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Flott gestartet, aber hart aufgeschlagen

Neue Pleite für EADS: Rüstungskonzern verliert Milliarden-Tankerauftrag in den USA

Von René Heilig *

Der Kampf um die profitable Lufthoheit ist erbittert. Die Hightechkonzerne EADS (Westeuropa) und Boeing (USA) schenken sich nichts. Schon gar nicht einen 35-Milliarden-Dollar-Auftrag. Doch nun ist EADS raus aus dem schon sicher geglaubten Tankerauftrag.

Airbus gewinnt den Super-Cup. Aus einem jahrelangen Auswahlverfahren für das neue Tankflugzeug der US-Luftwaffe ist Airbus als Sieger hervorgegangen. Der Mutterkonzern EADS - Europas größter Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern - sowie sein US-Partner Northrop Grumman werden fürs Erste 179 Luftwaffentanker im Wert von 35 Milliarden Dollar liefern. Boeing konnte mit seinem Konkurrenzmuster KC-767 nicht überzeugen.

So klang es vor fast genau zwei Jahren am Ende der ersten Ausschreibung. Doch dann? Der schon sicher geglaubte Auftrag wurde nach Kritik des US-Rechnungshofes plötzlich neu ausgeschrieben. Die Aufsicht darüber wurde nicht mehr dem künftigen Nutzer, also der US-Luftwaffe, sondern dem Pentagon übertragen. Dann kam es, wie es kommen musste: Northrop Grumman zog sich jetzt aus der Pentagon-Ausschreibung zurück, denn man wolle nicht noch mehr Geld in ein Projekt stecken, das man nicht gewinnen kann, weil man es nicht gewinnen darf. Das Pentagon favorisiere ganz klar Boeing. Auch Thomas Enders, der Airbus-Chef, beklagt sich, dass die Ausschreibung für Boeing maßgeschneidert sei. Obwohl die Konstrukteure in Seattle eindeutig ein weniger leistungsfähiges Flugzeug anbieten.

Weil die weltweit operierende US-Luftwaffe nie genug Sprit in der Luft haben kann, um ihre Bomber in Bereitschaft zu halten, ist der Verschleiß an ebenfalls stets in der Luft präsenten Tankern groß. 534 müssen in den kommenden Jahren ersetzt werden. Das erste Los soll nun aus 68 Maschinen für zwölf Milliarden Dollar bestehen, weitere 111 fliegende Tankstellen werden - bei Gefallen - später geordert.

Das aktuelle EADS-Modell KC-45 ist vom Großraumflugzeug Airbus A330 abgeleitet und hat eindeutig bessere Qualitäten als die aus der Boeing 767 adaptierte KC-767. EADS hatte für den Airbus-Tanker ein eigenes Werk in den USA bauen wollen, in dem auch A330-Frachter montiert werden sollten. So hätte der Konzern endlich einen Fuß auf Boeing-Feindesland setzen können. Das wollte Northrop Grumman, das die militärischen Komponenten zuliefern wollte, dann doch nicht befördern. Und die US-Regierung? Die übte sich erneut in Protektionismus. Dass das EADS-Konsortium fast 50 000 neue Arbeitsplätze in den USA schaffen wollte und dabei den Boeing-Versprechungen weit voraus war, überzeugte Washington nicht.

Aus der Traum. Davon sind bei EADS im Moment sowieso nicht mehr viele übrig. Der Konzern ist spürbar angeschlagen. Noch immer sind die Sorgen um den Militärtransporter A400M groß. Die Maschine kommt Jahre nach dem eigentlichen Abgabetermin zur Auslieferung und bringt nicht die vereinbarten Leistungen. Erst am vergangenen Freitag einigte sich EADS mit den sieben Bestellerländern auf eine Aufteilung der Zusatzkosten. Die Regierungen von Deutschland, Belgien, Großbritannien, Frankreich, Luxemburg, Spanien und der Türkei übernehmen von den Mehrkosten zwei Milliarden Euro, zusätzlich greifen sie EADS mit Exportkrediten in Höhe von 1,5 Milliarden unter die Arme.

Nicht ohne Probleme läuft es auch bei der Hubschrauberproduktion von EADS. Der NH-90 entspricht nicht den Erwartungen. Die Bundeswehr überlegt bereits, ob sie nicht Helikopter aus US-Produktion ordern muss. Nicht gut läuft es auch beim Eurofighter, die Kosten übersteigen bei Weitem die ursprünglichen Berechnungen. Nur scheinbar überwunden sind die Probleme mit dem Großraumjet A380 und auch das A350-Projekt kommt nur langsam voran. So steht im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Verlust von 763 Millionen Euro in den Büchern. Noch im Vorjahr hatte EADS einen Gewinn von 1,572 Milliarden Euro bejubelt.

* Aus: Neues Deutschland, 10. März 2010


Von wegen Wettbewerb

Für Boeing maßgeschneidert: Washington schreibt Auftrag für Tankflugzeuge neu aus. Airbus gibt Rennen um US-Rüstungsprojekt entnervt auf

Von Klaus Fischer **


Airbus ist sauer. Die Tochter des europäischen Rüstungs- und Flugzeubaukonzerns EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) hat nach eigenen Angaben keine Chancen mehr auf einen Großauftrag des Pentagon im Umfang von 35 Milliarden Dollar zur Modernisierung der US-Lufttankflotte. Den schienen die Europäer und ihr nord­amerikanischer Kooperationspartner Northrop Grumman 2008 bereits in der Tasche zu haben, als das US-Verteidigungsministerium sein Okay gegeben hatte. Doch dann protestierte Boeing. Die inzwischen in Chicago beheimatete Nummer eins der US-Rüstungsindustrie schickte seine Lobbyisten in die Spur und hatte Erfolg. Der parlamentarische Rechnungshof monierte das Verfahren, der Auftrag zum Bau der 179 Tankjets wurde neu aussgeschrieben.

Der Grund dürfte simpel sein: Amerikanische Steuergelder sollen nicht nach Amsterdam fließen, wo EADS seinen Konzernsitz hat. Das hat die US-Regierung zwar nicht gesagt, mit der Neuausschreibung jedoch deutlich gemacht, daß es beim Schutz nationaler Interessen keinen kapitalistischen Wettbewerb gibt. Das sehen offenbar auch die EADS-Konzernlenker und europäische Politiker so. Airbus-Chef Thomas Enders, ein früherer Bundeswehr-Oberst, warf der US-Regierung laut Financial Times Deutschland »Voreingenommenheit« sowie unfaire Wettbewerbsbedingungen vor.

Ganz so derb dürfen Politiker eigentlich nicht agitieren. Dennoch rang sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) eine Warnung an die USA vor Protektionismus ab. Es sei enttäuscht über die Vorgehensweise des US-Verteidigungsministeriums bei der erneuten Ausschreibung. Nach der ursprünglichen Auswahl des Airbus A330MRTT durch die US-Luftwaffe werde mit der jetzigen Vorgehensweise Boeing deutlich bevorzugt. »Auch bei der Beschaffung von Rüstungsgütern sollte der freie Wettbewerb nicht einseitig eingeschränkt werden«, verlangte der Bundeswirtschaftsminister.

Die Ende Februar vorgelegten Ausschreibungsbedingungen für den Auftrag würden den Wettbewerber ­Boeing klar bevorzugen, hatten Northrop Grumman und EADS North America am Montag abend mitgeteilt. Nach dem Rückzug ist Boeing der einzige Bieter. Der Airbus-Chef verwies darauf, daß der Rückzug eine Entscheidung des US-Partners als Anführer des Konsortiums sei.

Anders als die erste Ausschreibung sei die jetzige Ausschreibung »maßgeschneidert auf den kleineren und weniger leistungsfähigeren Flieger der Konkurrenz. Es geht hier nicht mehr um das beste Tankflugzeug und auch nicht um einen fairen Wettbewerb«, klagte Enders. Die eigentlichen Verlierer seien aber die US-Luftwaffe und die US-Steuerzahler. Die Air Force sei nun gezwungen, »die zweitbeste Lösung zu akzeptieren und der US-Steuerzahler wird am Ende mehr zahlen für die kleineren und weniger leistungsstarken Modelle«.

Allerdings muß man EADS/Airbus nicht bedauern. Auch die Rüstungssparte des Unternehmens lebt zu großen Teilen von Staatsaufträgen der am Konzernkapital beteiligten Länder. Dabei geht Airbus nicht einmal besonders zimperlich mit seinen Geldgebern um, wie der Skandal um den verzögerten Bau des Truppentransporters A400M zeigt. Ungeniert hatte der Konzern die Staaten aufgefordert, mehr Geld für das Projekt lockerzumachen und letztlich die Regierungen zum Einlenken bewogen. Doch alles, was Airbus im Hinblick auf das Tankflugzeug den USA vorwirft, könnten andere Hersteller im Falle des Transporters Airbus vorwerfen: Zu klein, zu teuer und nicht einmal die zweitbeste Lösung.

Am Dienstag morgen (9. März) hatte EADS seine Geschäftszahlen für 2009 veröffentlicht. Danach schrieb der Konzern aufgrund der Rückstellungen für den Militärtransporter A400M sowie den Langstreckenflieger A380 einen Verlust von 763 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte EADS noch 1,572 Milliarden Euro Gewinn ausgewiesen. Aufgrund des hohen Verlustes werde EADS auf eine Dividende verzichten, teilte der Konzern mit.

** Aus: junge Welt, 10. März 2010


Blankoscheck

Von Olaf Standke ***

Eine Supermacht, die die ganze Welt im Visier hat, braucht auch eine Armada von Tankflugzeugen. Und wenn das Pentagon den Bau von 179 neuen Maschinen ausschreibt, dann nennt man das auf dem umkämpften Waffenmarkt einen Jahrhundertdeal. Den hat Europas größter Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS nun verloren. Seit 2003 versucht Washington diesen Auftrag zu vergeben. Erst musste Boeing das Milliardengeschäft wegen eines Bestechungsskandals abblasen. Dann siegten EADS und Northrop Grumman in einem zweiten Bieterverfahren, wurden nach einem Lobbyisten-Krieg um die riesigen Fleischtöpfe wegen angeblicher Verfahrensfehler jedoch zurückgepfiffen. Und jetzt wirft das amerikanisch-europäische Konsortium endgültig das Handtuch, weil die Ausschreibung klar das schlechtere Flugzeug bevorzuge. Während Politiker in Alabama, wo Northrop die fliegenden Tankstellen zusammengeschraubt hätte, von einer Farce sprechen, jubelt die Boeing-Seite, weil doch der Auftrag nicht ins Ausland geht. Ist das Geschäft in Krisenzeiten ohnehin der helle Wahnsinn, zahlt der US-amerikanische Steuerzahler bei diesem falschen Patriotismus auch noch drauf. Vor fast genau einem Jahr hatte der neue Präsident Barack Obama scharfe Kritik an der gängigen Vergabepraxis von Rüstungsaufträgen in den USA geübt: Die Zeit der Blankoschecks für Waffenschmieden sei nun vorbei. Gerade wurde wieder einer ausgestellt.

*** Aus: Neues Deutschland, 10. März 2010 (Kommentar)

Lesen Sie auch:
Luftrivalen
US-Verteidigungsministerium favorisiert EADS-Tankflugzeuge - Konkurrent Boeing schäumt (13. März 2008)



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