Die unheimlichen Spuren der CIA
Stephen Grey über Amerikas schmutzigen Krieg gegen den Terror
Von Eberhard Schultz *
Die CIA sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Umso wichtiger ist gut recherchiertes, aufgearbeitetes
und dokumentiertes Faktenmaterial wie es das Buch von Stephen Grey bietet. Es sei nicht nur dem
vom BND-Untersuchungsausschuss ernannten Experten, dem früheren
Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jakobs zur Lektüre empfohlen, der beauftragt wurde, die
CIA-Gefangenentransporte über deutschen Luftraum und auf deutschen Flughäfen aufzuklären. Das
Buch ist allerdings »nichts für zimperliche« Leser, warnt der Autor in der Einleitung. Wer seine
erdrückende Beweise ernst nimmt, könnte auf den Gedanken kommen, die vor kurzem
veröffentlichten Dokumente über Verbrechen, die vom CIA bzw. in seinem Auftrag vor langer Zeit
begangen wurden, darunter Mordanschläge auf Fidel Castro, sollten von den gegenwärtigen
Verbrechen ablenken.
Sympathisch ist der Werkstattcharakter des Buches. Grey erzählt, wie er vom ersten Hinweis auf die
verdeckten CIA-Flüge erfuhr, die verschämt »renditions«, zu deutsch: »über Stellungen«, genannt
werden, vermutlich um einen Unterschied zu den rechtlich klar definierten Begriffen wie
»Auslieferung«, »Abschiebung« oder ähnlichen zu suggerieren. In mühsamer Kleinarbeit hat der
Autor das Puzzle einer weltumspannenden Foltermaschinerie zusammengesetzt. Er gibt bereitwillig
Einblick in seine Methoden, bis hin in spezielle Software zur Dechiffrierung der geheimen Flüge.
Etwas übertrieben finde ich die tagebuchartigen Einleitungen zu einzelnen Abschnitten wie auch den
»Prolog – Damaskus, Syrien, Dienstag 17.12. 2002«, der den Leser auffordert, vom dortigen Hotel
Sheraton ins berüchtigte Gefängnis »Far Filastin« zu fahren und hier Folter quasi hautnah
mitzuerleben. Aber vielleicht muss einer so schreiben, der sein Werk gern verfilmt sehen möchte?
Auch wenn die im Namen oder mit Wissen der CIA und anderer Dienste verübten Folterpraktiken
bekannt sein dürfte, halte ich die Erinnerung für legitim, getreu der Bechtschen Mahnung, »das
Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz …«. Der Autor befasst sich auch
mit Hintergründen und die Reaktionen auf die Veröffentlichung der Folterfotos von Abu Ghoraib, den
dubiosen »Terror« in Usbekistan und einem kürzlich eröffneten Strafverfahren gegen CIAMitarbeiter
in Italien.
Die Gefangenen im Krieg gegen den Terror werden nach ihrer Bedeutung in drei verschiedene
Klassen eingeteilt. Die wichtigsten wie Khaled Scheich Mohammed blieben im Gewahrsam des CIA,
wurden in dessen Einrichtungen überstellt, in die sogenannten »schwarzen Standorte«. Eine zweite
Kategorie sollte vom US Militär als »ungesetzlich Kombattanten« festgehalten werden. Die meisten
von ihnen wurden schließlich zur US-Basis von Bagram, südlich von Kabul, oder nach Guantanamo
Bay auf Kuba gebracht. Gefangene der dritten Kategorie schließlich kamen in die Gefängnisse von
Amerikas Verbündeten Ägypten, Jordanien, Marokko, Syrien, Usbekistan und sogar Libyen.
Angesichts Hunderter zu vernehmender Häftlinge und eines entsprechenden Bedarfs an
Vernehmungspersonal, das die jeweilige Sprache beherrscht, sich in diversen Kulturen und
Gebräuchen auskennt, wurden viele US-Gefangene an andere Mächte weitergegeben, konnten, so
Grey, »in jedes beliebige Land verschleppt werden, das bei ihrer Vernehmung behilflich war«.
Bedauerlicherweise belässt es der Autor nicht bei diesem klaren Ergebnis, sondern versucht, die
Folterpraxis der CIA einer grundsätzlichen Bewertung zu unterziehen, die allzu oberflächlich gerät.
In seinem pathetischen Schlusswort schließlich benennt er »Fehler«, die in Zukunft zu vermeiden
seien, um das »Bündnis gegen Terrorismus zu verteidigen«. Wer jedoch Folterverbot für absolut und
Menschenrechte für universal hält, der muss die hier geschilderten Verhörmethoden konsequent als
das entlarven, was sie sind: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und – wenn im Zusammenhang
mit kriegerischen Handlungen begangen – Kriegsverbrechen. Insofern bleibt dieses Buch hinter
Veröffentlichungen wie die des Geschichtsprofessors Alfred W. Mc Coy (»Foltern und Foltern
lassen. 50 Jahre Folter-Forschung und -Praxis von CIA und US-Militär«) oder von dessen Kollegen
David Rose (»Guantanamo Bay – Amerikas Krieg gegen die Menschenrechte«) zurück. Immerhin
betont auch Grey die Verantwortung der europäischen Regierungen und verweist zu Recht darauf,
dass das US-Militär bei Operationen von Stützpunkten in der Bundesrepublik dem deutschen Recht
und Grundgesetz untersteht. »Ein US-Basis durfte sicher nicht für eine Entführungs-Operation
genutzt werden, auch nicht für irgendeine Form der Inhaftierung eines Gefangenen.« Im
Zusammenhang mit dem Entführungsfall El Masri berichtet Grey, dass sämtliche Behörden aus
Deutschland, städtische Polizei, Landeskriminalamt und Geheimdienste, versucht haben, die
Moschee in Neu-Ulm zu infiltrieren. Der Autor zitiert einen Sicherheitsbeamten: »Insgesamt zählte
ich mindestens acht beteiligte deutsche Behörden, und das ohne den Auslandsgeheimdienst.« Es
gehören offenbar auch Teile Deutschlands zum Schattenreich.
Stephen Grey: Das Schattenreich der CIA. Amerikas schmutziger Krieg gegen den Terror. DVA, München. 430 S., br., 17,90
* Aus: Neues Deutschland, 13. September 2007
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