Die zweite Phase des Kriegs gegen den Terrorismus hat begonnen
Rede des US-Präsidenten George W. Bush zum Gedenken an die Terroranschläge vor sechs Monaten
Nachfolgend veröffentlichen wir die Rede von Präsident
George W. Bush vom 11. März 2002 zum Gedenken an den Terroranschlag auf die
Vereinigten Staaten vor sechs Monaten. Sie wurde in dieser Version von der US-Botschaft versandt.
Sehr geehrte diplomatische Vertreter der an der Koalition beteiligten
Nationen; Mitglieder des Kongresses, des Kabinetts, des Obersten
Bundesgerichtshofs; Angehörige der amerikanischen Streitkräfte;
militärische
Vertreter der Koalition aus der ganzen Welt; verehrte Gäste, meine Damen
und
Herren. Willkommen im Weißen Haus.
Wir sind zusammengekommen, um eines schrecklichen Tags zu gedenken, um eine
gerechte und lebenswichtige Sache zu bekräftigen und den vielen Nationen zu
danken, die unsere Entschlossenheit teilen und an unserem gemeinsamen Sieg
beteiligt sein werden.
Sechs Monate sind seit dem 11. September vergangen. Aber für die Familien
der Verstorbenen bringt jeder Tag neuen Schmerz; jeder Tag erfordert neuen
Mut. Ihre Würde und Ihre Stärke sind ein Beispiel für unsere Nation.
Amerika
wird die Menschenleben, die verloren gingen, und die Gerechtigkeit, die ihr
Tod fordert, nicht vergessen.
Wir sehen uns einem Feind mit skrupellosem Ehrgeiz gegenüber, der weder
durch Gesetz noch Moral eingeschränkt wird. Die Terroristen verachten
andere
Religionen und entweihen ihre eigene. Und sie sind entschlossen, den Umfang
und das Ausmaß ihres Mordens zu erweitern. Der Terror, der New York und
Washington zum Ziel hatte, kann als nächstes jedes Zentrum der Zivilisation
treffen. Gegen einen solchen Feind gibt es keine Immunität, und gegen einen
solchen Feind kann es keine Neutralität geben.
Viele Nationen und viele Familien leben seit Jahrzehnten im Schatten des
Terrors - erdulden Jahre des sinnlosen und erbarmungslosen Mordens. Der 11.
September war nicht der Beginn des globalen Terrors, sondern der Beginn der
gemeinsamen Reaktion der Welt. Die Geschichte wird diesen Tag nicht nur als
einen Tag der Tragödie, sondern als einen Tag der Entscheidung festhalten -
als die zivilisierte Welt zu Wut und Aktion aufgestachelt wurde. Und die
Terroristen werden den 11. September als den Tag der Abrechung erinnern.
Eine mächtige Koalition zivilisierter Nationen verteidigt jetzt unsere
gemeinsame Sicherheit. Die Geldbestände der Terroristen wurden eingefroren.
Gruppen, die als Fassade für Terroristen fungieren, wurden entlarvt. Ein
terroristisches Regime wurde gestürzt. Von Spanien bis Singapur wurden
Pläne
für Terroranschläge aufgedeckt. Und tausende von Terroristen wurden vor
Gericht gebracht, sind im Gefängnis oder rennen um ihr Leben.
Heute sind Vertreter vieler unserer Partner bei diesem großartigen
Unternehmen unter uns, und wir sind stolz, heute Morgen die Flaggen ihrer
Heimatländer gehisst zu haben. Es ist mir eine Ehre, den tief empfundenen
Dank des amerikanischen Volks für die Beiträge dieser Nationen - einige
wohl
bekannt, andere nicht - zum Ausdruck zu bringen.
Die Macht und Tragfähigkeit unserer Koalition wird in Afghanistan unter
Beweis gestellt. Mehr als die Hälfte unserer Streitkräfte, die jetzt den
heroischen afghanischen Kämpfern zur Seite steht oder die Sicherheit in
Kabul gewährleistet, kommt aus anderen Ländern als den Vereinigten Staaten.
Es gibt viele Beispiele des Engagements: Unser guter Bündnispartner,
Frankreich, hat nahezu ein Viertel seiner Marine zur Unterstützung der
Operation Dauerhafter Friede stationiert, und Großbritannien hat seine
größte Marineeinsatztruppe seit 20 Jahren entsandt. Britische und
amerikanische Sondereinsatzkräfte kämpfen Seite an Seite mit den Truppen
aus
Australien, Kanada, Norwegen, Dänemark und Deutschland. Insgesamt haben 17
Nationen Streitkräfte in die Region entsandt. Und wir hätten unsere Arbeit
nicht ohne die entscheidende Unterstützung von Ländern wie Pakistan und
Usbekistan leisten können.
Japanische Zerstörer tanken die Schiffe der Koalition im Indischen Ozean
auf. Die türkische Luftwaffe tankt amerikanische Flugzeuge auf. Die
Afghanen
werden in Kliniken behandelt, die von Russen, Jordaniern und Spaniern
gebaut
wurden und erhalten Hilfslieferungen und Unterstützung von Südkorea.
Die an unserer Koalition beteiligten Nationen übernehmen gemeinsam die
Verantwortung für unserer Sache und bringen Opfer für sie. Am Tag vor dem
11. September traf ich mit dem australischen Ministerpräsidenten John
Howard
zusammen, der von den gemeinsamen Überzeugungen und der gemeinsamen
Zuneigung unserer beiden Länder sprach. Wir konnten nicht wissen, dass
diese
Bande erneut in einem Krieg auf die Probe gestellt würden, und wir konnten
seinen Preis an Menschenleben nicht kennen. Letzten Monat starb Feldwebel
Andrew Russel vom australischen Luftsondereinsatzkommando in Afghanistan.
Er
hinterließ seine Frau Kylie und ihre erst 11 Tage alte gemeinsame Tochter
Leisa. Freunde sagten über Feldwebel Russel: "Man konnte sich darauf
verlassen, dass er einen nie im Stich liess."
Dieser junge Mann, und viele wie er, lassen uns nicht im Stich. Jedes von
uns genommene Menschenleben ist ein schrecklicher Verlust. Wir haben junge
Menschen aus Deutschland, Dänemark, Afghanistan und Amerika verloren. Wir
beklagen den Tod jedes einzelnen. Und wir ehren sie für ihren Mut in einer
hehren Sache.
Ein Teil dieser Sache war die Befreiung des afghanischen Volks von der
terroristischen Unterdrückung, und das haben wir getan. Nächste Woche
werden die Schulen in Afghanistan wieder geöffnet. Sie werden für alle
geöffnet sein - und viele junge Mädchen werden zum ersten Mal in ihrem
jungen Leben in die Schule gehen. Vor Afghanistan liegen viele schwierige
Herausforderungen - aber wir haben Massenhungersnöte abgewandt, angefangen,
die Minenfelder zu räumen, die Straßen wiederaufzubauen und die
Gesundheitsfürsorge zu verbessern. In Kabul ist eine freundlich gesinnte
Regierung jetzt unerlässliches Mitglied der Koalition gegen den Terror.
Jetzt, da die Taliban vertrieben sind und die Al Qaida ihren Stützpunkt für
Terrorismus verloren hat, sind wir in die zweite Phase des Kriegs gegen den
Terror eingetreten - einen andauernden Feldzug, um den Terroristen die
Zuflucht zu verweigern, die unsere Bürger von überall auf der Welt
bedrohen.
In Afghanistan sind hunderte ausgebildeter Mörder jetzt tot. Viele wurden
gefasst. Andere sind noch auf der Flucht, in der Hoffnung, erneut
zuschlagen
zu können. Diese terroristischen Kämpfer sind die fanatischsten, die
gefährlichsten, und sie werden sich mit geringster Wahrscheinlichkeit
ergeben. Sie versuchen, sich neu zu formieren, und wir werden sie
aufhalten.
Fünf Monate lang war unsere Koalition in Afghanistan geduldig und
unerbittlich. Und mehr Geduld und Mut werden erforderlich sein. In den
Schach-i-kot-Bergen führen wir einen erbitterten Krieg, und wir gewinnen.
Dennoch wird es nicht der letzte Kampf in Afghanistan sein. Und es wird
andere Kämpfe in anderen Ländern geben.
Es darf für aus Afghanistan fliehende Terroristen - für keinen Terroristen,
der nach einer Operationsbasis sucht - einen sicheren Zufluchtsort geben.
Indem wir die Terroristen zwingen, von einem Ort an den anderen zu fliehen,
stören wir die Pläne und die Vorbereitung auf weitere Angriffe auf Amerika
und die zivilisierte Welt. Jeder Terrorist muss gezwungen werden, weltweit
auf der Flucht zu leben, er darf keinen Ort haben, an dem er sich
niederlassen oder organisieren kann, kein Versteck, keine Regierungen,
hinter denen er sich verstecken kann, nicht einmal einen sicheren Ort zum
Schlafen.
Ich habe in der zweiten Phase des Kriegs gegen den Terror eine klare
Vorgehensweise dargelegt: Die Vereinigten Staaten fordern alle Regierungen
der Welt auf, bei der Beseitigung der terroristischen Parasiten, die ihre
eigenen Länder und den Frieden auf der Welt bedrohen, behilflich zu sein -
und erwarten diese Hilfe auch von ihnen. Wenn einige Regierungen Schulungen
oder Ressourcen benötigen, um dieser Verpflichtung nachzukommen, werden die
Vereinigten Staaten helfen.
Wir helfen gerade auf den Philippinen, wo Terroristen mit Verbindungen zur
Al Qaida versuchen, den südlichen Teil des Landes zur Etablierung eines
Militärregimes zu besetzen. Sie unterdrücken die örtliche Bevölkerung und
haben sowohl amerikanische als auch philippinische Staatsbürger entführt.
Die Vereinigten Staaten haben zur Ausbildung philippinischer Streitkräfte
mehr als 500 Soldaten entsandt. Wir stehen Präsident Arroyo zur Seite, der
sich mit viel Mut gegen die terroristische Bedrohung stellt.
In der Republik Georgien operieren eng mit der Al Qaida zusammenarbeitende
Terroristen im Panski Tal nahe der russischen Grenze. Auf Bitten von
Präsident Schewardnadse planen die Vereinigten Staaten die Entsendung von
bis zu 150 Militärausbildern, um die Soldaten Georgiens darauf
vorzubereiten, die Kontrolle in dieser gesetzlosen Region
wiederherzustellen. Diese vorübergehende Unterstützung liegt im Interesse
unserer beiden Länder.
Im Jemen arbeiten wir daran, ein zweites Afghanistan zu verhindern. Viele
Rekruten der Al Qaida stammen aus der Nähe der Grenze zwischen dem Jemen
und
Saudi-Arabien. Die Al Qaida könnte versuchen, sich in entlegenen Winkeln
der
Region neu zu konstituieren. Präsident Saleh versicherte mir, dass er
dieser
Gefahr begegnen wird. Wir werden den jemenitischen Streitkräften mit
Ausbildung und Gerät behilflich sein um zu verhindern, dass das Land zu
einem Zufluchtsort für Terroristen wird.
In der momentanen Phase des Kriegs widersetzt sich unsere Koalition keinem
Land, sondern einem Netzwerk. Der Sieg wird sich im Laufe der Zeit
einstellen, wenn das Netzwerk langsam aber sicher zerschlagen wird. Dies
erfordert internationale Zusammenarbeit an einer Reihe von Fronten: der
diplomatischen, finanziellen und militärischen. Wir werden nicht in jede
Schlacht amerikanische Truppen entsenden, aber die Vereinigten Staaten
werden andere Länder aktiv auf die bevorstehenden Schlachten vorbereiten.
Diese Mission wird beendet sein, wenn die Arbeit erledigt ist - wenn die
Terrornetzwerke mit globaler Reichweite besiegt wurden. Die Zufluchtsorte
und Ausbildungslager des Terrors sind eine Bedrohung für unser Leben und
unsere Lebensweise, und sie werden zerstört werden.
Gleichzeitig muss jede Nation in unserer Koalition die in katastrophalem
Ausmaß zunehmende Bedrohung des Terrors ernst nehmen - eines mit
biologischen, chemischen und atomaren Waffen ausgerüsteten Terrors. Die
Vereinigten Staaten beraten sich jetzt mit Freunden und Bündnispartnern
über
diese größte Gefahr, und wir sind entschlossen, uns ihr zu stellen.
Soviel wissen wir bereits: Einige den Terrorismus unterstützende Staaten
streben den Besitz von Massenvernichtungswaffen an oder besitzen sie
bereits, Terrorgruppen gieren nach diesen Waffen und würden sie ohne
jegliche Gewissensbisse einsetzen. Wir wissen, dass diese Waffen in den
Händen von Terroristen zu Erpressung, Völkermord und Chaos führen würden.
Diese Tatsachen können nicht geleugnet werden, und wir müssen uns ihnen
stellen. Wenn die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindert wird,
gibt es keinen Spielraum für Fehler und keine Möglichkeit, aus Fehlern zu
lernen. Unsere Koalition muss bewusst handeln, Untätigkeit ist keine
Option.
Menschen ohne Achtung vor dem Leben darf nie erlaubt werden, die
ultimativen
Werkzeuge des Todes zu kontrollieren.
Wir versammeln uns heute hier, sechs Monate später - eine kurze Zeit in
einem langen Kampf. Unser Krieg gegen den Terror wird anhand seines
Ausgangs
beurteilt werden, nicht anhand seines Anfangs. Es liegen noch mehr Gefahren
und Opfer vor uns. Dennoch sind die Vereinigten Staaten vorbereitet. Unsere
Entschlossenheit nimmt nur zu, denn wir erinnern uns. Wir erinnern uns an
den Horror und das Heldentum dieses Morgens - den Tod von Kindern auf einem
Schulausflug, den Widerstand von Passagieren an Bord eines zum Absturz
verurteilten Flugzeugs, den Mut der Rettungsarbeiter, die mit den Fremden
starben, die sie zu retten versuchten. Und wir erinnern uns an die Bilder
von Terroristen, die über unsere Verluste lachten.
Jede zivilisierte Nation trägt ihren Teil zu diesem Kampf bei, denn jede
zivilisierte Nation hat ein Interesse an seinem Ausgang. Es kann keinen
Frieden geben in einer Welt, in der Meinungsverschiedenheiten und Groll als
Entschuldigung dafür gelten, Unschuldige zu töten. Indem wir den Terror
bekämpfen, kämpfen wir für die Voraussetzungen für einen dauerhaften
Frieden. Wir kämpfen für gesetzlichen Wandel und gegen chaotische Gewalt,
für Entscheidungsfreiheit und gegen Zwang und Brutalität, für die Würde und
Güte jedes Lebens.
Jede Nation sollte wissen, dass der Krieg gegen den Terror für die
Vereinigten Staaten nicht nur Politik ist, sondern ein Schwur. Ich werde in
diesem Kampf für die Freiheit und Sicherheit meines Landes und der
zivilisierten Welt nicht nachgeben.
Und wir werden Erfolg haben. Der Tag wird kommen, an dem die organisierte
Bedrohung der Vereinigten Staaten, unserer Freunde und Bündnispartner
durchbrochen wird. Und wenn die Terroristen geschlagen und verstreut und
diskreditiert sind, werden viele alte Konflikte in einem neuen Licht
erscheinen - ohne die dauernde Angst und Bitterkeit, die die Terroristen
mit
ihrer Gewalt verbreiten. Dann werden wir sehen, dass die alten und ernsten
Dispute auf vernünftige Weise, mit gutem Willen und zu Gunsten der
gemeinsamen Sicherheit gelöst werden können. Ich sehe eine friedliche Welt
nach dem Krieg gegen den Terror, und mutig und geschlossen bauen wir diese
Welt gemeinsam auf.
Jedes Land, dass sich unmissverständlich gegen den Terror stellt, kann zu
dieser Sache beitragen. Jede Nation guten Willens ist willkommen. Gemeinsam
werden wir der Gefahr des Augenblicks begegnen und das Versprechen unserer
Zeit nutzen.
Möge Gott unsere Koalition segnen.
Originaltext: Bush Says Second Stage in War on Terrorism Has Begun
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