das
Empfängerland und des Risikos, dass diese Technologie oder
Güter auf Umwegen zu einem unerwünschten Endverwender
oder zu einer unerwünschten Endverwendung gelangen könnten,
wird Folgendes berücksichtigt:
a) die legitimen Interessen der Verteidigung und der inneren
Sicherheit des Empfängerlandes, einschließlich einer etwaigen
Beteiligung an friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten
Nationen oder anderer Art;
b) die technische Fähigkeit des Empfängerlandes, diese Technologie
oder diese Güter zu benutzen;
c) die Fähigkeit des Empfängerlandes, wirksame Ausfuhrkontrollen
durchzuführen;
d) das Risiko, dass solche Technologie oder solche Güter mit
unerwünschtem Ziel wieder ausgeführt werden, und die bisherige
Befolgung etwaiger Wiederausfuhrbestimmungen bzw.
vorheriger Genehmigungspflichten, die vom Ausfuhrmitgliedstaat
gegebenenfalls festgelegt wurden, durch das Empfängerland;
e) das Risiko, dass solche Technologie oder solche Güter zu
terroristischen Vereinigungen oder einzelnen Terroristen umgeleitet
werden;
f) die Gefahr eines Reverse Engineering oder eines unbeabsichtigten
Technologietransfers.
(8) Kriterium 8: Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie
oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes, wobei zu berücksichtigen
ist, dass die Staaten bei der Erfüllung ihrer legitimen
Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnisse möglichst wenige
Arbeitskräfte und wirtschaftliche Ressourcen für die Rüstung
einsetzen sollten
Die Mitgliedstaaten beurteilen anhand von Informationen aus
einschlägigen Quellen, wie z. B. Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen, Weltbank, Internationaler Währungsfonds
und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
ob die geplante Ausfuhr die nachhaltige Entwicklung
des Empfängerlandes ernsthaft beeinträchtigen würde. Sie prüfen
in diesem Zusammenhang den jeweiligen Anteil der Rüstungsund
der Sozialausgaben des Empfängerlandes und berücksichtigen
dabei auch jedwede EU- oder bilaterale Hilfe.
Artikel 3
Dieser Gemeinsame Standpunkt lässt das Recht der Mitgliedstaaten
unberührt, auf nationaler Ebene eine restriktivere Politik zu
verfolgen.
Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union; L 335/99; 13.12.2008; www.ausfuhrkontrolle.info (externer Link)
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