UN-Reform wieder auf der Agenda
Streit um Weltsicherheitsrat im Zentrum
Von Hans Voß *
Die jüngsten Gesten Barack Obamas - sein Auftreten vor der UNO, seine Präsenz im Sicherheitsrat,
sein Eintreten für wichtige Belange der Weltorganisation - haben die Aufmerksamkeit für die
Vereinten Nationen beträchtlich erhöht. Das Thema der Reform der UNO kehrte auf die
internationale Agenda zurück.
Jahrelang konnte man an der Zukunft der UNO zweifeln. Das war vor allem darauf zurückzuführen,
dass die Bush-Administration nichts unversucht ließ, um die Vereinten Nationen zu diskreditieren
und sie ihrer Bedeutung zu berauben. Daran konnten auch die Bemühungen des langjährigen
Generalsekretärs Kofi Annans und zahlreicher Regierungen nichts ändern, die UNO zu reformieren
und auf diese Weise ihr internationales Ansehen zu erhöhen. Unter dem Eindruck der
völkerrechtswidrigen Aggression der USA und einiger Willigen gegen Irak hatte Kofi Annan 2004 ein
sogenanntes Panel eingesetzt, das dafür umfassende Vorschläge erarbeiten sollte.
Dabei ging es nicht nur darum, die Vereinten Nationen in ihrem Auftrag zu bestärken, den
internationalen Frieden zu sichern. Zugleich sollten auch Vorschläge vorgelegt werden, wie durch
Strukturreformen eine Demokratisierung der Weltorganisation erreicht werden könnte. In ihrer
jetzigen Verfasstheit ist die UNO ein Mechanismus, der der Weltlage von 1945 entspricht und die
inzwischen eingetretenen Veränderungen kaum berücksichtigt. Das Panel legte einige Monate
später einen umfangreichen Vorschlagskatalog vor. Kofi Annan fügte ihm ein eigenes Papier bei,
das die gleichen Richtungen aufzeigte.
Erfreulich war, dass vor allem in der Generalversammlung eine intensive Diskussion in Gang kam.
Sie fokussierte sich auf die Reform des UN-Sicherheitsrates. Das war nur zu verständlich, denn der
Sicherheitsrat ist einerseits das einzige Organ, das für alle Staaten verbindliche Beschlüsse fassen
kann. Ihm gehören andererseits aber nur 15 Mitglieder an, darunter die fünf Siegermächte des
Zweiten Weltkrieges - die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich -, die über ein
Dauermandat und ein Vetorecht verfügen, also alle Entscheidungen blockieren können.
Wenn von Demokratisierung der UNO die Rede ist, dann geht es den meisten Staaten der Welt
darum, dieses Privileg abzubauen und eine Mitsprache der großen Mehrheit der Staaten zu
erhalten. Dieses Ziel konnte bisher nicht erreicht werden. Das ist vor allem der
Verweigerungshaltung der USA zuzuschreiben, die sich in ihrer Interventionspolitik nicht
beschränken lassen wollten. Aber auch andere Ständige Mitglieder des Sicherheitsrates zeigten sich
nicht übermäßig begeistert darüber, auf ihre Sonderstellung verzichten zu sollen. Sie verschanzten
sich hinter der Obstruktion eines George W. Bush.
In einigen Bereichen der UNO-Tätigkeit sind in den vergangenen Jahren durchaus Verbesserungen
eingetreten, so wurde die Arbeit der Generalversammlung effizienter gestaltet, ihre Tagesordnung
wurde gestrafft. Nach schwierigem Anlauf wurde eine »Kommission über den Wiederaufbau« ins
Leben gerufen, die Staaten bei der Überwindung der Folgen von Kriegen und Bürgerkriegen helfen
soll. Sie ist inzwischen in mehreren afrikanischen Staaten zum Einsatz gekommen. Nicht gering zu
schätzen ist die Formierung eines neuen Organs zum Schutze der Menschenrechte, eines Rates,
der im Gegensatz zur bisherigen Kommission eine Einrichtung der Generalversammlung ist und von
ihr gewählt wird. Seine Vorgänger wurden von Staatengruppen nominiert und waren keiner Kontrolle
unterworfen.
Doch an der Stellung und der Zusammensetzung des Sicherheitsrates hat sich trotz intensiver
Bemühungen nichts geändert. Nach wie vor gehören ihm nur 15 Staaten an, zu den fünf mit einem
herausgehobenen Vetorecht zählt keiner aus Afrika oder Lateinamerika. Die zehn nichtständigen
Mitglieder werden für zwei Jahre bestimmt und können danach nicht sofort ein weiteres Mal
nominiert werden. In der Debatte über eine Erweiterung des Sicherheitsrates gab es weitgehend
Einigung darüber, dass neun oder zehn Staaten hinzukommen sollten. Doch über deren Status -
insbesondere über die Rechte der zusätzlichen ständigen Mitglieder (fünf) - herrscht Dissens.
Sollten sie ein Vetorecht erhalten? Sollte es ständige Mitglieder ohne Vetorecht geben? Sollte ein
solches Recht nicht überhaupt grundsätzlich aufgegeben werden? Ist es nicht angebracht, den
nichtständigen Mitgliedern künftig die Möglichkeit einzuräumen, nach Ablauf der zwei Jahre sofort
wieder zu kandidieren?
Einzelne Staaten, darunter die Bundesrepublik zusammen mit Brasilien, Indien und Japan, legten
Entschließungsentwürfe vor, in denen sie ihre Anwartschaft begründeten.
Doch zu einer
Abstimmung in der Generalversammlung kam es nicht. Es scheiterte auch der Versuch,
zumindestens eine Grundsatzentscheidung über die angestrebte Erweiterung des Sicherheitsrates
zu erwirken. Es wurde deutlich, dass sich die Blockade im Bemühen um eine Demokratisierung der
UNO erst dann lockern lassen würde, wenn die USA ihre Haltung zur Weltorganisation ändern. Erste
Signale, dass das der Fall sein könnte, hat Barack Obama ausgesendet. Von Gewicht ist zudem,
dass er das Problem der nuklearen Abrüstung auf die Agenda der Vereinten Nationen zurückgeholt
hat. Wird dieser Ansatz fortgeführt, könnte mit der einhergehenden Stärkung der UNO auch die
Chance für eine Reform der Organisation wachsen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Oktober 2009
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