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Waffen für die Welt

Deutsche Militärgüter sind Exportschlager: BRD hat laut Friedensforschungsinstitut SIPRI Rüstungsexporte seit 2005 mehr als verdoppelt

Von Paul Grasse und Carsten Albrecht *

Deutschland hat seine Rüstungsexporte seit 2005 mehr als verdoppelt. Das geht aus einer Studie des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI (Stockholm International Peace Reasearch Institute) hervor, die am Montag (15. März) veröffentlicht wurde. Der Anteil der deutschen Exporte am weltweiten Rüstungsmarkt beträgt demnach elf Prozent. Damit belegt die Bundesrepublik Platz drei hinter Rußland und den USA. Hauptposten sind U-Boote und gebrauchte Panzer. Weltweit gefragt sich auch Kleinwaffen deutscher Produktion.

Die Abnehmer deutscher Rüstungsgüter sind breit über den Globus verstreut. Zu 14 Prozent geht die Kriegsware in die Türkei und zu 13 Prozent an Griechenland. Somit liefert Deutschland in großem Umfang Militärausrüstung an zwei Staaten, die sich u.a. in der Zypernfrage feindlich gegenüberstehen. Die Waffenimporte Athens stammen zu 35 Prozent aus der BRD. Eine dpa-Meldung vom Montag weist darauf hin, daß »das Geschäft mit Kriegswaffen die deutschen Werften stärkt« und dort »Arbeitsplätze sichert«.

Afrika reich gesegnet

»Deutsche Waffen in alle Welt, das scheint die Devise der hiesigen Rüstungsindustrie zu sein«, kommentierte die abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Inge Höger, gestern den SIPRI-Report. Auch der afrikanische Kontinent ist reich gesegnet mit deutschen Rüstungsgütern. Rund zwölf Prozent der deutschen Rüstungsexporte gingen an Südafrika, das neben Algerien Afrikas größter Waffenimporteur ist. Platz drei belegt der konfliktreiche Sudan. »Oft haben relativ kleine Waffenlieferungen ins subsaharische Afrika sehr großen Einfluß auf Konflikte in der Region«, heißt es in der SIPRI-Studie. Analog dazu stellte EADS-Mitarbeiter Peter Eitel bereits Ende 2009 im Militärmagazin Homeland Security fest: »Es ist verantwortungsvoll, Afrika als einen Markt mit spezifischen Bedürfnissen bei Wehr- und Sicherheitstechnik wahrzunehmen – und nicht als letzten Einsatzort für AK 47 und ausrangiertes Material östlicher Provenienz.« Folglich konstatiert die SIPRI-Studie, daß die von der UNO verhängten Waffenembargos in Krisenländer wie Eritrea, Elfenbeinküste und Kongo sowie in die Region Darfur konsequent mißachtet werden.

Neben Europa und Afrika spielt auch der asiatische Markt für die deutsche Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle. Für Südkorea ist die BRD nach den USA der zweitwichtigste Waffenlieferant (20 Prozent).

»Die Bundesregierung hat ganz offensichtlich kein Interesse daran, den Rüstungsexport ernsthaft zu kontrollieren«, konstatiert Inge Höger, die für die Partei Die Linke im Verteidigungsausschuß des Bundestages sitzt. Die mangelnde Rüstungskontrolle sei auch darin begründet, daß diese Exporte maßgeblich zur Gegenfinanzierung von Aufrüstung und Militarisierung beitragen, so Höger weiter. »Die Rüstungsproduktion für deutsche und europäische Kriegseinsätze führt gleichzeitig zu einem Anstieg der Produktion von Rüstungsgütern für den Weltmarkt.« Ein Beispiel hierfür sei das Transportflugzeug A400M, dessen Mehrkosten durch den Export des Flugzeuges an Drittstaaten kompensiert werden sollen.

Militarisierung der EU

Die Militarisierung der EU steht in direktem Zusammenhang mit den wachsenden Anteilen Deutschlands und Frankreichs am globalen Rüstungsexport. Das von Rüstungslobbyisten gewünschte »europäische militärische Kernland« (Rheinmetall) dürfte aus diesen beiden Ländern bestehen. Deren Anteile am Weltmarkt der Rüstungswaren betragen gemeinsam 19 Prozent und nähern sich den Rüstungsexportgrößen Rußland (23 Prozent) und USA (30 Prozent) an. Der französische Verteidigungsminister Hervé Morin hat nie einen Hehl aus seinen Überzeugungen gemacht. »Wer ein Europa der Verteidigung will, muß auch ein Europa der Rüstung wollen«, sagte er bereits 2008 im Ausschuß für Sicherheit und Verteidigung des Europaparlamentes.

Jan van Aken, Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, forderte gestern in der Frankfurter Rundschau einen »kompletten Exportstopp« von deutschen Rüstungsgütern. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth möchte dem Bundestag ein Vetorecht bei Waffenexporten einräumen. Der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, kann »nichts Verwerfliches« daran finden, wenn deutsche Firmen NATO-Partner ausrüsten. Lediglich bei Lieferungen in andere Ländern müsse man »kritisch« sein.

* Die Autoren sind Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik der Partei Die Linke in Berlin

* Aus: junge Welt, 16. März 2010


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