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Technisierungsschub

Ein neuer Sammelband über den zunehmenden Einsatz von Militärrobotern

Von Gerd Bedszent *

Der massive Einsatz von US-Kampfdrohnen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet hat die Verwendung von Robotertechnik für militärische Zwecke ins Blickfeld einer etwas breiteren Öffentlichkeit geraten lassen. 65 Länder nutzen bereits Militärroboter oder sind dabei, sich solche zu beschaffen. Der US-Kongreß hat ein Programm verabschiedet, nach dem im Jahre 2015 ein Drittel aller militärischen Kampffahrzeuge unbemannt zum Einsatz kommen soll. Ein Sammelband mit 17 wissenschaftlichen Beiträgen, Interviews und literarischen Texten hat die Entwicklung dieser neuen Generation von Waffentechnik zum Thema.

Für den US-Professor Stephen Graham ist die zunehmende Nutzung von Kampfrobotern ein Resultat der Urbanisierung des Krieges. Der Einsatz von Hightech-Waffensystemen durch hochentwickelte Industrienationen ließ den Rest der Welt militärisch hoffnungslos ins Hintertreffen geraten. Da Dschungel, Gebirge und unzugängliche Wüsten als traditionelle Schlupfwinkel der Guerilla dieser keinen Schutz mehr boten, verlagerten sich die asymmetrischen Auseinandersetzungen in die großen Städte. Dort versagten hochtechnologische Waffensysteme; der massive Einsatz von US-Bodentruppen im Irak entwickelte sich so zum militärischen Desaster. Militärtheoretiker und Rüstungsschmieden reagierten mit einem weiteren Technisierungsschub. Netzwerkgesteuerte Präzisionslenkwaffen sollen bei Bekämpfung urbaner Guerilla aus der Distanz das eigene Verlustrisiko auf Null senken und gleichzeitig durch Vermeidung »menschlicher« Fehler zivile Verluste minimieren.

Letzteres hat sich jedoch als ein Konglomerat aus Wunschdenken und Propaganda erwiesen. Jutta Weber, Professorin für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn, dokumentiert in ihrem Beitrag zahlreiche Beispiele von (zumeist totgeschwiegenen) zivilen Opfern dieser neuen Art Kriegführung. Allein in Nordpakistan sollen mehrere hundert der bei Drohnenangriffen getöteten Menschen unbeteiligte Zivilisten gewesen sein, darunter mindestens 168 Kinder.

Ist es zulässig, daß Roboter über die Tötung oder Nichttötung eines Menschen entscheiden? Wie zahlreiche im Buch dokumentierte Beispiele zeigen, wurde die Frage von den Militärs bereits eindeutig mit »Ja« beantwortet, während involvierte Wissenschaftler mit dieser Problemstellung überfordert sind.

Jürgen Altmann, Physikprofessor an der Universität Dortmund, thematisiert in seinem Beitrag die Gefahren der neuen Militärtechnik. Mit dem Einsatz dieser Roboter werde kein Frieden erzwungen, sondern nur eine weitere Spirale von Wettrüsten und Gewalt ins Werk gesetzt. Altmann spricht sich für ein generelles Verbot aus. Solange dieses weltweit nicht durchsetzbar sei, seien massive Rüstungsbegrenzungen notwendig.

Florian Rötzer, Chefredakteur des Onlinemagazins Telepolis, weist in seinem Beitrag allerdings nach, daß Staaten schon kein Monopol mehr auf die vergleichsweise neue Militärtechnik haben. Rötzer nennt Beispiele der Benutzung von Militärrobotern durch Aufständische, Terroristen und kriminelle Banden. Die schöne neue Welt läßt grüßen.

Hans-Artur Marsiske (Hrsg.): Kriegsmaschinen - Roboter im Militäreinsatz. Heise Verlag, Hannover 2012, 245 Seiten, 18,90 Euro

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. April 2012


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