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Freibrief für Regierung und Konzerne

Anhörung im Bundestag zur geforderten Verschärfung der Rüstungsexportkontrolle

Von René Heilig *

Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten - notwendig oder unmöglich? Mit einer öffentlichen Anhörung wollte der Bundstagsausschusses für Wirtschaft und Technologie am Montag Klarheit schaffen und verfing sich in den traditionellen Widersprüchen zwischen Friedensforschern und Rüstungslobby.

Anlass für die Anhörung waren zwei Anträge der Opposition. So fordert die SPD-Fraktion[externer Link] eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Die Regierung solle sich künftig streng an die eigenen Rüstungsexportrichtlinien, das Außenwirtschaftsgesetz, die Außenwirtschaftsverordnung und das Kriegswaffenkontrollgesetz halten und dementsprechend einer restriktiven Genehmigungspraxis folgen. Zudem solle der Rüstungsexportbericht künftig spätestens drei Monate nach Ablauf eines Kalenderjahres veröffentlicht werden. Die Verzögerungstaktik der Regierung ist seit Jahren evident, der Bericht für 2011 steht noch immer aus.

Die Bündnisgrünen [externer Link] verlangen von der Regierung einen Gesetzentwurf, der eine bessere Kontrolle des Exports ermöglicht. Bei sensiblen Lieferungen müsse das Parlament vorab unterrichtet werden und eine Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

Sebastian Roßner (Uni Düsseldorf), einer der sechs geladenen Sachverständigen, forderte, dass die seit Jahrzehnten geduldete Unwissenheit der Abgeordneten beendet wird. »Rüstungsexportpolitik braucht aus Gründen der Demokratie das Licht und die frische Luft einer politischen, möglichst breit zu führenden Diskussion.«

Damit hat er den Widerspruch von Hans-Michael Wolffgang (Uni Münster) provoziert. Nach dessen Auffassung würden die geforderten Unterrichtungsrechte des Bundestages »in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung eingreifen«. Darin jedoch sieht Wolfgang einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung.

Ganz klar, dass die Vertreter der AeroSpace and Defence Industrie Association of Europe (ASD) und des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) »ganz nah bei ihm« waren. Für die Vertreter der Rüstungsindustrie sind die deutschen Exportrichtlinien - obwohl sie nicht einmal rechtlich verbindlich sind - »mehr als streng«. Würden deutsche Rüstungsexportentscheidungen in die öffentliche Diskussion geraten, könnten die europäischen Partnerländer versuchen, Deutschland in die Rolle eines Zulieferers zu drängen, »um zu verhindern, dass potenzielle Empfängerländer sich durch die kontroverse öffentliche Diskussion diskriminiert fühlen«. So hätten weder Regierung noch Parlament eine Möglichkeit, die europäische Außen- und Sicherheitspolitik mitzubestimmen.

Abermals verweisen die Industrievertreter auf die Sicherung der Arbeitsplätze. 230 000 wären von der Rüstung abhängig, sagte Georg Wilhelm Adamowitsch vom BDSV. Auf gerade einmal 80 000 kam dagegen Jan Grebe vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn. Er forderte wie Bernhard Moltmann von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung ein robustes europäisches Exportkontrollregime, das auch eine Überwachung des Endverbleibs von militärischen Gütern beinhaltet. Kontrovers wurde die Verbindlichkeit von Voranfragen debattiert. Offenkundig gilt das Prinzip, dass wer A sagt, bis Z buchstabieren muss.

In der insgesamt sachlichen Befragung tat sich der FDP-Vizefraktionschef Martin Lindner als Demagoge hervor. Er verlangte von den Friedensforschern Beispiele dafür, dass Nicht-Lieferungen von Waffen zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Empfängerländern beigetragen haben. Er lobte den von EADS gemeinsam mit der Bundespolizei betriebenen Aufbau eines Grenzsystems für Saudi-Arabien. So könne man positiv auf die Menschenrechtssituation einwirken.

Der Sicht wollte der Jan van Aken von der Linksfraktion nicht folgen - schon weil er sich dieses »Menschenrechtssystem« vor Ort angeschaut hat. Mag sein, dass an der Grenze »menschenrechtskonform« festgenommen wird, wenn Bundespolizei-Ausbilder in der Nähe sind. Gefoltert werde in den Geheimdienstkellern von Riad.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 07. November 2012

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