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EADS bleibt Single

Putsch der Konzernführung gegen Aktionäre, Regierungen und Beschäftigte gescheitert. Topmanagement der Rüstungskonzerne gibt Fusionsplan mit BAE auf

Von Klaus Fischer *

Die geplante Fusion zwischen dem deutsch-französisch-spanischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems ist geplatzt. Das teilte ein BAE-Sprecher am Mittwoch mit. Damit scheiterte der Versuch leitender Angestellter beider Unternehmen, handstreichartig den nach Umsatz größten Rüstungskonzern der Welt zu schmieden.

Vermutlich hatten die Vorstandschefs Thomas Enders (EADS) und Ian King (BAE) bei ihrem Coup darauf gesetzt, daß derartige Projekte, sind sie einmal in der Öffentlichkeit, zum Selbstläufer werden. Falls dies das Kalkül war, ist es nicht aufgegangen. Zu folgenreich war offenbar ein Zusammengehen für Regierungen und Großaktionäre, als daß es auf die Schnelle und unter Regie der angestellten Manager hätte durchgezogen werden können. Es ging um Industrie- und Standortpolitik, mögliche Technologietransfers, Absatzmärkte und nicht zuletzt um Arbeitsplätze. Auch die Konkurrenz dürfte ihren Anteil am Scheitern der Pläne haben. Rüstungskonzerne sind keine 08-15-Unternehmen, sind eng an Interessen von Staaten gebunden. Eine neoliberale Privatisierung solcher Konzerne im Zuge einer Fusion ist ein eher diffiziler Akt, und kaum ad hoc zu bewerkstelligen.

Diese Erkenntnis bleibt auch EADS-Chef Enders nicht erspart. Sein maßgeblich mit deutschen und französischen Steuergeldern gepäppeltes Unternehmenskonstrukt war einst als europäisches Gegengewicht zur Dominanz der US-Hersteller wie Boeing oder Northrop Grumman gedacht. Und jetzt versucht er, auf deren Heimatmarkt vorzudringen. Dort realisiert BAE bereits die Hälfte seiner Umsätze. Und auch Enders Truppe will mit Produktionsverlagerung in die USA an den riesigen Rüstungskuchen des Pentagon zu kommen. Zusammen wären die Aussichten besser gewesen – falls das von Washington gewollt und von der US-Waffenlobby geduldet worden wäre.

In der EADS-Firmenzentrale ist man jetzt sauer. Und schiebt die Schuld am Platzen der Fusion der BRD-Regierung zu. Die hatte sich nicht bereit gezeigt, ihren Einfluß auf einen dann fusionierten Konzern aufzugeben. Das Gerangel zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien über die Beibehaltung und das Ausmaß staatlicher Beteiligungen an EADS/BAE hatte die Verhandlungen dominiert. Während Berlin und Paris Anteile an dem neuen Unternehmen halten wollten, wollten Enders und London die Staaten herausdrängen.

Das hat nicht funktioniert und der EADS-Boß dürfte auf der Beliebtheitsskala in Berlin und Paris mit Wladimir Putin gleichgezogen haben. Demonstrativ sprach ihm die deutsche Bundesregierung am Mittwoch das Vertrauen aus. Das muß der gern als »Major Tom« in den Medien verballhornte Bundeswehr-Reserveoffizier Enders als Warnung verstehen.

* Aus: junge welt, Donnerstag, 11. Oktober 2012


EADS will Strategie überprüfen

Fusion mit BAE geplatzt, Bundesregierung tut unschuldig

Von René Heilig **


Nach der geplatzten Fusion des Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzerns EADS mit dem britischen Pendent BAE setzt nun das gegenseitige Schuldzuweisen ein.

So etwas hat sich Thomas (Tom) Enders bislang nicht bieten lassen müssen. Da wagen ein paar kleine Regierungen ihm, dem großen EADS-Zampano, zu widersprechen. Dabei hatte er alles so schön geplant: Die Fusion von EADS und BAE ließe einen Hightech-Mega-Konzern auf dem Gebiet der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie entstehen. Beide Giganten brachten es 2011 zusammen auf rund 72 Milliarden Euro Umsatz. Nach der Fusion hätte der US-Dauerkonkurrent Boeing eindeutig das Nachsehen gehabt. Mit den Airbus-Zivilflugzeugen, diversen Militärjets und Hubschraubern, Kriegsschiffe zwischen Atom-U-Booten und Flugzeugträgern sowie allerlei Software hätte man die Welt auf entscheidenden Wirtschaftsgebieten dominiert. Und dann kommen diese kleinen Regierungen in Berlin, Paris und London daher und zerstören den einfach den Traum ...

Deutschland und Frankreich verfügen direkt und indirekt über jeweils gut 22 Prozent der EADS-Anteile. Die deutschen Interessen nimmt dabei der Autokonzern Daimler wahr. In BAE Systems stecken keine staatlichen Beteiligungen. Da sich die beteiligten Regierungen nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, hatten sich EADS wie BAE für einen Abbruch der Verhandlungen entschieden. Im »Interesse der Unternehmen und der Aktionäre«. Enders kündigte mit einem scharfen Unterton die Überprüfung der Konzernstrategie an. Dies betreffe insbesondere die Verteidigungssparte, hieß es in einem Mitarbeiterbrief. Insgeheim mag sich Enders gefragt haben, wozu man die ganzen Lobbyisten durchfüttert? Nur damit Bundestagsabgeordnete wie Hans-Peter Bartels (SPD) oder Florian Hahn (CSU) nach der Pleite ihr Bedauern äußern?

»Es war die Pflicht der Bundesregierung, die deutschen Standortinteressen zu wahren«, verteidigte Peter Hintze. Der Pfarrer und CDU-Mann gibt den Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung und deren ablehnende Entscheidung bekannt. Dabei kritisiert er nicht das forsche Auftreten des Konzernmanagers Enders, sondern betont, die Entscheidung sei richtig, denn es gehe schließlich um Schlüsseltechnologien und Arbeitsplätze.

Das ist die öffentliche Darstellung. Thomas de Maizière (CDU), der Verteidigungsminister, deutete eine andere an, die der Wahrheit näher kommt. Eine Konzentration habe immer zwei Seiten. Eine betont er besonders: »Die Anbieterseite gegenüber den Verteidigungsministerien und damit den Steuerzahlern darf nicht zu monopolistisch werden.« Das gehörte zur Beurteilung der Rüstungsindustrie im Ganzen hinzu.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 12. Oktober 2012


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