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Es bleibt beim abgenagten Knochen

Rüstungsexportzahlen für 2012 durchgesickert – Schwarz-Rot will Daten demnächst rascher vorlegen

Von René Heilig *

Der Inhalt des 14. Rüstungsexportberichts ist bekannt geworden. Demnächst, so einigte sich die kommende Koalition aus Union und SPD, soll rascher über Todesexporte informiert werden.

Noch ist der Bericht nicht offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Obwohl sein Inhalt sich mit Exporten und Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter beschäftigt, die im Jahr 2012 abgewickelt wurden. Die Bundesregierung erteilte im vergangenen Jahr – laut Bericht – Rüstungsexportgenehmigungen »im Wert von insgesamt ca. 4,704 Milliarden Euro (2011: 5,414 Milliarden Euro)«. 45 Prozent des Wertes beziehen sich auf Exporte in NATO- oder gleichgestellte Staaten. 55 Prozent gingen in sogenannte Drittländer. Das sind 13 Prozent mehr als 2011.

Dieser signifikante Anstieg wird mit den Genehmigungen für das sogenannte Grenzsicherungssystem begründet, das vor allem der EADS-Konzern in Saudi-Arabien baut. Dazu kommen Waffenzielgeräte, aber auch die Software für Flugkörpersteuerung.

Tatsächlich, so steht es im Bericht, wurden 2012 Waffen und Militärgerät im Wert von 946 Millionen Euro verkauft. Damit sei der Waffenexport im Vergleich zum Vorjahr gesunken. 2011 wurden die realen Exporte mit 1,285 Milliarden Euro angegeben.

Festzuhalten ist, dass die Regierung – wider eigene Grundsätze – auch diesmal nicht darauf verzichtet hat, Waffen in Spannungsgebiete zu exportieren. So lieferte man Gerät im Wert von 262,5 Millionen Euro nach Südkorea, 125,6 Millionen sind hinter dem Ländernamen Irak verbucht. Nach Singapur lieferte man Rüstungsgüter im Wert von 58,1 Millionen Euro. Wichtige Abnehmer sind auch Algerien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Letztere bekamen Gerät für 124,8 Millionen Euro.

Auffällig ist auch, dass es einen starken Anstieg bei den Exportgenehmigungen für Kleinwaffen gegeben hat. Gemeint sind Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Pistolen und allerlei Munition. Die Regierung billigte 2012 den Verkauf von Kleinwaffen an Drittländer im Wert von 37,09 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch 17,92 Millionen Euro.

Der Protest von Menschenrechtlern verhallt weiter von der Regierung ungehört. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Jan van Aken, empört sich: »Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle. Es gibt kaum noch Grenzen für die deutschen Waffenschmieden. Fast jede Waffe darf in fast jedes Land der Welt geliefert werden.« Der Außenpolitikexperte merkt an, dass die Exportgenehmigungen in schwindelerregende Höhen geschnellt sind, seit Angela Merkel Regierungschefin ist. Zwischen 2006 und 2011 lagen sie im Schnitt bei 8,01 Milliarden Euro.

Das soll nun alles anders werden – glaubt man den künftigen Koalitionären. Im Entwurf der Koalitionsvereinbarung von Union zur Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfepolitik sowie den Menschenrechten ist unter anderem zu lesen: »Außenwirtschaftspolitik leistet als präventive Außenpolitik einen Beitrag zur Verhinderung von Konflikten, die sich an der Knappheit vitaler Ressourcen entzünden.« Das klingt angesichts der bestehenden Politik, globale Sicherheitsinteressen vor allem per Waffenexport durchzusetzen, wie ein Hohn.

Wider die Praxis will Schwarz-Rot bei Rüstungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten die im Jahr 2000 beschlossenen, eigentlich recht strengen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern als »verbindlich« betrachten. Die Parteien wollen sich für »eine Angleichung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU« einsetzen. Fragt sich, in welche Richtung die gehen soll.

Auch will man nicht wie bisher erst nach Jahresfrist über Exportgenehmigungen informieren. »Über ihre abschließenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten«, heißt es. Darüber hinaus will man die Transparenz durch Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichtes noch vor der Sommerpause des Folgejahres und eines zusätzlichen Zwischenberichts verbessern.

Das sind zwar in der Tat minimale Verbesserungen gegenüber dem, was ist. Doch im Grunde wirft die Regierung dem Parlament weiterhin nur einen abgenagten Knochen hin. Ohne die Kenntnis eingehender Voranfragen der Waffenkunden und -exporteure haben die Abgeordneten weiter keinerlei Möglichkeiten, Rüstungslieferungen zu behindern oder gar zu stoppen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. November 2013

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Deutsche Waffen für Despoten

Saudi-Arabien ist Hauptabnehmer: Exportbericht enthüllt milliardenschwere Rüstungsdeals **

Linke und Grüne haben empört auf den neuen Rüstungsexportbericht reagiert, nach dem Saudi-Arabien 2012 Hauptabnehmer deutscher Lieferungen von Kriegsgerät war. »Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle«, sagte der stellvertretende Linksparteichef Jan van Aken am Dienstag gegenüber dpa. »Es gibt kaum noch Grenzen für die deutschen Waffenschmieden, bei den Waffenexporten herrscht eine neue Hemmungslosigkeit«, so van Aken. Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, gegen die eigenen Richtlinien zu verstoßen.

Der Exportbericht soll an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Insgesamt ging der Umfang der von der Bundesregierung erteilten Genehmigungen für Rüstungslieferungen im vergangenen Jahr von 5,4 auf 4,7 Milliarden Euro zurück. Auch die Ausfuhren nahmen von 1,285 Milliarden auf 946 Millionen Euro ab. 59 Prozent der Exporte gingen aber an Länder, die nicht der EU oder NATO angehören oder gleichgestellt sind, wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr.

Zu den zehn wichtigsten Empfängerstaaten bei den Genehmigungen zählten auch Algerien (287 Millionen Euro) und die Vereinigten Arabischen Emirate (125 Millionen). Saudi-Arabien lag aber mit 1,237 Milliarden Euro klar an der Spitze. Verantwortlich dafür ist ein Großauftrag für die EADS-Tochterfirma Cassidian: Sie soll 1,1 Milliarden Euro für den Bau einer Grenzsicherungsanlage erhalten. Für Aufsehen sorgten in den letzten Jahren Berichte, nach denen die saudische Regierung auch 270 »Leopard 2«-Kampfpanzer aus deutscher Produktion anschaffen will.

Stark angestiegen sind die Exportgenehmigungen für Kleinwaffen. An Drittländer außerhalb von EU und NATO wurden Pistolen oder Maschinengewehre sowie Munition für 37,1 Millionen Euro exportiert. 2011 waren es noch 17,92 Millionen Euro. Die SPD hatte wie auch Linke und Grüne eine bessere Kontrolle von Rüstungsexporten zum Wahlkampfthema gemacht.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. November 2013


Unverantwortlich

Von Olaf Standke ***

Nirgendwo in der Welt wird derart massiv aufgerüstet wie in Nahost, so die Analyse des renommierten Konversionszentrums in Bonn. Diese Militarisierung trage entscheidend zur Destabilisierung einer besonders konfliktreichen Region bei. Auch Deutschland trägt dazu in einem unverantwortlichen Maße bei, wie der jüngste regierungsoffizielle Rüstungsexportbericht zeigt. Zwar gingen die Liefergenehmigungen im Vorjahr von 5,4 auf 4,7 Milliarden Euro zurück, doch ausgerechnet Saudi-Arabien wurde mit einem Volumen von 1,24 Milliarden Euro wie kein anderes Land mit Zusicherungen bedacht. Und Riad will weiter deutsche Waffen kaufen, Hunderte Kampfpanzer etwa oder Dutzende U-Boote.

Glaubt man SPD-Fraktionschef Steinmeier, dann werde es mit einer Großen Koalition eine restriktive Exportpolitik mit verantwortbaren Entscheidungen geben, auch mit Blick auf Saudi-Arabien. Aber warum sollte man? Wie zuletzt Schwarz-Gelb haben zuvor auch Schwarz-Rot oder Rot-Grün zwar auf die doch so strengen Richtlinien bei Rüstungslieferungen verwiesen; daran gehalten haben sich die Koalitionen letztlich nicht. Egal ob Menschenrechtsverletzungen im Empfängerland oder Spannungen in der Region – wenn es um geostrategische Interessen und die Profite deutscher Waffenschmieden geht, werden sie regelmäßig zu Makulatur.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. November 2013 (Kommentar)


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