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Grenzen für nukleare Terroristen

UN-Konvention trat am Wochenende in Kraft

Von Olaf Standke *

Die UN-Konvention gegen Nuklearterrorismus ist am Wochenende (8. Juli) in Kraft getreten, nachdem Bangladesch als 22. Signatarstaat das Dokument ratifiziert hat.

Drehbuchautoren haben das Thema schon ausgiebig hin- und hergewälzt, Regisseure die Geschichten mit viel Action umgesetzt, in der Realität sind uns die Folgen atomarer terroristischer Attacken bisher erspart geblieben. Damit das so bleibt, hat sich die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Vorjahr auf eine Konvention zum Schutz vor solchen Anschlägen geeinigt. Der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan hoffte, dass »dieses Übereinkommen dabei helfen wird, Terroristengruppen am Zugang zu den tödlichsten Waffen der Menschheit zu hindern«. Die 28 Vertragsartikel zielen u.a. darauf, all jene strafrechtlich zu verfolgen, die illegal radioaktives Material besitzen, sich beschaffen, freisetzen oder anderweitig in die Organisation atomarer Anschlägen verwickelt sind. Alle Teilnehmerstaaten sind verpflichtet, ihr radioaktives Material entsprechend den Vorschriften der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu sichern und international zusammenzuarbeiten.

Denn die Gefahr ist nicht fiktiv und das Interesse Osama bin Ladens an Kernwaffen keine Legende. Mehrfach soll das Al-Qaida-Netzwerk versucht haben, vor allem über pakistanische Wissenschaftler an nukleares Material wie hochangereichertes Uran zu kommen. Zu den Szenarien, die von Sicherheitsexperten der NATO und der EU durchgespielt werden, gehören der Diebstahl oder der Kauf einer funktionstüchtigen Atombombe auf dem Schwarzmarkt ebenso wie die Rekrutierung williger Wissenschaftler, um einfache radioaktive Sprengsätze, so genannte schmutzige Bomben, zu bauen. Und es ist erschreckenderweise relativ leicht, an den Stoff der Terroristenträume zu kommen. Da muss man gar nicht militärische Anlagen im Auge haben, radioaktives Material findet sich auch in Forschungsinstituten, Krankenhäusern, privaten Labors. Der Sicherheitsstandard der meisten Forschungsreaktoren an US-amerikanischen Universitäten etwa wird als ungenügend eingeschätzt. Ganz davon abgesehen, dass Attentäter Passagierflugzeuge ja nicht nur in Wolkenkratzer steuern können – auf der Welt gibt es gegenwärtig über 440 Kernkraftwerke. Greenpeace geht davon aus, dass keines der 17 hierzulande einem gezielten Angriff dieser Größenordnung gewachsen ist. Tschernobyl wäre da nach Experteneinschätzung im Fall der Fälle nur ein matt strahlendes Vorspiel gewesen.

Wissend um die Vielfalt der Gefahren allein im eigenen Land hat Russland vor neun Jahren den Vorschlag für eine Konvention gegen den Nuklearterrorismus eingebracht. 14 Monate nach ihrer einmütigen Annahme in der UN-Vollversammlung haben 115 Staaten das Völkerrechtsdokument unterschrieben. Mit der 22. Ratifizierung durch Bangladesch wurde es jetzt rechtskräftig. Allerdings beklagen Friedensforscher und Kernkraftgegner, dass die meisten Atommächte den Vertrag nicht mittragen. Nur Russland und Indien haben ihn bislang ratifiziert. Kein anderes ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat, kein anderer G8-Staat ist bislang dem russischen Beispiel gefolgt.

Moskau verfolgt zugleich die »Global Initiative to Combat Nuclear Terrorism«. Vom russischen und US-amerikanischen Präsidenten auf dem G8-Gipfel 2006 in Petersburg vorgeschlagen, fand im Juni in Kasachstan ihr drittes Treffen statt. Vertreter aus 51 Staaten waren nach Astanah gereist und haben einen Zehn-Jahres-Aktionsplan diskutiert. Sie beschlossen zum Beispiel wirksame Maßnahmen zum Schutz nuklearer Einrichtungen und gegen den zunehmenden weltweiten Schmuggel mit radioaktivem Material sowie die Entwicklung eines integrierten Netzwerkes, um die Schäden nach einem potenziellen terroristischen Atomangriff zu begrenzen.

All das kann das Risiko höchstens eindämmen und Folgen eingrenzen. So begrüßte Jayantha Dhanapala, UN-Untergeneralsekretär für Abrüstung, die Konvention denn auch als Zeichen für einen wichtigen Konsens in der internationalen Gemeinschaft, doch leider habe der noch nicht zu einer umfassenden Unterstützung für so bedeutende Abkommen wie den Teststopp- oder den Atomwaffensperrvertrag geführt. Kernwaffen selbst seien »Waffen des Terrors«, und davon gibt es weltweit immer noch über 27 000. Gemessen an ihrer verheerenden Wirkung sei die Frage, ob sie sich in den richtigen oder falschen Händen befänden, letztlich irrelevant, so Dhanapala. Zuverlässiger Schutz vor Nuklearterrorismus erfordert deshalb nicht nur mehr atomare Sicherheit oder den Ausstieg aus der Kernenergie, sondern auch vollständige atomare Abrüstung.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2007


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