Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Export von Terroristen

WikiLeaks veröffentlicht neues CIA-Geheimpapier. Beleg für den Einsatz von US-Bürgern bei Kämpfen oder bei der Organisation von Anschlägen im Ausland

Von Knut Mellenthin *

Die USA »exportieren« Terroristen. Diese Tatsache könnte zu erheblichen außenpolitischen Schwierigkeiten führen. Das ist die Schlußfolgerung eines CIA-Memorandums, das seit Mittwoch auf den Internetseiten von WikiLeaks (www.wikileaks.org/) zu finden ist. Die WikiLeaks-Betreiber zeigen damit, daß sie trotz Einschüchterungen und einer Schmutzkampagne weiter aktiv sind.

Das knapp drei Seiten lange Papier trägt das Datum 5. Februar 2010 und den Geheimhaltungsvermerk »SECRET/NOFORN«. Letzteres bedeutet, daß das Dokument keinen Ausländern zugänglich gemacht werden darf. Eingeschränkte Ausnahmen gelten angeblich für Briten und Australier. Als Verfasser des Memorandums zeichnet die Arbeitsgruppe »Red Cell«. Sie wurde nach dem 11. September 2001 vom damaligen CIA-Chef George J. Tenet eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, jenseits der Strukturen und Hierarchien des Auslandsgeheimdienstes »unkonventionelle« Analysen vorzulegen und Denkanstöße zu geben.

Unter Hinweis auf diesen Charakter der Arbeitsgruppe sind CIA-Sprecher bemüht, die Bedeutung des jetzt veröffentlichten Papiers herunterzuspielen. Tatsächlich handelt es sich um völlig unverbindliche Überlegungen einer Abteilung, deren Status in US-Medien jetzt mit dem Begriff »think tank« gekennzeichnet wird. Der kurzen Denkschrift sind, trotz des Secret-Vermerks, keine noch so unwichtigen Geheimnisse zu entnehmen. Ihre Brisanz besteht jedoch darin, daß sie gewichtige reale Probleme anspricht, die normalerweise zwischen den USA und ihren Verbündeten nicht öffentlich diskutiert werden.

Im ersten Abschnitt des Papiers wird anhand weniger Beispiele dargelegt, wie US-Bürger von »Terrororganisationen« rekrutiert werden, um im Ausland zu kämpfen oder dort Anschläge zu begehen. Dabei handele es sich keineswegs ausschließlich um Moslems. Erwähnt wird als Beispiel die Terrortätigkeit einiger US-amerikanischer jüdischer Rechtsextremisten. Namentlich genannt wird Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron 29 Palästinenser tötete und 150 verletzte. Angesprochen wird im Memorandum auch, daß irischstämmige US-Amerikaner viele Jahre lang die IRA und die Provisional IRA finanzierten und unterstützten. Es habe wiederholter hochrangiger britischer Aufforderungen bedurft, bis die US-Regierung dagegen vorging.

Im zweiten Abschnitt wird behauptet, daß »die amerikanischen Freiheiten« Terroristen das Rekrutieren und Operieren in den USA erleichtern. Das wird allerdings weder an konkreten Beispielen gezeigt, noch werden Handlungsoptionen – wie etwa Beschränkungen der »Freiheiten« – empfohlen. Nachvollziehbar ist nur der Hinweis, daß Staatsangehörige der USA in vielen Ländern vergleichsweise sicher davor sind, als »Terroristen« verdächtigt und überprüft zu werden.

Der dritte Teil des Papiers beschäftigt sich mit negativen Auswirkungen auf die außenpolitischen Beziehungen, die eintreten könnten, wenn die Vereinigten Staaten im Ausland als »Terrorismus-Exporteur« wahrgenommen würden. Kurz gesagt, geht es darum, daß die USA es dann schwieriger haben könnten, ihre privilegierte Sonderstellung gegenüber ihren Verbündeten und anderen von ihnen abhängigen Staaten zu behaupten. Ausländische Regierungen könnten dann zum Beispiel die Auslieferung US-amerikanischer »Terroristen« fordern oder die Mitwirkung an »außergerichtlichen Aktivitäten« der USA (Geheimgefängnisse, Entführungen, Folter u.a.) verweigern. Letztlich droht die Gefahr, daß andere Staaten von den USA in diesen Dingen Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit fordern. Das aber würde, warnt die Rote Zelle der CIA, »die Souveränität der USA gefährden«. Der Umkehrschluß liegt auf der Hand: Die jetzigen einseitigen Verhältnisse beeinträchtigen die Souveränität zahlreicher Staaten.

* Aus: junge Welt, 27. August 2010


Auf der CIA-Gehaltsliste

Afghanische Geldwäscher und Drogenbosse vom US-Geheimdienst bezahlt?

Von Knut Mellenthin **


Ein enger Mitarbeiter des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, der im Mittelpunkt eines Korruptionsskandals steht, bezieht seit Jahren ein zusätzliches Einkommen vom US-Auslandsgeheimdienst CIA. Das meldete die New York Times in einem ausführlichen Report am späten Mittwoch abend (Ortszeit). Nach Angaben der Zeitung ist nicht bekannt, welche Gegenleistungen Mohammed Zia Salehi, Verwaltungschef des Nationalen Sicherheitsrats, für sein CIA-Honorar zu erbringen hat. Unter den weiteren prominenten Afghanen, die auf der Gehaltsliste des US-Geheimdienstes stehen, ist angeblich auch ein Bruder des Präsidenten, Ahmed Wali Karsai, der gleichzeitig eine maßgebliche Rolle im Opium- und Heroinhandel spielen soll.

Dem Bericht der New York Times zufolge wurde Salehi Ende Juli verhaftet. Es dauerte nur sieben Stunden, bis er auf Befehl von Präsident Karsai wieder auf freiem Fuß war. Wie weit dabei auch seine Verbindungen zur CIA eine Rolle spielten, ist unbekannt. Der Leiter der für die Verhaftung zuständigen Untersuchungsabteilung wurde zu Karsai zitiert, »um seine Aktion zu erklären«.

Salehi hat sich zum eigenen Vorteil durch alle Phasen des Bürgerkriegs geschlagen. Unter anderem war er persönlicher Übersetzer des usbekischen Warlords Abdul Raschid Dostum, einem führenden »Verbündeten« der CIA und der US-Streitkräfte bei der schnellen Besetzung Afghanistans im Herbst 2001. Salehi wird jetzt laut New York Times verdächtigt, mit dem Geldwäsche- und Kapitalflucht-Unternehmen New Ansari zusammenzuarbeiten. Diese Firma transferiert im Auftrag von Politikern und Drogenbossen riesige Beträge ins Ausland. Die Summe soll sich im Jahr auf 2,5 Milliarden Dollar, rund ein Viertel des Bruttosozialprodukts, belaufen. Salehi soll »Geschenke« angenommen haben, um dafür die Ermittlungen gegen New Ansari zu behindern.

Die Kabuler Regierung und die CIA lehnten auf Anfragen der New York Times jeden Kommentar ab. Der demokratische US-Senator John F. Kerry hatte in der vergangenen Woche Kabul besucht und anschließend erklärt, ohne die CIA direkt zu nennen, er sei wegen der Verbindungen Salehis zur US-Regierung besorgt. Diese Beziehungen müßten untersucht werden.

** Aus: junge Welt, 27. August 2010


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