Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

UN-Reform wieder auf der Agenda

Streit um Weltsicherheitsrat im Zentrum

Von Hans Voß *

Die jüngsten Gesten Barack Obamas - sein Auftreten vor der UNO, seine Präsenz im Sicherheitsrat, sein Eintreten für wichtige Belange der Weltorganisation - haben die Aufmerksamkeit für die Vereinten Nationen beträchtlich erhöht. Das Thema der Reform der UNO kehrte auf die internationale Agenda zurück.

Jahrelang konnte man an der Zukunft der UNO zweifeln. Das war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bush-Administration nichts unversucht ließ, um die Vereinten Nationen zu diskreditieren und sie ihrer Bedeutung zu berauben. Daran konnten auch die Bemühungen des langjährigen Generalsekretärs Kofi Annans und zahlreicher Regierungen nichts ändern, die UNO zu reformieren und auf diese Weise ihr internationales Ansehen zu erhöhen. Unter dem Eindruck der völkerrechtswidrigen Aggression der USA und einiger Willigen gegen Irak hatte Kofi Annan 2004 ein sogenanntes Panel eingesetzt, das dafür umfassende Vorschläge erarbeiten sollte.

Dabei ging es nicht nur darum, die Vereinten Nationen in ihrem Auftrag zu bestärken, den internationalen Frieden zu sichern. Zugleich sollten auch Vorschläge vorgelegt werden, wie durch Strukturreformen eine Demokratisierung der Weltorganisation erreicht werden könnte. In ihrer jetzigen Verfasstheit ist die UNO ein Mechanismus, der der Weltlage von 1945 entspricht und die inzwischen eingetretenen Veränderungen kaum berücksichtigt. Das Panel legte einige Monate später einen umfangreichen Vorschlagskatalog vor. Kofi Annan fügte ihm ein eigenes Papier bei, das die gleichen Richtungen aufzeigte.

Erfreulich war, dass vor allem in der Generalversammlung eine intensive Diskussion in Gang kam. Sie fokussierte sich auf die Reform des UN-Sicherheitsrates. Das war nur zu verständlich, denn der Sicherheitsrat ist einerseits das einzige Organ, das für alle Staaten verbindliche Beschlüsse fassen kann. Ihm gehören andererseits aber nur 15 Mitglieder an, darunter die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges - die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich -, die über ein Dauermandat und ein Vetorecht verfügen, also alle Entscheidungen blockieren können.

Wenn von Demokratisierung der UNO die Rede ist, dann geht es den meisten Staaten der Welt darum, dieses Privileg abzubauen und eine Mitsprache der großen Mehrheit der Staaten zu erhalten. Dieses Ziel konnte bisher nicht erreicht werden. Das ist vor allem der Verweigerungshaltung der USA zuzuschreiben, die sich in ihrer Interventionspolitik nicht beschränken lassen wollten. Aber auch andere Ständige Mitglieder des Sicherheitsrates zeigten sich nicht übermäßig begeistert darüber, auf ihre Sonderstellung verzichten zu sollen. Sie verschanzten sich hinter der Obstruktion eines George W. Bush.

In einigen Bereichen der UNO-Tätigkeit sind in den vergangenen Jahren durchaus Verbesserungen eingetreten, so wurde die Arbeit der Generalversammlung effizienter gestaltet, ihre Tagesordnung wurde gestrafft. Nach schwierigem Anlauf wurde eine »Kommission über den Wiederaufbau« ins Leben gerufen, die Staaten bei der Überwindung der Folgen von Kriegen und Bürgerkriegen helfen soll. Sie ist inzwischen in mehreren afrikanischen Staaten zum Einsatz gekommen. Nicht gering zu schätzen ist die Formierung eines neuen Organs zum Schutze der Menschenrechte, eines Rates, der im Gegensatz zur bisherigen Kommission eine Einrichtung der Generalversammlung ist und von ihr gewählt wird. Seine Vorgänger wurden von Staatengruppen nominiert und waren keiner Kontrolle unterworfen.

Doch an der Stellung und der Zusammensetzung des Sicherheitsrates hat sich trotz intensiver Bemühungen nichts geändert. Nach wie vor gehören ihm nur 15 Staaten an, zu den fünf mit einem herausgehobenen Vetorecht zählt keiner aus Afrika oder Lateinamerika. Die zehn nichtständigen Mitglieder werden für zwei Jahre bestimmt und können danach nicht sofort ein weiteres Mal nominiert werden. In der Debatte über eine Erweiterung des Sicherheitsrates gab es weitgehend Einigung darüber, dass neun oder zehn Staaten hinzukommen sollten. Doch über deren Status - insbesondere über die Rechte der zusätzlichen ständigen Mitglieder (fünf) - herrscht Dissens. Sollten sie ein Vetorecht erhalten? Sollte es ständige Mitglieder ohne Vetorecht geben? Sollte ein solches Recht nicht überhaupt grundsätzlich aufgegeben werden? Ist es nicht angebracht, den nichtständigen Mitgliedern künftig die Möglichkeit einzuräumen, nach Ablauf der zwei Jahre sofort wieder zu kandidieren?

Einzelne Staaten, darunter die Bundesrepublik zusammen mit Brasilien, Indien und Japan, legten Entschließungsentwürfe vor, in denen sie ihre Anwartschaft begründeten. Doch zu einer Abstimmung in der Generalversammlung kam es nicht. Es scheiterte auch der Versuch, zumindestens eine Grundsatzentscheidung über die angestrebte Erweiterung des Sicherheitsrates zu erwirken. Es wurde deutlich, dass sich die Blockade im Bemühen um eine Demokratisierung der UNO erst dann lockern lassen würde, wenn die USA ihre Haltung zur Weltorganisation ändern. Erste Signale, dass das der Fall sein könnte, hat Barack Obama ausgesendet. Von Gewicht ist zudem, dass er das Problem der nuklearen Abrüstung auf die Agenda der Vereinten Nationen zurückgeholt hat. Wird dieser Ansatz fortgeführt, könnte mit der einhergehenden Stärkung der UNO auch die Chance für eine Reform der Organisation wachsen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Oktober 2009


Zurück zur Seite "UN-Reform"

Zur UNO-Seite

Zurück zur Homepage