John Bolton tritt auf die Bremse
USA drohen Widerstand gegen geplanten Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an
Von Olaf Standke*
Die USA haben jetzt Widerstand gegen den geplanten Menschenrechtsrat der
Vereinten Nationen angedroht, sollte der vorgelegte Resolutionsentwurf
für das neue Gremium nicht grundlegend überarbeitet werden.
Mit John Bolton ist nicht gut Kirschen essen. Der Washingtoner
UN-Botschafter, der zuletzt dem Weltsicherheitsrat präsidierte, rügte
seine Kollegen im wichtigsten Entscheidungsgremium der Vereinten
Nationen schon am ersten Tag seines Vorsitzes im Stile eines
Oberlehrers, weil sie ihm zu unpünktlich waren. Wenn Bolton um 10 Uhr
die Glocke zum Beginn der Beratungen schlägt, dann haben die Diplomaten
gefälligst auf ihren Plätzen zu sitzen. Über Zuspätkommer führte der
erzkonservative Republikaner Buch, denn: »Ich glaube an Disziplin.«
Bolton glaubt aber auch an die gottgegebene Führungsrolle der USA in den
internationalen Beziehungen und hält die UNO prinzipiell für einen
Augiasstall, den es auszumisten gilt. Die Menschenrechtskommission der
Vereinten Nationen etwa will die Supermacht schon seit langem weg haben,
doch nun stellt sie sich gegen den als Ersatz geplanten
Menschenrechtsrat.
Bei einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung wolle man dem Projekt in
seiner jetzigen Gestalt die Stimme verweigern, so Bolton vor
Journalisten. Das vorliegende Konzept des Präsidenten der
UN-Vollversammlung, Jan Eliasson, der auf dem Reform-Gipfel im September
2005 mit der Ausarbeitung eines Resolutionsentwurfs beauftragt worden
war, nannte er am Dienstag »enttäuschend« und einen »Fehlschlag«.
Washington fordert neue Verhandlungen, sei der neue Rat gemäß diesem
Entwurf doch »nur um Nuancen besser« als die seit 1948 arbeitende und
zuletzt viel geschmähte Menschenrechtskommission mit ihren 53
Mitgliedstaaten. Dort habe man den Bock zum Gärtner gemacht, monierten
Kritiker immer wieder, säßen doch auch Staaten über andere zu Gericht,
die wegen Menschenrechtsvergehen selbst am Pranger stehen. Die USA
zählten sich natürlich nicht zu dieser Gruppe. Zudem brauchte das
Gremium mit Sitz in Genf oft sehr lange, um Menschenrechtsverletzungen
zu verurteilen.
Der Entwurf des schwedischen Diplomaten Eliasson sieht künftig einen Rat
mit 47 der 191 UN-Mitgliedstaaten vor – wobei für die Regionalgruppen
der Weltorganisation auch weiter eine bestimmte Zahl von Sitzen
reserviert ist (Afrika und Asien je 13, Lateinamerika 8, westliche
Staatengruppe 7, Osteuropa 6), diese Staaten nun aber vom Plenum der
Generalversammlung nach ausgiebiger Prüfung in geheimer Abstimmung und
mit absoluter Mehrheit für drei Jahre gewählt werden müssten.
Ursprünglich sollte es sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit sein.
UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte zudem vorgeschlagen, dass der Rat
permanent tagt, nun soll er drei Mal im Jahr mindestens zehn Wochen lang
zusammenkommen, um schwer wiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte
in aller Welt nachzugehen. Werden sie bei einem Ratsmitglied
festgestellt, kann dieses mit Zwei-Drittel-Mehrheit (mindestens 128
Staaten) von der Vollversammlung suspendiert werden. Die USA, die nur
ein 30-Staaten-Forum wollen, verlangen dagegen, dass den fünf
Vetomächten im Weltsicherheitsrat – USA, Großbritannien, Frankreich,
Russland und China – auch im Menschenrechtsrat ein permanenter Sitz
zugebilligt wird. Botschafter Bolton war auch mit dem Versuch
gescheitert, Staaten wie Kuba, Libyen, Simbabwe oder Sudan – für
Washington »gewohnheitsmäßige Menschenrechtsverletzer« – automatisch als
Ratsmitglieder auszuschließen.
Kofi Annan hat die USA-Regierung jetzt aufgerufen, dem vorliegenden
Konzept zuzustimmen. Es sei das »beste, das wir unter diesen Umständen
erreichen konnten«. Amnesty International und Human Rights Watch
appellierten an die UN-Vollversammlung, den Resolutionsentwurf trotz
aller Schwächen im Detail unverzüglich zu verabschieden, damit der neue
Rat seine Arbeit schnellstmöglich aufnehmen kann. Sie fürchten, dass
Nachverhandlungen die Resolution nur weiter aushöhlen. Auch zwölf
Friedensnobelpreisträger haben sich in einem offenen Brief hinter
Eliasson gestellt, darunter der früheren USA-Präsident Jimmy Carter. Die
25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union dagegen konnten sich noch
nicht auf eine gemeinsame Position festlegen.
* Aus: Neues Deutschland, 2. März 2006
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