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Deutsche Waffen auf dem Vormarsch

Bundesregierung will den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern erleichtern

Von Hermannus Pfeiffer *

Die deutsche Rüstungsindustrie ist nach den USA und Russland weltweit zur Nummer drei aufgestiegen.

Der Prozess gegen den Waffenhändler Schreiber vor dem Augsburger Schwurgericht rückt eine Branche zumindest wieder in ein Zwielicht, die von der deutschen Öffentlichkeit schon ganz vergessen schien: die Rüstungsindustrie. Ganz zu unrecht, denn nach den USA und Russland exportiert die deutsche Wirtschaft die meisten Kriegswaffen und Rüstungsgüter weltweit.

Dabei sind es keineswegs nur ein paar für die Volkswirtschaft eher unbedeutende Mittelständler, die in entlegenen Werkhallen einige Stahlplatten zusammenschweißen. Der halbstaatliche Hochtechnologiekonzern EADS-Airbus, dessen größter privater Aktionär Daimler ist, stellt Kampfflugzeuge, Militärtransporter und Lenkflugkörper her. Und hat damit Boeing überholt. Nicht zuletzt, weil Rüstungslobbyist Karl-Heinz Schreiber einst Verträge für Airbus in Kanada und Thailand einfädelte

ThyssenKrupp, ebenfalls ein Schreiber-Kunde, verkauft heute Brennstoffzellen-U-Boote bis nach Pakistan und projektiert gerade Marathon-Fregatten, die ab 2016 jahrelang nonstop vor fremden Küsten kreuzen werden. Diehl produziert unbemannte Drohnen und Hubschrauber, die ohne Pilot fliegen; Atlas Elektronik konstruiert 600 km/h schnelle Torpedos und Heckler & Koch verbreiten weltweit ihre berühmten Handfeuerwaffen.

Der in diesen Tagen geschmiedete Panzerbund von Rheinmetall und MAN wird international einen Platz unter den ersten drei in der besonders lukrativen Radpanzer-Szene erobern. Das weltweite Comeback des Guerillakrieges hat vor allem das Geschäft mit den Radpanzern explosionsartig anschwellen lassen. Im asymmetrischen Krieg der Jetztzeit gewinnen Radpanzer wieder an überragender taktischer Bedeutung für die Militärs. Nur noch in schwer gepanzerten Spezialfahrzeugen können sich größere Trupps von Soldaten durch ein Land bewegen, in dem preiswerte ferngesteuerte Sprengfallen und Hinterhalte an jedem Straßenrand drohen. Davon hofft der neue Panzerkonzern zu profitieren.

Wie in anderen führenden exportorientierten Industriezweigen erschöpft sich das deutsche Angebot jedoch nicht allein in der »Hardware«. Der richtungsweisende Panzerriese Rheinmetall entwarf und betreut das neue Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Altmark, konzipiert den multimedial vernetzten »Infanteristen der Zukunft« und arbeitet an künstlichen 3D-Projekten.

In den Jahren der Großen Koalition von SPD, CDU und CSU sei das genehmigte Exportvolumen für Kriegswaffen, Rüstungsgüter und militärische Dienstleistungen deutlich angewachsen, kritisierte kürzlich die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in ihrem »Rüstungsexportbericht 2009«. Nach den USA und Russland ist die deutsche Rüstungsindustrie mit Ausfuhren von acht Milliarden Euro weltweit schon wieder zur Nummer drei aufgestiegen.

Damit nicht genug, will die neue schwarz-gelbe Regierung noch bestehende Wettbewerbsnachteile der deutschen Industrie gegenüber europäischen Konkurrenten abbauen. Die bisherige von der Regierung zumindest offiziell verfolgte »restriktive« Genehmigungspraxis beim Export soll laut Koalitionsvertrag an die anderen EU-Staaten auf »hohem Niveau« angeglichen werden.

Mit dem neuen Konflikt in Jemen, der Entdeckung der Arktis als Rohstoffreserve und der Eskalation des Afghanistankrieges wird sich die Rüstungsspirale bald noch schneller drehen. Auch weitere Megafusionen stehen in den Startlöchern: Für Nicolas Sarkozy sind Airbus und seine Konzernmutter EADS ein Vorbild. Dieser Tage schlug der umtriebige französische Präsident darum den Deutschen einen »maritimen EADS-Konzern« mit gemeinsamen Marinewerften als Gegenstück zum europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern vor. Die Antwort aus Berlin steht derzeit noch aus.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Januar 2010


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