Internationale Abrüstung steht still
USA bestimmen den Trend
PRESSEERKLÄRUNG DONNERSTAG, 14. JUNI 2001
Das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) stellt
sein sechstes
Jahrbuch zu Abrüstung und Konversion vor (Conversion Survey
2001: Global
Disarmament, Demilitarization and Demobilization, Nomos-Verlag)
"Seit etwas über einem Jahrzehnt ist die Abrüstung erstmals
an einen
Wendepunkt gekommen: Internationale Abrüstung und
Konversion stagnieren,
teilweise wird sogar erneut aufgerüstet", erklärte Herbert Wulf,
Direktor
des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC), anlässlich
der
Präsentation des BICC Jahrbuches in Berlin. In der Konsequenz hat
sich
auch die zivile Nutzung bisher militärisch genutzter Potenziale - die
Konversion - verlangsamt. Dennoch bleibt sie auf der Tagesordnung
- in
Deutschland insbesondere durch die Diskussion um die zukünftige
Struktur
der Bundeswehr. International liegt der Schwerpunkt auf der
wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Integration von demobilisierten Streitkräften
sowie von Beschäftigten aus der Rüstungsindustrie Osteuropas.
Die klassische Rüstungskontrolle ist in der Krise. Die USA haben
wegen
ihrer militärischen und politischen Dominanz kaum noch Interesse an
strategischer Stabilität durch bilaterale Vereinbarungen. "Die USA
vertrauen allein auf die Kontrolle durch eigene Stärke und
wollen eine Form
der Rüstungskontrolle, die die Waffensysteme der anderen
Staaten begrenzt,
aber den eigenen Handlungsspielraum für weltweite
militärische Aktionen
nicht einschränkt", stellte Herbert Wulf fest. Diese Politik findet
ihren
Niederschlag in den Planungen zur Raketenabwehr NMD. Die
Überlegenheit der
USA in militärtechnologischer Hinsicht wird durch eine Zahl deutlich:
Im
Jahr 2000 gaben die USA 38 Milliarden US-Dollar für militärische
Forschung
und Entwicklung aus. Dies entspricht dem 11-fachen der Ausgaben
von
Frankreich, dem zweiten der weltweiten Rangfolge. Obwohl die
Pläne
zur Raketenabwehr noch weit von der auch technischen Umsetzung
entfernt
sind, werden jetzt die Grundlagen für neue Runden von Aufrüstung
bereitet.
Hier sind die Europäer gefragt, deutlich eigenständige Positionen zu
beziehen.
Militärische Interventionen haben zugenommen. Multilaterale
UN-Missionen
sind in das Zentrum der Diskussion neuer und zukünftiger
Militäreinsätze
gerückt. Rund 90 Prozent aller Kriegsopfer sterben heute durch
Kleinwaffen
in regionalen und internen Kriegen. Dies waren allein in den letzen
zehn
Jahren drei Millionen Menschen, die meisten von ihnen Frauen und
Kinder.
Kleinwaffen sind damit die Massenvernichtungswaffen des
modernen Krieges.
"Es ist dringend notwendig diese Waffen auf die
internationale
Rüstungskontrollagenda zu setzen," forderte Wulf. Einen
Anfang kann die UN-
Konferenz zum Thema "Illegaler Handel mit Kleinwaffen und
leichten Waffen" im
Juli 2001 in New York machen. "Das Internationale
Konversionszentrum wird als
offiziell registrierte Organisation durch einen Workshop und andere
Aktivitäten
zu diesem hoffentlich wichtigen Meilenstein beitragen", kündigte
Wulf an.
Obwohl Abrüstung einfacher ist als Rüstungskontrolle verzeichnet
das BICC auch
hier Stagnation. Der BICC Abrüstungsindex aus der Kombination
von
Militärausgaben, Waffenarsenalen, Streitkräften und
Beschäftigtenzahlen in der
Rüstungsindustrie belegt: Im neuen Jahrtausend wird nicht mehr
abgerüstet.
"Die Reduktion der Militärapparate ist zum Stillstand
gekommen. Aber immerhin
sind die militärischen Sektoren heute um ein Drittel kleiner
als zum Ende des
Kalten Krieges", sagte Wulf.
Trotzdem werden weiterhin enorme militärische Potenziale
unterhalten. Das
BICC-Jahrbuch stellt fest: Die weltweiten Militärausgaben betrugen
1999
686 Milliarden US-Dollar (in Preisen von 1993); der gegenwärtige
Bestand
an konventionellen Großwaffen liegt bei über 422.000 Stück; es gibt
über
21,7 Million Soldaten in regulären Streitkräften und fast 8 Million
Beschäftigte arbeiten weltweit in der Rüstungsindustrie.
Die Situation in Deutschland
Deutschland liegt im Abrüstungstrend nach wie vor weit vorne, hat
weltweit
den 12. Rang gehalten und hat seinen militärischen Sektor gegenüber
dem
Ende des Kalten Krieges auf fast die Hälfte verkleinert. Bei den
Militärausgaben
liegt Deutschland allerdings unter allen Staaten der Welt immer noch
auf dem
vierten Platz - vor Ländern wie China oder dem Vereinigten
Königreich. Das BICC
fordert Verhandlungen zu Reduktionen der Militärausgaben im
Rahmen der Vereinten
Nationen. "Sowohl die Diskussion innerhalb der NATO über
angeblich zu geringe
Rüstungsanstrengungen der Europäer als auch die geplante
Vereinnahmung von
Erlösen durch den Verkauf von Liegenschaften durch den
Verteidigungsminister
ist mehr als fragwürdig", kritisierte Wulf. Der Abrüstungsprozess
in Deutschland
muss jetzt wieder an Fahrt gewinnen.
Um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Sicherheit wieder zu
beleben fordert das
Internationale Konversionszentrum Bonn:
-
Die Kontrolle des Militärs in Konflikten: Nicht jeder Konflikt
bedarf einer
militärischen Antwort. Im Gegenteil!
- Die Kapazität der Vereinten Nationen für
Friedensmissionen muss gestärkt
werden und die VN müssen die notwendigen Mittel erhalten, um
den Gewaltzirkel zu
durchbrechen.
- Rüstungskontrolle muss Abrüstung wieder in Gang bringen
und den Trend
dauerhaft verstetigen.
- Rüstungskontrolle sollte darauf ausgerichtet sein, den raschen
Prozess der
Waffenmodernisierung zu verlangsamen.
- Kleinwaffen müssen Gegenstand internationaler
Rüstungskontrolle sein.
- Die Militärausgaben: müssen im Rahmen von Rüstungskontrolle
reduziert werden.
- Die Durchsetzung selektiver Initiativen: Das Beispiel der
Ottawa-Konvention
sollte Schule machen.
- Die Erhöhung der finanziellen und technischen
Abrüstungshilfe ist dringend
erforderlich. Die Beträge für solche Programme im Haushalt des
Auswärtigen Amtes
sind im Vergleich zu den Militärausgaben marginal.
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