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"Grüne Revolution" auf hoher See?

Neue Emissionsvorschriften werden Schiffe und Motoren verändern

Von Hermannus Pfeiffer *

Für den Schiffs-TÜV ist es eine »grüne Revolution«: Das Abkommen MARPOL zum Schutz der Meeresumwelt tritt in Kraft. Es wurde in London von der Weltschifffahrtsorganisation IMO beschlossen und soll innerhalb einer Dekade die Seefahrt zu einer sauberen Sache machen. Auch Öko-Verbände sind angetan.

Am 1. Juli trat die erste Phase der »MARPOL VI«-Regulierung in Kraft. Ab sofort gilt in Nord- und Ostsee sowie einigen anderen nördlichen Sonderzonen ein Schwefelgrenzwert von 1,5 Prozent. Bis 2020 soll dann der Schwefelgehalt weltweit auf 0,5 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig werden die für Küstenbewohner gefährlichen Rußpartikel stark reduziert, ebenso Stickoxide. Auch der Ausstoß des Treibhausgases CO2 sinkt um Millionen Tonnen.

Der Schiffs-TÜV »Germanischer Lloyd« (GL) hält die Regelung für eine »grüne Revolution«. Selbst Nadja Ziebarth vom Küstenbüro des BUND findet sie »großartig«. Bislang ist in Schiffsabgasen ein Schwefelgehalt von 4,5 Prozent erlaubt. 2,7 Prozent sind üblich und das ist 2700 mal mehr, als an Land gestattet ist. Die Umweltschützerin wünscht sich mit Blick auf weit schärfere Umweltnormen an Land ehrgeizigere Ziele. Auch für Stephan Lutter, Meeresschutzexperte des WWF, kommt der Fortschritt »zu langsam«. Er fordert, die Zielvorgabe um fünf Jahre vorzuziehen.

Gegenwind kommt jedoch von Reedern: Die Umstellung der Raffinerien benötige längere Zeit. Jedes dritte Containerschiff weltweit gehört deutschen Reedern und Investoren. Der heute genutzte billige Treibstoff auf See ist ein Abfallprodukt aus der Herstellung von Benzin und Heizöl. Viele Schiffsmotoren vertragen zudem die (teuren) schadstoffarmen Treibstoffe nicht.

Die neuen Emissionsvorschriften zwingen die Schifffahrt, verstärkt über saubere Alternativen nachzudenken. »MARPOL wirkt sich erheblich auf die Bauweise künftiger Schiffe und Schiffsantriebe aus«, heißt es beim GL in Hamburg. Um die Normen zu erfüllen, müssen alle Schiffe zukünftig mit besseren Treibstoffen angetrieben werden und/oder Schadstofffilter einbauen.

Technisch ist beides längst machbar: Der deutsche Reeder Rörd Braren hat ein Schiff mit einer Abgasbehandlungsanlage nachgerüstet, und Kapitäne stellen schon heute moderne Motoren während der Fahrt in Sonderschutzzonen auf schwefelarme Kraftstoffe um. GL empfiehlt als weitere Alternative die Verwendung von verflüssigtem Erdgas (LNG). Schon ab 2014 könnte LNG wirtschaftlicher als Diesel laufen.

Dass es in der UN-Sonderorganisation IMO mit ihren 169 Mitgliedstaaten zu einer Einigung kam, ist bemerkenswert. So bremsten Schwellen- und Entwicklungsländer, weil sie für ihre veralteten Flotten Wettbewerbsnachteile fürchten. Darum sorgt sich auch die Küstenschifffahrt. Etwa zwischen Lübeck und Sankt Petersburg konkurrieren die per Tonnenkilometer relativ umweltschonenden Schiffe mit den schadstoffstarken Lastkraftwagen. Andererseits erhoffen sich die angeschlagenen Werften Europas und die IG Metall neue Aufträge durch die anspruchsvollen Umweltnormen.

Schiffsdiesel

Anders als der Name nahelegt, können Schiffsdiesel nicht nur mit dem Treibstoff Dieselöl betrieben werden. Der Name Diesel steht einzig für das Prinzip eines Verbrennungsmotors, dessen Kraftstoff-Luftgemisch sich allein durch die Verdichtungswärme beim Einfahren des Kolbens in dem Zylinder entzündet und nicht wie beim Benzinmotor durch einen Zündfunken. Was den Treibstoff angeht, sind die etliche Megawatt leistenden Schiffsdiesel nicht anspruchsvoll. Neben Dieselöl vertragen sie auch jene Schwerölfraktionen, die nicht mal als Heizöl taugen.



* Aus: Neues Deutschland, 5. Juli 2010


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