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Bangen an EADS-Standorten

IG Metall rechnet mit langen Verhandlungen und fordert sozial verträgliche Lösungen

von Jörg Meyer *

Der Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS baut um und streicht 5800 Stellen. Wo genau weiß noch niemand. Aber Oberbayern wird es hart treffen.

Die Gewerkschaft IG Metall sieht lange Verhandlungen mit dem europäischen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS auf sich zukommen. Konzernchef Tom Enders hatte am Montag bekanntgegeben, dass bis Ende 2016 insgesamt 5800 Stellen in mehreren Ländern wegfallen; der größte Teil mit rund 2600 Beschäftigten in Deutschland. Besonders hart soll es die Region Oberbayern treffen. Hier bauen bei Cassidian in Manching rund 4500 Beschäftigte den Eurofighter. Der Standort in Unterschleißheim soll verkauft werden, hier arbeiten 1400 Menschen. Die Zentrale der neu gegründeten Konzernsparte »Airbus Space & Defense«, in der Raumfahrt- und Rüstungssparte zusammenlegt werden sollen, soll in Ottobrunn ausgebaut werden.

»Für betroffene Mitarbeiter ist vorgesehen, bei Airbus und Eurocopter bis zu 1500 Stellen bereitzustellen«, schrieb EADS in einer Mitteilung am Montagabend. 1300 befristete Verträge werden nicht verlängert, »freiwillige Maßnahmen« sollen umgesetzt werden – darunter wohl die Versetzung von Beschäftigten an andere Standorte. Danach, werden 1000 bis 1450 unbefristete Stellen gestrichen, »unter der Voraussetzung, dass die freiwilligen Maßnahmen angenommen werden«. Außerdem will der Konzern mit den Betriebsräten über eine Senkung der Arbeitskosten verhandeln, »die die sozialen Auswirkungen des Restrukturierungsplans abfedern«, heißt es weiter.

»Was sich genau dahinter verbirgt, wissen die Götter«, sagte der bayerische IG-Metall-Sprecher Michael Knuth gegenüber »nd«. Die Ankündigungen können sowohl auf Einsparungen beispielsweise beim Einkauf, als auch auf Leistungsverdichtung bis hin zu Einkommenskürzungen hindeuten. Bei sozialverträglichen Lösungen sind Aufhebungsverträge mit Abfindungen und eine Ausweitung der Quote zur Altersteilzeit denkbar. »Die Quote könnte geöffnet werden«, so Knuth. Es müssten auf jeden Fall sozialverträgliche Lösungen gefunden werden, die sich für die Beschäftigten rechnen. »Wenn jemand eine hohe Abfindung bekommt, die zur Hälfte von der Steuer aufgefressen wird, und dann sagt noch das Arbeitsamt, man habe freiwillig einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und sperrt Zahlungen, dann ist die Abfindung schnell alle, und es geht ans Ersparte.« Und damit, meint Knuth, sei niemand geholfen.

Der bayerische IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Wechsler kritisierte noch Montagabend die EADS-Ankündigungen. »Wer mit betriebsbedingten Kündigungen droht, um die Rendite zu verbessern, macht die Beschäftigten zornig«, sagte er laut einer Mitteilung. Es steigere nicht die Wettbewerbsfähigkeit, »wenn man hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter rausschmeißt«. Konzernchef Enders hatte betont, es gehe nicht um die Rendite, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Rüdiger Lütjen habe nach dem Gespräch mit der Konzernleitung am Dienstag bestätigt, dass noch nicht bekannt sei, an welchen Standorten wie viele Stellen wegfallen sollen, sagte Knuth. Doch dass es die Region Oberbayern hart trifft gilt als ausgemacht. Der Konzern will seinen Rüstungsbereich umbauen, und Rüstung wird in Bayern produziert. In Norddeutschland sind überwiegend die zivilen Flugzeugbauer von Airbus zu Hause.

»Einen Standort, der nur auf Rüstung strukturiert ist, muss man jetzt auf Mischproduktion umbauen« – also langfristig Konversion, der Umbau von militärischer auf zivile Produktion. Einfach dürfte das nicht werden. Zum einen sind da die hoch spezialisierten Meister und Ingenieure, denen gegenüber die Gewerkschaft eine Verantwortung habe, sagt Knuth.

Auf der anderen Seite, wenn ab 2017 die Aufträge für den Eurofighter vermutlich auslaufen, könne man in den Werken ja nicht einfach Airbusse bauen, heißt es aus Konzernkreisen. Es gehe da um ganz andere Märkte mit ganz anderen Auftragsvolumen. Konkret: Ein Zivilflieger bringt nicht so viel ein, wie ein Kampfflugzeug.

Auf den Belegschaftsversammlungen dürften die Betriebsratsvorsitzenden in keiner einfachen Situation sein. Die Beschäftigten sind verunsichert, bis Februar soll nun geklärt werden, wen es trifft. Doch bis dahin ist auch Zeit, Lösungen zu finden, wie die entwickelten Technologien zu zivilen Zwecken eingesetzt werden können, anstatt zum Töten.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 11. Dezember 2013


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