"Die Welt kann nur friedlich werden, wenn sie auch friedlich gedacht wird."
Erklärung des Deutsch-Arabischen Friedenswerks e.V. zu den Terroranschlägen
Das Deutsch-Arabisches Friedenswerk e.V. erklärt zu den
Terroranschlägen in New York und Washington sowie den
politischen Folgen:
Das Deutsch-Arabische Friedenswerk strebt ein friedliches
Miteinander der Völker an und wendet sich gegen Krieg und
Gewaltanwendung. Wir verurteilen damit auch jede Form des
Terrorismus, sei er nun individueller, politischer oder
staatlicher Herkunft. Dies ist der Maßstab, an dem wir die
tragischen Vorfälle des 11. September 2001 messen.
Wir trauern angesichts der Opfer dieses Tages, wie wir es
auch bei vielen Tausenden anderer Opfer getan haben, die in
den zurückliegenden Jahren ihr Leben durch Gewalt und Krieg
verloren haben. Wir teilen den Schmerz der Hinterbliebenen
und fordern ein Ende der Gewalt sowie die Bestrafung
Schuldigen.
Aber jede Schuld ist individuell und muß nachgewiesen
werden, ehe eine gerechte Strafe vollzogen werden kann. Zu
den grundlegenden Merkmalen zivilisierter Strafverfolgung
gehört das Prinzip das Verhältnismäßigkeit der Mittel und
die Unschuldsvermutung, solange das Gegenteil nicht bewiesen
ist. In diesem Sinne wenden wir uns entschieden gegen
kollektive, häufig unterschwellige Schuldzuweisungen, die in
Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen gegen arabische und
islamische Mitbürger und Gäste unserer Landes zum Ausdruck
kommen. Angesichts der amerikanischen Drohgebärden erwarten
wir von der deutschen Öffentlichkeit und den politisch
Verantwortlichen, daß sie Völker und Staaten wie Palästina,
Irak, Libyen, Kuba, Nordkorea gegen ungerechte
Anschuldigungen in Schutz nehmen.
Wir wenden uns gegen den von den Vereinigten Staaten von
Amerika inszenierten Rachefeldzug mit der Drohung gegen jede
Regierung und jedes Volk, das sich dem amerikanischen
Vergeltungsdrang nicht willenlos ausliefert und zum
Komplizen macht. Als deutsche Pazifisten sind wir zutiefst
enttäuscht, daß eine deutsche Regierung und der deutsche
Bundestag sich das Wort "Vergeltung" zu eigen machen und
Beihilfe beschließen wollen. Das Grundgesetz ermächtigt
unsere Regierung zur Verteidigung, nicht jedoch zur
Teilnahme an Strafmaßnahmen, deren Gegenstand, Inhalt und
Ziel unkontrolliert von einem anderen Staat festgelegt
werden.
Wir erinnern daran, daß Vergeltung - z. B. gegen Partisanen
- eine Strategie der nationalsozialistischen Führung war.
Wir erinnern daran, daß die für den 1. Weltkrieg
entscheidenden Ursachen erst nach dem Attentat von Sarajewo
geschaffen wurden. Wir erwarten von den politisch
Verantwortlichen in Deutschland, daß sie gegenüber den
Vereinigten Staaten auf Einhaltung rechtsstaatlicher
Prinzipien und der Normen des Völkerrechts drängen und jeder
Aggression gegen arabische und islamische Staaten Einhalt
gebieten.
Die große Demonstration am Freitag, dem 14. September in
Berlin hat die Sorge und den Wunsch der deutschen
Bevölkerung zum Ausdruck gebracht: No war! hieß es auf den
Transparenten. Wir stimmen dem Bundespräsidenten völlig zu,
wenn er in seiner Ansprache auf die tieferen Ursachen des
politischen Terrorismus hinwies: Sie liegen in der
Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Erniedrigung vieler
Millionen Menschen als Folge einer ungerechten
Weltwirtschaftsordnung und der rücksichtslosen,
machtpolitischen Anwendung doppelter Maßstäbe.
In der Überwindung dieser Mißstände liegt der beste Ansatz
zur Beseitigung des politischen Terrorismus. Wir fordern als
einen ersten Schritt die Beendigung der öffentlich
unkontrollierten Nebenaußen- und Sicherheitspolitik durch
die Geheimdienste und erinnern in diesem Zusammenhang daran,
daß sowohl die Taliban wie auch palästinensische
Fundamentalisten jahrelang von amerikanischen Geheimdiensten
gegen die legalen Führungen ihrer Länder unterstützt worden
sind.
Das schreckliche Ereignis des 11. September 2001 ist nicht
nur Ausfluß eines vielleicht aus dem Islam begründeten
religiösen Fundamentalismus, es ist zugleich die reale
Inszenierung jener Gewaltphantasien westlicher, besonders
auch US-amerikanischer, Prägung, die tagtäglich
millionenfach über Filme und Computerspiele verbreitet
werden. Die Welt kann nur friedlich werden, wenn sie auch
friedlich gedacht wird.
Die Schrei nach Rache und Vergeltung, verbrämt mit
religiösen und patriotischen Gesten, die maßlose Aufstockung
der Militärausgaben hat die Vereinigten Staaten als
Führungsmacht der zivilisierten Welt in unseren Augen
disqualifiziert. Wir appellieren an die Menschen guten
Willens, diesen Irrweg nicht mitzugehen, sondern Recht,
Gerechtigkeit und Sicherheit für alle mit friedlichen
Mitteln anzustreben.
15.09.2001
Dorothea Schendel, Vorsitzende, Dr. Peter Gerlinghoff, Beirat
Zurück zur "Terrorismus-Seite"
Zu anderen Themen
Zurück zur Homepage