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Public-Private-Partnershiip in der UNO?

Kofi Annan mit den Konzernen mehr Glück hat als mit den Staaten?

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet blieb bisher eine Initiative des umtriebigen UN-Generalsekretärs Kofi Annan: Er möchte die Privatwirtschaft mit ins Boot der Weltgemeinschaft holen. Wenn schon die US-Regierung mit ihre3n Zahlungen an die UNO nicht nachkommt, vielleicht kann Coca Cola oder Lockheed Martin einspringen? Wie wäre es mit DaimlerChrysler oder mit den diversen Öl-Konzernen? Eine verlockende Perspektive für das globalisierte Kapital, wenn es für sein Sponsoring eine Gegenleistung erwarten kann. Welcher Art könnten solche Gegenleistungen sein? Soll die UNO Kriege um Rohstoffe, um Märkte oder um den freien Welthandel führen? Will die UNO künftig gar mit der NATO wetteifern? Fragen über Fragen. - Im folgenden Beitrag werden zwar keine Antworten gegeben, aber es wird doch deutlich, auf welch dünnem Eis Kofi Annan sich mit seiner Idee bewegt.

Neue Partner für alte Projekte

UN-Generalsekretär Annan will die multinationalen Konzerne für seine Ideen zur Reform der Vereinten Nationen gewinnen

Der frühere UN-Generalinspekteur Karl-Theodor Paschke hat einmal gesagt: "Niemand kann erwarten, dass die Uno wie ein modernes Wirtschaftsunternehmen geführt wird". Hierfür seien die Aufsichtsräte - die mehr als 180 Mitgliedstaaten - viel zu unbeweglich. Ergänzen könnte man, dass sich diese Aufsichtsräte auch noch ausgesprochen egoistisch verhalten. Das Wohl des gemeinsamen Unternehmens liegt ihnen eher wenig am Herzen. Viele Reformanstöße von UN-Generalsekretär Kofi Annan sind daher in der Generalversammlung, dem Gremium der Staaten, verpufft. Die am heutigen Dienstag beginnende 55. Generalversammlung wird keine Ausnahme machen. Annan sucht deshalb neue Verbündete für seine Vereinten Nationen, etwa Nichtregierungs-Organisationen (NGOs).

Derzeit arbeitet Annan auch am Schulterschluss mit einem weiteren weltweit operierenden Akteur: der Wirtschaft. Global compact hat er die Initiative genannt. Die Idee: Multinationale Konzerne sollen sich als "Hauptakteure und bisherige Hauptprofiteure der Globalisierung" verpflichten, Menschenrechts-, Umwelt- und Arbeitsstandards einzuhalten und zu fördern. Im Gegenzug dürfen sie mit dem UN-Logo, zwei weißen Olivenzweigen, werben.

Vor gut einem Monat nahm der Global compact Gestalt an. Manager von rund 50 internationalen Konzernen, Gewerkschaftsführer und NGO-Vertreter einigten sich in New York, im Rahmen des Pakts zusammenzuarbeiten. Aus Deutschland beteiligen sich etwa DaimlerChrysler, die Deutsche Bank und die Telekom. Sie müssen sich künftig öffentlich für den Pakt einsetzen, einmal im Jahr ein Beispiel für seine Umsetzung im Internet veröffentlichen und sich für UN-Projekte engagieren. Nicht alle sind von dem neuen Bündnis begeistert. Manche NGOs befürchten einen Ausverkauf der UN. Kritisiert wird vor allem, der Global compact sei ein Pakt ohne Kontrolle. In der Tat heißt es aus New York: "Die Überwachung von Unternehmenspraktiken fällt weder in die Zuständigkeit der Vereinten Nationen, noch sind die UN dazu in der Lage". Die Weltorganisation baut vielmehr darauf, dass die Öffentlichkeit den Konzernen, die am Pakt teilnehmen, auf die Finger schaut. In den nächsten Jahren wollen die UN tausend Unternehmen aus der ganzen Welt in das Projekt einbinden.

Der Berliner UN-Experte und Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen Klaus Hüfner begrüßt den Global compact im Grundsatz. Er fordert aber einen Kodex, der die Zusammenarbeit regelt und verhindert, dass der Pakt zum puren Propagandamittel von Konzernen verkommt. So dürfe eine Firma, die für Umweltverschmutzungen bekannt sei, nicht in anderen Bereichen als Partner der Vereinten Nationen auftreten. "Die UN-Aktivität muss im Einklang mit dem sonstigen Handeln des Unternehmens stehen", fordert er. Und er warnt davor, dass die Multis bei der Finanzierung bestimmter Programme ein Übergewicht im Vergleich zu den Staaten bekommen könnten. "Dann wird es gefährlich", sagt Hüfner. "Denn wer am meisten zahlt, der will auch bestimmen."
Stefan Ulrich
Aus: Süddeutsche Zeitung, 05.09.2000

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