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Das Übel an der Wurzel packen

Klimabuch zeigt, dass nicht Technik fehlt, sondern ökonomischer Wille

Von Gerhard Klas *

Der Journalist und Geophysiker Wolfgang Pomrehn befindet sich mit seinem Buch »Heiße Zeiten -- Wie der Klimawandel gestoppt werden kann« in guter Gesellschaft mit den meisten Regierungspolitikern, die sich in Bali auf der Klimaschutzkonferenz der Vereinten Nationen getroffen haben.

Der Paradigmenwechsel ist nicht zu übersehen: Spätestens der Klimawandel hat die Behauptung von der unbegrenzten Belastbarkeit der Natur nachhaltig erschüttert. Die Thesen derjenigen, die die vom Menschen hervorgerufene Klimaerwärmung durch die Emission von Treibhausgasen noch anzweifeln und relativieren wollen, sind wissenschaftlich längst widerlegt.

Freilich ist nicht jeder Vorschlag, wie katastrophale Folgen des Wandels abgewendet werden sollen, brauchbar. Pomrehn glaubt nicht an die Versprechungen der Politiker, die mit marktkonformen Mitteln den Klimawandel aufhalten wollen. »Der Klimawandel ist das größte Versagen des Marktes, den die Welt je gesehen hat«, zitiert der Autor den ehemaligen Weltbank-Ökonomen Nicholas Stern.

Sogenannte Biokraftstoffe und Atomenergie, Lösungen, die auch von Wirtschaftsverbänden postuliert werden, hält Pomrehn nicht für zukunftsfähig. Besonders scharf ins Gericht geht er mit der Ankündigungspolitik der vergangenen und der aktuellen Bundesregierung. Zwar würden Pläne entworfen, die Emissionen zu reduzieren, aber die angewendeten Instrumente erwiesen sich als stumpf, zum Beispiel der Handel mit Emissionszertifikaten der Großindustrie. Die habe zwar mit diesem Handel gute Profite gemacht, aber keine Tonne Schadstoffe reduziert. Offizielle Statistiken, die Deutschland bescheinigen, die Treibhausgasemissionen reduziert zu haben, nimmt der Autor fachgerecht auseinander. Grundlage etwa für die Berechnung der Emissionen im Straßenverkehr sei der verkaufte Sprit an den Tankstellen, aber der Tanktourismus in die benachbarten EU-Staaten, wo Benzin und Diesel viel billiger ist, wird nicht eingerechnet. Allein der schwere Frachtverkehr auf Deutschlands Straßen habe deshalb 18 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen als die vom Umweltbundesamt veranschlagten 38 Millionen Tonnen.

Energie- und Verkehrspolitik macht Pomrehn als Hauptverursacher der anthropogenen, also menschengemachten Treibhausgasemissionen aus, untermauert dies kompetent auf naturwissenschaftlicher Basis und mit aktuellem Zahlenmaterial. Dabei gibt es längst alternative und umweltfreundliche Technologien, deren öffentliche Förderung allerdings ein Schattendasein führt. Der Autor setzt auf einen Mix aus Windkraft sowie dezentrale Blockkraftwerke auf Basis von Erd- und Biogas, die mit Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten, d.h. auch die bei der Stromproduktion entstehende Wärme in den Kraftwerken mitnutzen. Statt Privilegien für den Luft- und individuellen Straßenverkehr zu erhalten, schlägt Pomrehn vor, Schienen-, Wasser- und öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Dafür müssten allerdings die heutigen Politiker den Willen und die Courage aufbringen, sich mit den starken Monopolen der Energiekonzerne sowie der Öl-und Automobilindustrie anzulegen. Mit der derzeitigen Bundesregierung sei der notwendige radikale Umbau der Industriegesellschaft, da ist sich Pomrehn sicher, nicht zu machen.

Der Geophysiker macht auch deutlich, dass es bei der menschlichen Beteiligung am Klimawandel weniger um ein technisches, sondern um ein politisches Problem geht.

Wolfgang Pomrehn: Heiße Zeiten -- Wie der Klimawandel gestoppt werden kann. Papy Rossa Verlag, Köln 2007, 236 S., 16,90 EUR.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Dezember 2007


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