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Terrorismus, "Krieg gegen den Terror", Botschaften des Schreckens / Terrorism, "the War on Terror" and the Message of Carnage

Von Norman Solomon / By Norman Solomon

ZNet Kommentar 09.07.2005*

Die französische Regierung schlug eine diplomatische Initiative vor, die die Kriegspläne des Weißen Hauses eventuell hätte aufhalten können. Der US-Präsident reagierte mit der Bemerkung, das vorgeschlagene Szenario käme einer "Ratifizierung des Terrors" gleich. Die Rede ist vom 24. Juli 1964, es ging um den Vietnamkrieg, und der Präsident war Lyndon B. Johnson.

Vier Jahrzehnte später ist das 'Antiterror'-Argument nicht mehr nur eines von vielen, wenn es darum geht, die amerikanische Kriegsmaschinerie in Gang zu setzen. Nein, der Kampf gegen den "Terror" ist mittlerweile zur zentralen Kriegsbegründung geworden.

"Der Kontrast könnte nicht klarer sein - zwischen den Intentionen und Herzen jener, denen Menschenrechte und menschliche Freiheit zutiefst wichtig sind und jenen, die töten, jenen, die soviel Böses in ihrem Herzen tragen, dass sie unschuldigen Leuten das Leben nehmen", so Präsident Bush am letzten Donnerstag, nach den Bombenannschlägen von London: "Der Krieg gegen den Terror geht weiter".

Es ist eine Grundvoraussetzung in diesem selbstgerechten Krieg, dass unbequeme Geschichte samt und sonders als irrelevant abgetan wird. "Indem wir das einfache Klischee akzeptieren, dass der derzeitige Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf gegen das Böse sei, indem wir die, die gegen uns kämpfen, einfach als Barbaren brandmarken, lehnen wir es ebenso wie diese ab, unsere Schuld anzuerkennen", so der Journalist Chris Hedges. "Wir ignorieren wirkliche Ungerechtigkeiten, die viele von denen, die sich gegen uns verbündet haben, in ihre Wut und Verzweiflung gestürzt haben".

Kurz nach dem 11. September kritisierte die Autorin Joan Didion "den ermüdenden Enthusiasmus, mit dem all jene verurteilt wurden, die sagten, es wäre vielleicht sinnvoll, ein Mindestmaß an historischem Bezug zu diesem Ereignis herzustellen". Fast alle Politiker und Pundits waren sich sehr schnell einig gewesen, alle Stimmen der Vernunft zu verurteilen, die uns versicherten, "ein Ereignis hat immer eine Geschichte, das politische Leben Konsequenzen - und die Leute, die dieses Land führten bzw. die Leute, die darüber schrieben und sprachen, wie dieses Land geführt wird, haben sich der Infantilisierung der Bürger schuldig gemacht, sofern sie etwas anderes behaupteten".

Die Stimme der Vernunft wurde selbst dann ignoriert, wenn sie aus dem US-Militärestablishment kam. Ende November 2002 sagte der pensionierte Armeegeneral William Odom auf C-SPAN zu den Zuschauern: "Der Terrorismus ist kein Feind. Er kann nicht besiegt werden. Er ist eine Taktik. Wäre in etwa so sinnvoll zu sagen, wir erklären dem Nachtangriff den Krieg - und dabei zu glauben, wir könnten den Krieg gewinnen. Wir werden den Krieg gegen den Terrorismus nicht gewinnen. Er peitscht die Angst hoch. Terrorakte haben noch nie eine liberale Demokratie zu Fall gebracht, Parlamentsgesetze hingegen schon einige".

Zwei Jahre nach dem 11. September stellte Norman Mailer folgende Frage: "Was nützt es uns, wenn wir extreme Sicherheit gewinnen und dabei unsere Demokratie verlieren? Es war ja nicht so, dass Saddam Hussein im Irak jedem die Hände und/oder Ohren abschnitt. Im Mittel dieser Gesellschaft gab es jede Menge Iraker, die die Sicherheit hatten, die sie brauchten - wenngleich es für sie keine Freiheit gab, außer der von Diktatoren in reichem Maße gewährten Freiheit, sie mit übertriebenem Hosianna zu preisen. Ja, es gibt wichtigere Dinge als Sicherheit, und eines dieser Dinge ist der Schutz der massiv belagerten Integrität unserer Demokratie. Die letztendliche Frage zu diesem Thema versteht sich von selbst: Sind Führer, für die Lügen der 'way of life' ist, in der Lage, irgendeinen anderen 'way of life' zu schützen?"

Jener US-Präsident, der mit Lügen eine Irakinvasion erreicht hat, missbraucht nun die Gräuel, die sich am Donnerstag in London ereigneten, um eine US-Politik zu verteidigen, die dem Irak tagtäglich neue Gräuel beschert. Bush lässt die Kriegsanstrengungen des Pentagon weiterlaufen, um so "den Terroristen" eine neue Botschaft zu senden.

Kommunikation durch Töten - ein bekanntes Konzept. Eine angeblich gerechte Botschaft mittels Kugeln und Bomben zu überbringen, ist durchaus nichts Neues.

In seinem Buch 'War Is a Force That Gives Us Meaning' beschreibt der ehemalige Kriegskorrespondent Chris Hedges diesen Vorgang, den er aus nächster Nähe beobachten konnte: "In Kriegszeiten sind Leichen häufig Überbringer von Botschaften. In El Salvador luden die Todesschwadronen eines morgens drei Leichname auf dem Parkplatz des Camino Real Hotels in San Salvador ab. In diesem Hotel hatten die Journalisten ihre Basis. In den Mündern der Toten befanden sich Todesdrohungen an uns." Hedges weiter: "Auch Washington setzt Morde und Leichen ein, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen - in größerem Maßstab allerdings. Wir waren die Überbringer dieser Hetzbotschaften - in Vietnam, Irak, Serbien und Afghanistan. Osama bin Laden hat die Sprache der modernen, industriellen Kriegsführung gelernt".

Hedges: "Im Sommer 1965 war Robert McNamara US-Verteidigungsminister. Er war zuständig für die Bombardierungen, denen schließlich Hunderttausende Zivilisten nördlich von Saigon zum Opfer fielen - eine Botschaft an das kommunistische Regime in Hanoi."

Vierzig Jahre später ist das Versenden tödlicher Botschaften für die USA und ihre militärischen Verbündeten zur Routine geworden - mit dem "Krieg gegen den Terror", der zum Kern der Kriegspropaganda wurde. Wen wundert es, wenn die Post zurück an den Absender geht?

* Zu diesem Artikel siehe Norman Solomons neues Buch: 'War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death'. Kostproben unter www.WarMadeEasy.com

Übersetzt von: Andrea Noll

Orginalartikel: "Terrorism, "the War on Terror" and the Message of Carnage" http://www.zmag.org/sustainers/content/2005-07/09solomon.cfm



July 09, 2005

Terrorism, "the War on Terror" and the Message of Carnage

By Norman Solomon

When the French government suggested a diplomatic initiative that might interfere with the White House agenda for war, the president responded by saying that the proposed scenario would "ratify terror". The date was July 24, 1964, the president was Lyndon Johnson and the war was in Vietnam.

Four decades later, the anti-terror rationale is not just another argument for revving up the U.S. war machinery. Fighting "terror" is now the central rationale for war.

"The contrast couldn't be clearer between the intentions and the hearts of those who care deeply about human rights and human liberty, and those who kill, those who"ve got such evil in their hearts that they will take the lives of innocent folks," President Bush said Thursday after the London bombings. "The war on terror goes on."

A key requirement of this righteous war is that all inconvenient history must be deemed irrelevant. "By accepting the facile cliche that the battle under way against terrorism is a battle against evil, by easily branding those who fight us as the barbarians, we, like them, refuse to acknowledge our own culpability," journalist Chris Hedges has observed. "We ignore real injustices that have led many of those arrayed against us to their rage and despair."

In the aftermath of 9/11, writer Joan Didion critiqued "the wearying enthusiasm for excoriating anyone who suggested that it could be useful to bring at least a minimal degree of historical reference to bear on the event." Overwhelmingly, politicians and pundits were quick to get in a groove of condemning any sensible assertions "that events have histories, political life has consequences, and the people who led this country and the people who wrote and spoke about the way this country was led were guilty of trying to infantilize its citizens if they continued to pretend otherwise."

Voices of reason, even when they"ve come from within the country"s military establishment, have been shunted aside. In late November 2002, a retired U.S. Army general, William Odom, told C-SPAN viewers: "Terrorism is not an enemy. It cannot be defeated. It's a tactic. It's about as sensible to say we declare war on night attacks and expect we're going to win that war. We're not going to win the war on terrorism. And it does whip up fear. Acts of terror have never brought down liberal democracies. Acts of parliament have closed a few."

Two years after 9/11, Norman Mailer asked: "What does it profit us if we gain extreme security and lose our democracy" Not everyone in Iraq, after all, was getting their hands and/or their ears cut off by Saddam Hussein. In the middle of that society were hordes of Iraqis who had all the security they needed even if there was no freedom other than the full-fledged liberty offered by dictators to be free to speak with hyperbolic hosannas for the leader. So, yes, there are more important things to safeguard than security and one of them is to protect the much-beleaguered integrity of our democracy. The final question in these matters suggests itself. Can leaders who lie as a way of life protect any way of life""

The president who lied his way into an invasion of Iraq is now exploiting Thursday's atrocities in London to justify U.S. policies that are bringing daily atrocities to Iraq. Bush is intent on sending a message to "the terrorists" by continuing the Pentagon's war effort.

The idea of communicating by killing is very familiar. There's nothing new about claiming to send a righteous message with bullets and bombs.

In his book "War Is a Force That Gives Us Meaning," former war correspondent Chris Hedges writes that he saw such transmissions up close: "Corpses in wartime often deliver messages. The death squads in El Salvador dumped three bodies in the parking lot of the Camino Real Hotel in San Salvador, where the journalists were based, early one morning. Death threats against us were stuffed in the mouths of the bodies." Hedges adds: "And, on a larger scale, Washington uses murder and corpses to transmit its wrath. We delivered such incendiary messages in Vietnam, Iraq, Serbia, and Afghanistan. Osama bin Laden has learned to speak the language of modern industrial warfare."

And Hedges notes: "It was Robert McNamara, the American Secretary of Defense in the summer of 1965, who defined the bombing raids that would eventually leave hundreds of thousands of civilians north of Saigon dead as a means of communication to the Communist regime in Hanoi."

Forty years later, with a "war on terrorism" serving as the central theme of pro-war propaganda, the United States and its military allies are routinely sending lethal messages. It should not surprise us when such messages are returned to sender.

This article is adapted from Norman Solomon's new book "War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death." Book excerpts are posted at: www.WarMadeEasy.com


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