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Meere als Müllhalde

Umweltbeirat fordert in seinem Gutachten einen Gesellschaftsvertrag für die Ozeane

Von Johanna Treblin *

Einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung zufolge gefährdet die Ausbeutung von Öl und Gas die Meere.

Plastik, Gift und zu viele Nährstoffe – die Meere dienen unserer Gesellschaft als Müllhalden, kritisiert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in seinem Jahresgutachten »Menschheitserbe Meer«. Da die Veränderungen schleichend ablaufen, werden sie unterschätzt. Dabei hätten Beeinträchtigungen von Wasserqualität und Fischbestand bereits ein »besorgniserregendes Ausmaß« erreicht. Deshalb fordert der WBGU einen neuen »Gesellschaftsvertrag für die Meere«.

Bereits 2006 hatte das Gremium in einem Gutachten auf den schlechten Zustand der Meere hingewiesen. Das zeigt, für wie kritisch der Beirat die Situation hält. Damals standen Auswirkungen des Klimawandels im Fokus. Jetzt widmet sich der Bericht vor allem den Themen Nahrung und Energie. Temperatur und Meeresspiegel steigen an, das Wasser wird saurer, so das Fazit von 2006. Jetzt prangert der WBGU außerdem an, dass die Meere massiv überfischt werden. Problematisch sei auch, dass sie »als letzte große Ressourcenquelle der Erde erschlossen und ausgebeutet« werden. Insbesondere die Förderung von Öl und Gas sieht das Gremium als großes Risiko an und verweist auf das Unglück der Ölplattform »Deepwater Horizon« 2010 im Golf von Mexiko.

Dabei seien die Menschen auf das Ökosystem Meer angewiesen: für Ernährung, Energiegewinnung, Medikamente und letztlich auch den Tourismus. Auch helfe das Meer als Kohlendioxidsenke, den Klimawandel zu bremsen. Anstatt entsprechend zu handeln, setze der Mensch den Meeren weiter zu. »Es wird immer deutlicher, dass Überfischung nicht nur weltweit ökologische Schäden anrichtet, sondern auch volkswirtschaftlich ineffizient ist«, so der WBGU in der Zusammenfassung zu seinem Bericht. Statt einer Ausbeutung von Öl und Gas solle auf Windkraft aus dem Meer gesetzt werden.

Voraussetzung für einen nachhaltigen Umgang mit dem »blauen Kontinent« ist laut WBGU ein »Gesellschaftsvertrag für die Meere« als Teil der gesellschaftlichen Transformation, die der WBGU in seinem Gutachten von 2011 gefordert hatte. Ein solcher Vertrag müsse international umgesetzt werden. Als Voraussetzung sehen die Wissenschaftler einen Konsens, der über einen breiten gesellschaftlichen Dialog erreicht wird.

Der Gesellschaftsvertrag soll dafür sorgen, dass die Menschheit die Verantwortung für die dauerhafte Erhaltung gesunder, leistungsfähiger und resilienter Meeresökosysteme für heutige und künftige Generationen übernimmt und in politisches Handeln übersetzt. Schließlich soll eine Weltmeeresorganisation gegründet werden, die die Umsetzung der Vereinbarungen überwacht.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. Juni 2013


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