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Rheinland-Pfalz: Feldversuch mit hochgiftigem Treibstoff?

NATO-Flugbenzin beunruhigt Anwohner an US-Air-Basen

Von Thomas Klein, Wiesbaden

Ein Apfelbaum als Symbol des Lebens. Vor zwei Wochen hat das "Bündnis gegen Krieg" in Trier, in Zusammenarbeit mit Anwohnern in den Anrainergemeinden der US-Air-Base Spangdahlem (Eifel), auf einem von Enteignung bedrohten Grundstück einen Apfelbaum gepflanzt: Protest gegen gegen die geplante Erweiterung der Air-Base, gegen einen drohenden Irakkrieg. Aber auch gegen den "Tod aus den Triebwerken der Militärmaschinen".

Der letztgenannte Grund mag auf den ersten Blick wie eine Übertreibung von Aktivisten der Friedensbewegung klingen. Oder wie eine Dramatisierung eventuell bestehender Gefahren durch besorgte Anwohner in den Orten rings um den US-amerikanischen Militärflughafen. Tatsächlich ist der Begriff von einem auch in "Friedenszeiten" drohenden Tod durch Militärflugzeuge aber keineswegs weit her geholt.

Seit etwas mehr als zehn Jahren kommt bei der NATO ein neues Flugbenzin zum Einsatz. "Jet Propellant", kurz JP-8, das ausschließlich für militärische Zwecke benutzt wird, kann wegen seines niedrigen Gefrierpunkts in allen Klimazonen eingesetzt werden. Die genaue Zusammensetzung des neuen Treibstoffs wird vom US-Militär geheim gehalten.
Klar ist aber, dass bei Tierversuchen Besorgnis erregende Ergebnisse heraus kamen. Die renommierte, medizinische Zeitung New Scientist berichtete bereits im Jahr 1996: Das Einatmen von JP-8 schädige die Lunge - und mit großer Wahrscheinlichkeit sei es Krebs auslösend.

Inzwischen liegen neuere Erkenntnisse vor. Die bestätigen schlimmste Befürchtungen. Den Toxikologen Mark Witten von der Universität Tuscon/ Arizona zitiert New Scientist mit den Worten JP-8 habe bei Mäusen "das Immunsystem völlig zerstört." Er habe noch nie einen Stoff gesehen, der die Abwehrkraft so gründlich schädige. Das Pentagon hat unterdessen Studien in Auftrag gegeben, die einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von JP-8 und dem sog. Golfkriegs-Syndrom untersuchen sollen. Ob die Ergebnisse allerdings das "Licht der Öffentlichkeit" erblicken, scheint angesichts der bisherigen Praxis eher unwahrscheinlich zu sein.

Dass von JP-8 eine enorme Gefahr für die Gesund ausgeht, steht aber mittlerweile für einige Fachleuten fest. So geht Otmar Wassermann, emeritierter Professor für Toxikologie und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Umweltstiftung, davon aus, dass die Nutzung des Treibstoffs JP-8 ein erhöhtes Krebsrisiko für die Menschen in der Region um die Air-Base bedeutet. Nach seiner Ansicht enthält JP 8 die hochgiftige Substanz 1,2-Dibromethan.

"Die Tatsache, dass die Zusammensetzung des Treibstoffs JP-8 vom US-Militär geheim gehalten wird, zeigt dessen Menschen verachtende Arroganz", so Wassermann weiter. Eine Arroganz, die sich auch deutsche Stellen zu eigen machen.
Allen Erkenntnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zum Trotz, besteht nach Ansicht der für die flugtechnische Genehmigung zuständigen Wehrbereichsverwaltung West in Wiesbaden in der Verwendung von JP-8 "keine Gefahr für die Gesundheit der Menschen am Flugplatz".

Auf politischer Bühne scheinen mittlerweile immerhin Zweifel an dieser Version aufzukommen: Die Verwendung von JP-8 durch Militärflugzeuge auf den zwei im Fall eines Irak-Krieges bedeutsamen US-Air-Basen Ramstein und Spangdahlem (beide in Rheinland-Pfalz gelegen), beschäftigt nun auch die Politik.
Die Grünen im Bundestag wollen mittels einer Anfrage an das Verteidigungsministerium nähere Auskünfte zu den von JP-8 ausgehenden Gefahren für die Anwohner von Militärflughäfen. Und die rheinland-pfälzische Landesregierung kündigte Ende letzter Woche (Anm. am 21.11) an, in dieser Angelegenheit eine Untersuchung in Auftrag zu geben.

Seit die örtliche Presse sich ausführlich des Themas angenommen hat, herrscht in den Orten rings um die beiden US-Lufwaffenstützpunkten große Unruhe. Der Trierische Volksfreund hatte am 18. November in einem Kommentar "Versuchstier Mensch" die Frage gestellt, ob man die Menschen an den Militärflughäfen ausgewählt habe, um an ihnen die Auswirkungen von JP-8 zu testen? Bei Mäusen kenne man ja bereits die Ergebnisse: Krebs, geschädigte Organe und Fehlgeburten.

"Der Apfelbaum als Symbol des Lebens", so das Trierer Bündnis gegen Krieg, steht in Binsfeld (einer an Spangdahlem angrenzenden Gemeinde), auf einem Grundstück, das im kommenden Jahr dem Ausbau der Air-Base weichen soll. Dazu Markus Pflüger von der AG Frieden Trier: "Die Air-Base wird, geht es nach dem Willen des US-Militärs, zukünftig zentrale Lagerstätte für Munition und Treibstoff". Und Ramstein drohe zum Personaldrehkreuz "für die Kriege der Zukunft" zu werden. Nach allem was bekannt ist, auch mit Kollateralschäden vor Ort.

25.11.2002


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