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Ein Ökosiegel für die Kriegszentrale

Hessens Regierung lobt neues US-Hauptquartier

Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden *

Das offizielle Wiesbaden feierte gestern im US-Militärflughafen vor den Toren der Stadt den ersten Spatenstich für die Europazentrale der US-Army. Die LINKE protestierte am Gelände gegen die weltweite Kriegsführung der USA.

Ranghohe Militärs, Repräsentanten des offiziellen Wiesbaden und Vertreter von Stadt und Land haben sich am Dienstagmittag zum feierlichen Spatenstich für die neue Kommando- und Führungszentrale der US-Landstreitkräfte Europa auf dem Militärflughafen in Wiesbaden-Erbenheim eingefunden. Bis 2012, spätestens Anfang 2013, soll hier das neue Europa-Hauptquartier an der »Airbase« auf einem Areal von 26 500 Quadratmetern in Betrieb genommen werden.

Für die hessische CDU/FDP-Landesregierung begrüßte Finanzstaatssekretär Thomas Schäfer die Verlagerung der Europazentrale der US Army von Heidelberg nach Wiesbaden als »Beleg für die hervorragenden Beziehungen zwischen den USA und Hessen«. Schäfer lobte auf dem für die Öffentlichkeit abgeriegelten Flughafengelände die »wegweisende Entscheidung der US-Armee« und maß ihr »hohen Symbolwert« bei. Bei der Planung und Realisierung des Gebäudekomplexes spielten nicht nur militärische Anforderungen eine Rolle, sondern auch Anforderungen an die »Nachhaltigkeit«, sagte er.

Die Mär von den vielen neuen Arbeitsplätzen

So sei die neue Kommandozentrale der US-Streitkräfte »ein sehr gelungenes Beispiel für ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen, auf das wir in Hessen besonderen Wert legen«, unterstrich Schäfer, der im Zusammenhang mit dem Umzug die Schaffung von 1000 Arbeitsplätzen in Aussicht stellte.

Schäfers Freude und Optimismus kann Jürgen Becker nicht teilen. Der Wiesbadener Kommunalpolitiker, der seit über 40 Jahren im nahen Stadtteil Erbenheim wohnt und seit 2006 für die Linke Liste im Stadtparlament sitzt, schloss sich am Dienstag dem Protest der Linksfraktion im hessischen Landtag vor der Airbase gegen Kriegsvorbereitung und neue Kommandozentrale an. Becker bezweifelt die von Schäfer propagierte segensreiche Wirkung der neuen Militärzentrale für die regionale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, zumal kaum neue Zivilangestellte in der Militärzentrale Arbeit finden würden. Die seit dem Zweiten Weltkrieg in Wiesbaden ansässige US-Militärgemeinde führe weitgehend ein eigenes Leben in eigenen Geschäften auf Dollar-Basis.

Ähnlich kritisierte auch LINKEN-Fraktionschef Willy van Ooyen »illusionäre Hoffnungen von Stadt und Land, die Installation des Headquarters würde Kaufkraft nach Wiesbaden bringen«. Von den Baumaßnahmen würden weder einheimische Architekten noch das Baugewerbe oder der Einzelhandel in nennenswertem Umfang profitieren. Aus Sicherheitsgründen werde sich das normale Leben der Militärs hinter hohen Sicherheitszäunen abspielen. Bestenfalls und »marginal« könnten einige Diskotheken und Bars von der Militärpräsenz profitieren, so van Ooyen.

Eine Drehscheibe für den Irak-Krieg

Wie die von Wiesbaden aus geplante US-Kriegsführung der »Nachhaltigkeit« dienen könne, sei für ihn rätselhaft, bekräftigte Becker. Die neue Kommandozentrale diene auch der Logistik für Einsätze im Nahen und Mittleren Osten, der Neubau fache die Aufrüstung weiter an. Dabei müssten die USA längst wissen, dass mit Krieg kein Land befriedet werden könne. Becker erinnert an Artikel 69 der hessischen Landesverfassung, der ausdrücklich festlegt: »Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet.«

Als Folge der Landnahme durch die US Army und durch den Bau einer neuen Wohnsiedlung für ranghohe Militärs, so Becker, verliere nun die Domäne Mechildshausen, ein nahegelegener städtischer Vorzeigebetrieb für ökologische Landwirtschaft, wertvolle Agrarflächen für Bioprodukte. Zudem werde die mit den Baumaßnahmen einher gehende weitere Versiegelung der Landschaft wichtige Frischluftschneisen beeinträchtigten, warnte Becker.

Die hessische Linksfraktion protestiert dagegen, dass der Militärflughafen Wiesbaden-Erbenheim schon jetzt im Irak-Krieg eine unrühmliche Rolle spiele. Dort seien Einheiten des Militärgeheimdienstes stationiert, die für die Folter an irakischen Gefangenen unter anderem in Abu Ghraib verantwortlich sind. Erst vor wenigen Wochen waren rund 1000 Männer und Frauen des Divisions-Kommandos der 1. Panzerdivision des amerikanischen Heeres von dem Airport feierlich in Richtung Irak verabschiedet worden.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Januar 2010


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