Krieg gegen den Terror endet nicht in Afghanistan
Rede des US-Verteidigungsministers Donald H. Rumsfeld vor dem Streitkräfteausschuss des Senats
Nachfolgend veröffentlichen wir die Rede von Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld vor dem Streitkräfteausschuss des
Senats vom 31. Juli 2002 in der deutschen Version, die von der US-Botschaft in Berlin verschickt wurde. Interessant ist, dass sich Rumsfeld bei der Schilderung der Situation in Afghanistan vor dem Krieg auf die Berichte von amnesty international und Human Rights Watch beruft. Wenn er nur nicht so selektiv lesen würde! Dieselben NGOs kritisieren nämlich immer wieder auch die Menschenrechtsverstöße und Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht durch die USA, etwa im Blick auf die Behandlung der Gefangenen in Guantánamo oder im Hinblick auf die fahrlässige Tötung von Zivilpersonen im Jugoslawienkrieg und im Afghanistankrieg.Wir haben die Rede um ein paar Absätze am Anfang gekürzt; die Zwischenüberschriften sind von uns.
...
Wir befinden uns ungefähr seit neun Monaten im Krieg und sind dabei dem
Anfang immer noch näher als dem Ende. Obwohl noch viele schwierige Aufgaben
vor uns liegen, sollten wir einen Augenblick innehalten und eine
Bestandsaufnahme machen, wie viel die Streitkräfte der Vereinigten Staaten
und ihrer Koalitionspartner bereits bei der Bekämpfung des Terrorismus
erreicht haben.
Afghanistan: Vom Pariastaat ...
Vor einem Jahr war Afghanistan noch ein Pariastaat. Das Talibanregime war an
der Macht und unterdrückte das afghanische Volk auf brutale Weise. Das Land
war ein Zufluchtsort für tausende ausländischer Terroristen, die freie Hand
hatten, weltweit Anschläge auf unschuldige Zivilisten zu planen, zu
organisieren und dafür zu trainieren. Es herrschte ein harsches, repressives
Regime. Wirtschaft und Bankwesen standen kurz vor dem Zusammenbruch, und das
Land war finanziell abhängig von Terroristennetzwerken und
islamistisch-extremistischen Elementen in Übersee. Es drohte eine humanitäre
Krise beträchtlichen Ausmaßes. Humanitäre Hilfe wurde nicht mehr geleistet,
allerorten herrschten Hungersnöte und hunderttausende Flüchtlinge verließen
das Land.
Man betrachte nur einige der Menschenrechtsberichte, die die Zustände in
Afghanistan vor dem Eintreffen der Koalitionsstreitkräfte beschreiben.
Aus dem Menschenrechtsbericht des Außenministeriums vom Februar 2001 geht
hervor, dass "die Taliban Menschen vielfach und systematisch schwer
misshandelten. Die Bürger konnten weder ihre Regierung abwählen noch ihre
führenden Politiker auf friedliche Art und Weise wählen. Die Taliban
praktizierten Schnelljustiz ... und ... waren verantwortlich für politisch
motivierte und andere außergerichtliche Tötungen, einschließlich gezielter
Morde, Massenexekutionen und Todesfällen in der Untersuchungshaft ... Frauen
und Mädchen wurden vergewaltigt, entführt oder zur Ehe gezwungen."
Der Menschenrechtsbericht 2001 von Amnesty International gibt an, dass
Afghanen unter umfassenden "Menschenrechtsverletzungen wie beispielsweise
willkürlichen Verhaftungen und Folter leiden" ... Die Taliban unterwarfen
persönliche Verhaltensweisen strengen Restriktionen, um ihre besondere
Interpretation des islamischen Rechts durchzusetzen ... In den von den
Taliban beherrschten Gebieten wurden laut Berichten ... Frauen von Wachen
entführt und gegen ihren Willen Talibanführern als "Ehefrauen" zugeführt."
Der Bericht von Human Rights Watch für 2001 beschreibt eine Situation, in
der "Zivilisten rücksichtslos und systematisch kollektiv bestraft wurden.
Massenexekutionen, die vorsätzliche Zerstörung von Häusern und
Beschlagnahmung von Ländereien waren wiederkehrende Praxis während dieser
Feldzüge." Frauen wurden "systematisch diskriminiert ... Nichtbeachtung der
Kleiderordnung ... hatte öffentliche Prügel und Auspeitschung durch die
Religionspolizei zur Folge, wobei metallverstärkte Lederschlagstöcke
eingesetzt wurden. Frauen durften außerhalb des Hauses höchstens im
Gesundheitswesen tätig sein, und Mädchen über acht Jahren durften keine
Schule besuchen. Die Regelungen trugen zu einer Analphabetenquote bei Frauen
von über 90 Prozent bei." All dies wurde von dem so genannten Minister für
die Förderung von Tugend und der Vorbeugung von Lastern durchgesetzt.
Human Rights Watch berichtete ebenso über weit verbreitete "Belästigung von
Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen", die in einigen Fällen
auch als Geiseln genommen wurden. Laut einem Bericht des Außenministeriums
vom August 2001 "haben die Taliban acht ausländische Mitarbeiter einer
Nichtregierungsorganisation unter dem Vorwurf der Missionierung verhaftet.
Schätzungsweise 48 afghanische Angestellte der Organisation wurden ebenfalls
verhaftet und ebenso der Abtrünnigkeit beschuldigt ... Berichten zufolge
wurden 59 von den Verhafteten unterrichtete Kinder von den Taliban in eine
Erziehungsanstalt verbracht."
... zum freien Land
Herr Vorsitzender, ein Jahr kann einen enormen Unterschied machen.
Dank des Einsatzes der Koalition und des bemerkenswerten Muts unserer Männer
und Frauen in Uniform sind die Taliban nun entmachtet, die Al Qaida ist auf
der Flucht, Afghanistan nicht mehr länger ein Stützpunkt für globale
Terroraktivitäten oder ein Nährboden für radikalislamischen Kampfgeist.
Prügelstrafen der Religionspolizei und Hinrichtungen in Fußballstadien gibt
es nicht mehr, die humanitäre Krise wurde abgewendet, Mitarbeiter
internationaler Hilfsorganisationen werden nicht länger als Geiseln
festgehalten, Hilfsleistungen kommt wieder an, und das afghanische Volk ist
wieder frei. Afghanistan ist ein freies Land, in dem Mitarbeiter von
Hilfsorganisationen humanitäre Hilfe leisten, Mädchen studieren und Frauen
arbeiten können; ein Land, in dem das Volk seine Führung mit friedlichen
Mitteln wählen kann und in das Flüchtlinge zurückkehren können.
Im Rahmen der vor kurzem einberufenen Loja-Jirga hat das afghanische Volk
sein Recht auf Selbstbestimmung ausgeübt. Mehr als 1.500 Abgeordnete aus
allen 32 Provinzen und ethnischen Volksgruppen kamen unter einem Dach
zusammen, um über die politische Zukunft ihres Landes zu entscheiden. Ein
neuer Präsident wurde gewählt, ein neues Kabinett vereidigt und eine
Übergangsregierung zur Vertretung des afghanischen Volks eingesetzt, die das
Land die nächsten zwei Jahre führen wird, bis eine verfassungsgebende
Loja-Jirga stattfindet.
Die neue afghanische Regierung befindet sich noch im Anfangsstadium und
verfügt noch nicht über die Regierungsinstitutionen, die Bereiche wie innere
Sicherheit, Steuerwesen und ähnliches regeln. Aber es wurde mit der
Entwicklung von Bankwesen, Steuergesetzgebung und einer neuen Währung
begonnen. Ebenso werden die politischen Rahmenbedingungen für Investition
und Handel geschaffen, mit dem Ziel, das Vertrauen ausländischer Investoren
zu gewinnen. Es wird ein Beamtenapparat geschaffen - die Bezüge werden von
den Vereinten Nationen überwacht - und neue Ministerien nehmen ihre Arbeit
auf. Das Rechtswesen wird reformiert, so dass sich die Rechtsstaatlichkeit
etablieren kann. Es entwickelt sich neben der freien Presse zunehmend eine
Zivilgesellschaft mit offenem politischen Diskurs. Wir können von Glück
reden, dass sich die Führung des Landes ernsthaft der Herausforderung der
Selbstverwaltung stellt.
Mit der Selbstverwaltung muss schließlich auch die wirtschaftliche
Unabhängigkeit einhergehen. Eine Autarkie also, die sich im Laufe der Zeit
auch auf den Bereich Sicherheit erstrecken muss. Aus diesem Grund arbeiten
wir zusammen mit der neuen afghanischen Regierung an den Grundlagen
längerfristiger Stabilität und an der Beseitigung der Umstände, die es einem
Terrorregime überhaupt erst erlaubten, Fuß zu fassen. Die Vereinigten
Staaten und andere Länder helfen beim Aufbau einer neuen afghanischen
Nationalarmee, einer Streitkraft, die nicht einer Interessensgruppe dient,
sondern der Verteidigung des ganzen Landes. Wir hoffen, dass Afghanistan so
für seine eigene Sicherheit Verantwortung übernehmen kann, ohne auf
ausländische Streitkräfte angewiesen zu sein. Letzte Woche wurde die
Ausbildung des ersten Bataillons mit mehr als 300 Soldaten abgeschlossen.
Zwei weitere Bataillone mit 600 afghanische Soldaten befinden sich noch in
der Ausbildung. Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2003 insgesamt 18
Bataillone mit über 10.000 Soldaten ausgebildet werden. Wir trainieren auch
die Ausbilder, damit sich der Prozess schließlich selbst tragen kann. Es
haben bereits 38 Staaten Waffen, Ausrüstung, Finanzmittel oder Unterstützung
für dieses Vorhaben zugesagt.
Wir haben außerdem zur Abwendung einer humanitären Katastrophe in
Afghanistan beigetragen. Die Vereinigten Staaten und ihre Koalitionspartner
haben seit Kriegsbeginn mehr als 500.000 Tonnen Lebensmittel geliefert,
genug, um fast sieben Millionen notleidende Afghanen zu versorgen. Dank
dieser Anstrengungen ist die düstere Vorhersage einer Hungersnot im
vergangenen Winter nicht eingetroffen. Heute erhält das afghanische Volk von
den Vereinigten Staaten humanitäre Hilfe im Wert von über 450 Millionen
Dollar.
Das Verteidigungsministerium hat dutzenden humanitärer Projekte in ganz
Afghanistan zehn Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Einheiten für
Zivilangelegenheiten des amerikanischen Militärs haben Brunnen gegraben,
Krankenhäuser gebaut sowie Straßen, Brücken und Bewässerungskanäle
repariert. Wir haben in acht verschiedenen Regionen 49 Schulen wieder
aufgebaut. Dank dieser Anstrengungen können rund 30.000 Jungen und Mädchen -
die Hoffnung und Zukunft Afghanistans - wieder zur Schule gehen. Eine
Einheit für Zivilangelegenheiten hat afghanischen Kindern sogar Baseball
beigebracht. Sie organisierten zwei Teams, die über mehrere Wochen hinweg
mit gespendeter Baseballausrüstung zweimal pro Woche trainiert haben. Am
vergangenen Freitag fand Afghanistans erstes Baseballspiel statt.
Die Leistungen der Koalition aus 90 Ländern
Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, dass die Koalitionspartner einen
bedeutenden Beitrag leisten. Minenräumtrupps aus Norwegen, Großbritannien,
Polen und Jordanien haben geholfen, auf hunderttausenden von Quadratmetern
Landminen zu räumen, obgleich es in diesem Land noch immer eine große Anzahl
Landminen gibt. Jordanien hat in Mazar-i-Scharif ein Krankenhaus gebaut, in
dem bisher mehr als 92.000 Patienten, darunter ihnen 22.000 Kinder,
behandelt wurden. Spanien und [Süd]Korea haben ebenfalls Krankenhäuser
gebaut, und Japan hat 500 Millionen Dollar für den Wiederaufbau Afghanistans
bereitgestellt. Russland hat den Salang-Tunnel geräumt und wiederaufgebaut.
Der Tunnel ist die Hauptverbindung zwischen Kabul und dem Norden des Landes,
über die tausende von Tonnen mit Lebensmitteln, Medikamenten und
Versorgungsgütern transportiert werden.
In Zusammenarbeit mit über 90 Ländern wurden rund 2.400 Personen in der
ganzen Welt festgenommen und befragt, über 500 feindliche Kombattanten
befinden sich zur Zeit in Gewahrsam des Verteidigungsministeriums. Sie
werden befragt und liefern Informationen, die helfen, weitere Gewalttaten
und Blutvergießen zu verhindern.
Beispielsweise wurde mit Hilfe unserer pakistanischen Verbündeten ein hoher
Al-Qaida-Führer, Abu Zubaydah, gefasst, dessen Aussagen wiederum zur
Festnahme von anderen Personen wie Jose Padilla, einem amerikanischen
Al-Qaida-Kämpfer, führten.
Al-Qaida-Truppen haben wertvolle Geheimdienstinformationen hinterlassen, so
zum Beispiel Computerfestplatten, Disketten, Laptops, Videos, Notebooks,
über die wir Einsicht in ihre Fähigkeiten, ihre Vorgehensweise und in
manchen Fällen auch konkrete Anschlagspläne gewinnen konnten. Beispielsweise
haben Videobänder, die in einem konspirativen Haus von Al Qaida in
Afghanistan gefunden wurden, Aufschluss über detaillierte Pläne für
Anschläge auf amerikanische Ziele in Singapur gegeben. In Zusammenarbeit mit
den Behörden in Singapur konnte diese Al-Qaida-Zelle zerschlagen und ihr
geplanter Anschlag vereitelt werden.
Diese Erfolge dürfen nicht dazu führen, dass wir uns selbstzufrieden
zurücklehnen. Auf jeden Plan für einen Terroranschlag, den wir aufdecken,
und auf jede Terrorzelle, die wir zerstören, kommen dutzende andere noch
aktive. Die Al Qaida operiert nicht nur in Afghanistan, sondern in mehr als
60 Ländern, einschließlich den Vereinigten Staaten. Unzweifelhaft, haben die
Anstrengungen der Koalition die Rekrutierung, Planung und das Reisen von
Land zu Land erschwert. Aber sie haben buchstäblich Tausende von Terroristen
ausgebildet, die sich weltweit auf freiem Fuß befinden. Diese
"Schläferzellen" haben zweifellos Pläne für weitere Anschläge. Sie haben
eine Menge Geld zusammengebracht und haben immer noch finanzkräftige Helfer,
die sie mit Geld unterstützen.
Darüber hinaus ist die Al Qaida nicht das einzige globale Terrornetzwerk.
Die Terrornetzwerke unterhalten zunehmend Beziehungen zu terroristischen
Staaten, die ihnen Zuflucht gewähren und sie finanzieren - und ihnen eines
Tages Zugang zu ihren Massenvernichtungswaffen gewähren könnten. Das
bedeutet, dass Afghanistan nur die erste Phase in einem langen, schwierigen
und gefährlichen Krieg gegen den Terrorismus ist.
Al Qaida: In Afghanistan und überall
Unser Ziel in Afghanistan ist die Sicherstellung, dass dieses Land nicht
wieder zum Ausbildungsgelände für Terroristen wird. Diese Arbeit ist
natürlich noch keinesfalls beendet. Die Taliban- und Al-Qaida-Gefolgsleute
sind immer noch auf freiem Fuß. Einige sind in Afghanistan, andere sind über
die Grenze geflüchtet und warten auf eine Gelegenheit zur Rückkehr. Sie
stellen weiterhin eine Bedrohung dar. In den vergangenen Wochen wurden die
Streitkräfte der Koalition in Kandahar und Oruzgan erneut angegriffen, und
die pakistanischen Streitkräfte haben die Al-Qaida-Anhänger in mehrere
Feuergefechte verwickelt - eine Erinnerung an die immer noch existierenden
Gefahren.
Darüber hinaus bestehen immer noch ethnische Spannungen innerhalb
Afghanistans, und Afghanistan ist immer noch in hohem Maße von Auslandshilfe
abhängig - sowohl von Finanzhilfe als auch von humanitären Hilfsleistungen.
Das Land ist landwirtschaftlich nicht autark, in regelmäßigen Abständen
brechen Cholera und Ruhr aus, und aufgrund der schlechten hygienischen
Verhältnisse und der unzureichenden medizinischen Versorgung ist die
Kindersterblichkeit hoch.
Das sind echte Herausforderungen. Aber zwei Dinge sollten klar sein: Zum
einen kann man heute in Afghanistan sehr viel besser leben als vor einem
Jahr. Und zum anderen unternehmen die Vereinigten Staaten und ihre
internationalen Partner die größten Anstrengungen, um der neuen Regierung
Afghanistans im wirtschaftlichen, humanitären, sicherheitspolitischen
Bereich und auf anderen Gebieten behilflich zu sein.
Alle afghanischen Politiker, die nach Washington kommen, bestätigen, dass
das Sicherheitsumfeld im Land stabil ist. Bisher haben die Taliban ihre
häufig vorhergesagte Frühjahrsoffensive noch nicht gestartet. Trotz
zahlreicher Drohungen konnte die Loja-Jirga ihre Zusammenkünfte ohne
ernsthafte Sicherheitsvorfälle abhalten. Die Konflikte zwischen den
regionalen Kommandeuren wurden entschärft - häufig durch den von unseren
Mitarbeitern ausgeübten diskreten amerikanischen Einfluss. Obwohl die
Sicherheitslage noch nicht ideal ist, hat sie sich seit unserer Ankunft vor
neun Monaten erheblich verbessert, als die Taliban 90 Prozent des Landes
kontrollierten und unterdrückten.
Die beste Messlatte für Fortschritte ist der Flüchtlingsstrom. Vor Beginn
des Krieges waren tausende und abertausende von Flüchtlingen und intern
vertriebenen Menschen aus ihrer Heimat geflüchtet, um der Unterdrückung
durch die Taliban zu entfliehen. Seit Januar sind hunderttausende
afghanischer Flüchtlinge und intern vertriebener Menschen in ihre Heimat
zurückgekehrt. Das afghanische Volk stimmt mit den Füßen ab. Die Menschen
kehren in ihre Dörfer zurück. Das ist ein deutlicher Vertrauensbeweis für
die in Afghanistan erzielten Fortschritte.
Mit dem Sturz des Talibanregimes und den Anstrengungen zur Zerschlagung
großer Nester der Al Qaida bei ihrem Versuch einer Neugruppierung
konzentrieren sich die Bestrebungen der Koalition in Afghanistan jetzt
vornehmlich auf kleinere Einsätze - die Durchsuchung einzelner Höhlen, das
Aufspüren von Waffen, nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und kleineren
Nestern verstreuter Terroristen. Die von mir beschriebenen humanitären
Hilfsleistungen waren für uns bei diesen Einsätzen in der Tat von
unschätzbarem Wert.
"Wir kommen als Befreiungsmacht, nicht als Besatzungsmacht"
Indem wir von Anfang an klargestellt haben, dass es sich hierbei nicht um
einen Krieg gegen den Islam handelt, indem wir uns zurückgehalten und
Partnerschaften mit den afghanischen Streitkräften geschlossen haben, die
sich den Taliban und der Al Qaida widersetzen, und indem wir unsere Sorge um
das Wohlergehen des afghanischen Volks durch die Lieferung von humanitären
Hilfsgütern von den ersten Tagen des Krieges an unter Beweis gestellt haben,
zeigten wir dem afghanischen Volk, dass wir als Befreiungsmacht und nicht
als Besatzungsmacht kommen.
Tatsächlich sahen sich unsere Streitkräfte in nur wenigen der 32
afghanischen Provinzen - in den ehemaligen Talibanhochburgen im südlichen
und östlichen Afghanistan - Übergriffen ausgesetzt. Im Großteil des Landes
wurden die Koalitionsstreitkräfte als Befreier willkommen geheißen.
Das wiederum hat sich bei der Jagd auf die Taliban und die Al Qaida bezahlt
gemacht. Wir haben beispielsweise mehrere Male in der Woche zusätzliche
Waffenverstecke gefunden, nicht weil wir schlau sind oder über sie
stolperten, sondern weil die dort ansässigen Afghanen zu uns gekommen sind
und uns erzählt haben, wo sich diese Verstecke befinden. Sie führen
amerikanische Sondereinsatzkräfte und Militärpersonal zu diesen Verstecken,
so dass die Waffen eingesammelt und entweder zerstört oder der neuen
afghanischen Nationalarmee zur Verfügung gestellt werden können. Auch das
ist ein Vertrauensbeweis für die Bestrebungen der Koalition.
Während sich unsere Militärmission verändert und entwickelt, ziehen sich
jetzt verständlicherweise einige Streitkräfte turnusmäßig aus Afghanistan
zurück, darunter die Streitkräfte aus Großbritannien und Kanada - auch wenn
sie andernorts auf der Welt weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Dies
sollte nicht als Anzeichen gewertet werden, dass die Bestrebungen in
Afghanistan eingestellt werden. Im Gegenteil, in den vergangenen Wochen
wurde Folgendes unternommen:
Die Verbündeten der USA in vielen Ländern
Die Türkei hat ihre Präsenz in Afghanistan verstärkt und über 1.300 Soldaten
nach Kabul entsandt, um die Führung der Internationalen Schutztruppe für
Afghanistan (ISAF) zu übernehmen.
Norwegen, Dänemark und die Niederlande werden in Kürze F-16-Kampfflugzeuge
in Kirgisistan für Lufteinsätze über Afghanistan stationieren.
Rumänien hat ein Infanteriebataillon nach Afghanistan entsandt und eine
Gebirgsjägerkompanie, atomare, biologische und chemische Reaktionskräfte
sowie vier MiG-21-Kampfflugzeuge angeboten, und die Slowakei wird bald eine
Pioniereinheit dislozieren.
Sondereinsatzkräfte aus Kanada, Deutschland, Australien und anderen Nationen
arbeiten am Boden weiterhin mit amerikanischen Sondereinsatzkräften
zusammen, durchkämmen Höhlen, suchen nach flüchtigen Taliban- und
Al-Qaida-Gefolgsleuten und sammeln wichtige nachrichtendienstliche
Erkenntnisse.
Darüber hinaus beschränkt sich unsere Jagd nach Terrornetzwerken nicht auf
Afghanistan. Zurzeit patrouillieren Flugzeuge und Schiffe aus Australien,
Bahrain, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien,
Japan, Kanada, den Niederlanden, Spanien und anderen Ländern auf See und in
der Luft in entlegenen Gebieten der Welt. Sie führen
Luftüberwachungsoperationen durch, unterbinden die Kommunikationswege
zwischen den Al-Qaida-Anführern und bringen Schiffe für Kontrollen auf.
Frankreich und Italien haben ihre Flugzeugträgerverbände zur Unterstützung
der "Operation Andauernde Freiheit" stationiert. Deutschland hat mit um das
Horn von Afrika operierenden Überwasserstreitkräften eine Führungsrolle
übernommen. Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden aus dutzenden
von Ländern sind dabei behilflich, die Vermögenswerte der Terroristen zu
beschlagnahmen, ihre Bankkonten einzufrieren, Scheinfirmen zu schließen und
terroristische Zellen bei der Planung künftiger Anschläge zu zerschlagen.
Auf vielen Kontinenten von Europa bis nach Südostasien wurden zahlreiche
Personen festgenommen.
Der Krieg gegen den Terrorismus ist ein globaler Feldzug gegen einen
globalen Gegner. Am 11. September haben wir gelernt, dass in einer Welt
internationaler Finanzen, der Kommunikation und des Transports selbst
relativ isolierte Einzelpersonen oder Organisationen globale Reichweite
haben können - und die Fähigkeit, unschuldigen Zivilisten beispiellosen
Schaden zuzufügen.
Die Herausforderung für uns besteht darin, einen Weg zu finden, in dieser
Welt des 21. Jahrhunderts als freie Menschen zu leben. Missverstehen Sie
mich nicht: Das können wir. Aber es erfordert eine neue Denkweise, eine neue
Kampfführung und neue Strategien zur Verteidigung unserer Bürger und unserer
Lebensart.
"... den Krieg zu den Terroristen bringen"
Im Krieg gegen den Terror hat der Angreifer einen enormen Vorteil. Ein
Terrorist kann an jedem Ort, zu jeder Zeit unter Verwendung aller
erdenklichen Techniken zuschlagen. Und es ist physisch unmöglich, unsere
Bürger an jedem Ort, zu jeder Zeit gegen jede erdenkliche Technik zu
verteidigen. Der einzige Weg zur Bewältigung dieser Bedrohung besteht also
darin, den Krieg zu den Terroristen zu bringen - sie dort zu verfolgen, wo
sie sind, und sie zu töten, sie gefangen zu nehmen oder auf andere Weise zu
zerschlagen. Präsident Bush hat erklärt: "Der erste und beste Weg zur
Gewährleistung der inneren Sicherheit der Vereinigten Staaten besteht im
Angriff des Feindes dort, wo er sich versteckt hält und plant. Genau das tun
wir, und das werden wir tun."
Der Krieg gegen den Terrorismus hat zweifelsohne in Afghanistan begonnen,
aber er wird nicht dort enden. Er wird nicht enden, bis die Terrornetzwerke
zerschlagen sind, wo immer sie existieren. Er wird nicht enden, bis den
staatlichen Förderern des Terrorismus zu verstehen gegeben wurde, dass es
tödliche Konsequenzen für diejenigen hat, die versuchen, den Terroristen
Unterstützung, Beihilfe und Zuflucht zu gewähren. Er wird nicht enden, bis
diejenigen, die atomare, chemische und biologische Waffen entwickeln,
aufhören, eine Bedrohung für unschuldige Männer, Frauen und Kinder
darzustellen.
Er wird nicht enden, bis unsere Bürger - und die Bürger der freien Nationen
der Welt - wieder in Frieden und frei von Angst leben können.
Originaltext: Rumsfeld Says War on Terrorism Will Not End in Afghanistan
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