Vor einer neuen Periode weltweiter Aufrüstung? - Spitzenreiter USA
Das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) legt den Jahresbericht 2002 vor
Am 27. Mai legte das BICC den Jahresbericht 2002 vor (Conversion Survey 2002). Wir dokumentieren im Folgenden die Presseerklärung des BICC.
Die Zeichen stehen auf Aufrüstung, nicht erst seit dem 11. September 2001. Zu diesem Ergebnis
kommen die Autoren des Jahrbuch 2002 des Internationalen Konversionszentrums Bonn
(BICC) Conversion Survey 2002. Die USA, bereits mit Abstand größte Militärmacht der Welt,
haben die Militärausgaben weiter massiv erhöht. Die Wissenschaftler des BICC warnen: Auf die
Abrüstung der frühen 1990er Jahren, die "Friedensdividende", scheint nun eine Art
"Terrordividende" zu folgen. Die Bilanz des Conversion Survey 2002 lautet darüber hinaus:
Konversion, also die Umstellung von militärischer auf zivile Nutzung, darf nicht nur in Nachsorge von
Kriegen geschehen, sondern muss auch Konfliktprävention zum Ziel haben.
Während US-Präsident Bush anlässlich seines Deutschland-Besuches seine Partner aufgefordert
hat, "Kapazitäten und Budgets den neuen Bedrohungen anzupassen", ist die weltweite Aufrüstung
bereits in vollem Gange. Dr. Michael Brzoska, Abteilungsleiter Forschung am BICC, analysiert:
"Unter Herausrechnung der Inflation haben wir im Jahre 2002 bei den weltweiten
Militärausgaben wieder das Niveau von 1992 erreicht. Wird dieser Aufwärtstrend
fortgeschrieben, wird im Jahre 2010 der bisherige historische Höchstwert des Kalten Krieges
von 1987 überschritten werden." Der Conversion Survey 2002 belegt: Zwischen 1986 und
2000, dem letzten Jahr, für das ausreichend gesicherte Zahlen vorliegen, stiegen die Militärausgaben
weltweit zunächst nur leicht an, nämlich um insgesamt 2 Prozent bis 1999 und weitere 3 Prozent im
Jahre 2000. Vorläufige Schätzungen für 2001 deuten auf einen weiteren Anstieg um 3 bis 4 Prozent
hin. Geht man von den für 2002 angekündigten Erhöhungen aus, kann für 2002 eine Erhöhung um
weitere 4 bis 5 Prozent erwartet werden. Die globalen Militärausgaben werden, in laufenden
Preisen, dann wieder bei ca. 900 Milliarden Dollar oder 960 Milliarden Euro liegen.
Der Conversion Survey 2002 weist ebenfalls nach: Schon vor dem 11. September 2001 war in
den USA eine neue Aufrüstungsrunde eingeläutet worden. Präsidentschaftskandidat George Bush
argumentierte im Herbst 2000, der US-amerikanische Verteidigungshaushalt sei zu niedrig, die
Streitkräfte nicht ausreichend ausgestattet. Als Präsident konnte er Erhöhungen durchsetzen.
Insgesamt wurde der Verteidigungshaushalt von 310 Milliarden Dollar im Haushaltsjahr 2001 auf
343 Milliarden Dollar für das Haushaltsjahr 2002 erhöht.
USA weltweiter Spitzenreiter bei Militärausgaben
Die Ereignisse des 11. September haben den Trend drastisch verstärkt. Für das Finanzjahr 2002
wurden dem Pentagon zehn Milliarden Dollar zusätzlich bewilligt mit der Aussicht auf weitere Mittel,
sollten die Kosten des "Krieges gegen den Terror" dies erfordern. Für das folgende Haushaltsjahr
2003 beschloss die US-Regierung im Februar 2002 nochmals eine deutliche Zulage. Der
US-amerikanische Verteidigungshaushalt soll auf 396 Milliarden Dollar gesteigert werden. In der
gleichzeitig beschlossenen mittelfristigen Fünfjahresplanung 2003 bis 2007 sind Ausgaben von
insgesamt 2,1 Billionen Dollar vorgesehen. Geplanter Endwert 2007: 469 Milliarden Dollar.
Die Vereinigten Staaten sind, was die Größenordnungen der Militärausgaben und auch der
geplanten Erhöhungen angeht, einsamer Spitzenreiter. Mit 353 Milliarden Dollar 2002 werden die
USA fast achtmal so viel ausgeben wie Japan mit 45 Milliarden Dollar, mehr als neunmal soviel wie
Frankreich, Großbritannien und China mit jeweils unter 40 Milliarden Dollar und zwölfmal soviel wie
Deutschland mit knapp 30 Milliarden Dollar.
Präsident Bush, gefragt nach der Kluft zwischen den USA und ihren Verbündeten spricht davon,
dass "besonders unter Freunden" Lücken im Militärbereich geschlossen werden sollten. Die
Bundesregierung ist gut beraten, nicht nur auf die USA zu starren und keine voreiligen
Schlussfolgerungen zu ziehen. "Wir sehen nicht, wie eine neue Bundesregierung um einen
Kassensturz und einen Neuanlauf für die Reform der Bundeswehr herumkommen kann. Erst
auf der Grundlage einer realistischen Planung sollte dann diskutiert werden, ob mehr Geld
für die Bundeswehr notwendig ist," argumentiert Brzoska.
Konversionsbilanz 2002
Wie steht es angesichts der neuen Aufrüstung um die Konversion, also die nach Ende des Kalten
Krieges eingeleitete Umstellung von militärischer auf zivile Nutzung?
Im Bereich der Rüstungsindustrie und der militärischen Forschungslabors ist Konversion auf
nur noch wenige Staaten konzentriert. Beispiele in diesen Bereichen liefern weiterhin Russland sowie
seit Oktober 2000 auch Serbien und Montenegro. Deutlich größer ist der Bedarf bei der
Demobilisierung und Reintegration von Streitkräften. Regelmäßig müssen nach dem Ende von
Kriegen und Konflikten große Zahlen von Kämpfern wieder in die zivile Wirtschaft und Gesellschaft
reintegriert werden. Aktuelle Beispiele sind etwa die Demokratische Republik Kongo und der
Balkan. Für die DR Kongo hat die Weltbank gerade ein Demobilisierungsprogramm für fast
350.000 Soldaten aufgelegt, mit Kosten von fast 400 Millionen Euro. Auf dem Balkan besteht gute
Hoffnung, dass alle Beteiligten der Kriege der 90er Jahre, einschließlich der südöstlichen
Nachbarstaaten, ihre Streitkräfte um mehr als ein Viertel verringern. Konversionsbedarf besteht
weiterhin auch bei den Liegenschaften. Die im Februar 2001 von Verteidigungsminister Scharping
angekündigten Standortschließungen sind noch nicht umgesetzt und stellen mehr als 50 Kommunen
vor Umnutzungsaufgaben. Konversion von Liegenschaften ist auch ein Ziel in vielen osteuropäischen
Ländern. Allerdings fehlt in der Regel das Geld. Mit verbesserter Wirtschaftslage sollte aber auch
dort die zivile Nutzung des vom Militär freigezogenen Landes erfolgen.
Kleinwaffen gelten als gefährlichste, weil am weitesten verbreitete "Massenvernichtungswaffen"
unserer Tage. Im Juli 2001 waren sie Thema einer UN-Konferenz; im Oktober 2001 wurden
Empfehlungen zur Verbesserung von Waffenembargos im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
vorgestellt. An beiden UN-Maßnahmen war das BICC inhaltlich beteiligt. Das Internationale
Konversionszentrum Bonn beabsichtigt, über die Frage der Kleinwaffen hinaus stärker im Bereich
der Konfliktprävention tätig zu werden.
Das Erbe des Kalten Krieges ist immer noch nicht abgearbeitet, aber zunehmend wird der
Konversionsbedarf durch die Beendigung von Krisen und Kriegen bestimmt. Er verlagert sich
geographisch, von Europa nach Afrika und einzelne Länder in Südostasien, und vielleicht demnächst
auch nach Mittelost. Peter Croll, Direktor des BICC, fasst die Bilanz des Conversion Survey
2002 deshalb mit den Worten zusammen: "Konversion steht vor der Herausforderung, ihren
Charakter zu ändern, also nicht nur Nachkriegssituationen bewältigen zu helfen, sondern
auch der Vorsorge gegen Kriege zu dienen."
Mehr Informationen zum Conversion Survey 2002 unter www.bicc.de
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