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Ecuador – eine Reise ins jüngste Land des lateinamerikanischen Frühlings

Zugleich ein Bericht über den ersten internationalen Kongress gegen ausländische Militärstützpunkte in aller Welt

Von Irene Eckert *

„No queremos, y no nos da la gana, de ser un colonia Norte-Americana y si queremos, y si nos da la gana de ser America Latina libre y soberana.“
(Wir haben keine Lust darauf ein US-amerikanische Kolonie zu sein, wir wollen ein freies und souveränes Lateinamerika.)

Dieser Slogan, eingefangen auf dem ersten internationalen Kongress gegen ausländische Militärstützpunkte in aller Welt in Quito und Manta/Ecuador vom 5.-9. März 2007, bringt die Haltung einer Bevölkerungsmehrheit zum Ausdruck, die dem Wirtschaftswissenschaftler Rafael Correa im November 2006 zum Wahlsieg verholfen hat. Mit ihrem Ja zum Referendum für eine verfassungsgebende Versammlung wurde seine Wahl erst kürzlich mit Nachdruck bestätigt. Das Referendum war Teil eines Programms, mit dem der „Linkspopulist“ (FAZ) das Präsidentenamt am 15. Januar 2007 antrat. Seine Regierung (7 von 17 wichtigen Ämtern sind mit Frauen besetzt worden) will auch den Vertrag über die Nutzung des US-Luftwaffenstützpunktes in Manta 2009 nicht verlängern. Vor diesem wohlwollenden Hintergrund tagten Anfang März die Gegner einer imperialen Strategie, die weltweit ein dem Kriege geweihtes System von 1000 Militärstützpunkten in über 130 Ländern aufrechterhält.

400 führende Aktivisten aus 40 Ländern wurden in der Andenstadt Quito (Teil des UNESCO-Weltkulturerbes) vom Bürgermeister Paco Moncayo herzlich empfangen. Rektor Manuel Corrales der katholischen Pontifikaluniversität, direkt gegenüber dem Gebäude der US-amerikanischen Botschaft, öffnete die Tore der Eliteuniversität für das Anliegen der Konferenzteilnehmer weit. Mit dem Hinweis darauf, dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frieden geben könne, begrüßte er seine Gäste und forderte die Verschrottung aller Atomwaffen. Der von Correa entsandte Vertreter des Verteidigungsministeriums präzisierte:

Es ist dies kein Friede, wenn 40 Prozemnt des ecuadorianischen Volkes in Armut lebt. Wir brauchen einen weiten Begriff von Sicherheit, der den Abbau struktureller Ungleichheit anvisiert, der den Analphabetismus zu überwinden trachtet, der dem Wassermangel den Kampf ansagt und der für die gesamte Bevölkerung eine Gesundheitsversorgung bereitzustellen vermag.

Solche Töne klangen vor allem in europäischen Ohren fast visionär und sie verkörpern etwas von den Hoffnungen und Erwartungen, die viele von uns mit den Umwälzungsprozessen in Lateinamerika verbinden.

Junge, uniformierte Sicherheitsbeamtinnen wurden zum Schutz der Veranstaltung aufgeboten.

Frau Nieve Solorzano, die charmante Vertreterin der ecuadorianischen Menschenrechtsorganisation INREDH forderte im Namen des Respekts für nationale Würde und im Zeichen der Souveränität des Landes die Annulierung des 1999 unter erpresserischem Druck zustande gekommenen Vertrages über den Luftwaffenstützpunkt in Manta. Der Kampf gegen den Drogenhandel sei ein durchsichtiger Vorwand, ebenso wie die Antiterrorbekämpfung im Zeichen des „Planes Kolumbien“. Die ortsansässige Bevölkerung trage die empörenden Folgen, die in ähnlicher Weise aus allen Teilen der Welt bestätigt wurden, wo sich die Menschen gegen die fremden Militärbasen und ihre Belastungen zur Wehr setzen: Kinderprostitution, Vernichtung der Existenzgrundlage für Fischer, Enteignungen, zerstörte Boote, Slums, Umweltschäden. Frau Corazon Valdez aus den Philippinen erinnerte daran, dass das Netzwerk www.no-bases.net 2004 beim Weltsozialforum in Mumbai aus der Taufe gehoben wurde und bereits über 200 lokale Kampagnen einschließe.

Die Gäste von Nah und Fern wurden im Laufe des Seminars nicht nur in der Landeshauptstadt, der Stadt des ewigen Frühlings, herzlichst begrüßt, sondern sie zogen am 8.Marz in einer von Frauen organisierten Buskarawane von den Anden hinab 18 Stunden lang quer durchs Land in die Hafenstadt Manta, wo am 9. März die Tagung an der dortigen Universität ihre Fortsetzung fand, mit gut doppelt so vielen Teilnehmern. Örtliche Initiativen hatten in drei Städten einen Empfang organisiert.

Nach dem Finale, das der Protestmarsch zum Militärstützpunkt in Manta bildete, in US-offizieller Terminologie allerdings „nur“ eine FOL ( Forward Operating Location) eine „vorne operierende Örtlichkeit“ zum Schutz der Einheimischen, die in unmittelbarer Nähe in Elendsquartieren hausen, reisten einige Kongressteilnehmer weiter durch das Land.

In Puerto Lopez, einem Ferienort, trafen wir auf einzelne aus der großen US-amerikanischen Aktivistenschar. Da waren Menschenrechtler, die darüber reflektierten, wie der Widerstand gegen die „Schule der Amerikas“, einer Elite-Militärakademie für Führungspersonal nur aus Lateinamerika, gestärkt werden könne. Die „Akademie“ heißt in der Sprache der Opposition www.soaw.org „School of the Assassins“, also „die Schule der Mörder“, den solche werden dort seit 1946 „für ihre schmutzige Arbeit in Lateinamerika“ mit US-Steuermitteln in spanischer Sprache ausgebildet. Nach öffentlichen Protesten, so hörte man, wurde die Schule 2001 umgesiedelt nach Fort Benning, Georgia und umbenannt in „Western Hemisphere Institute for Security Cooperation“, das Unterrichtsprogramm ist dasselbe geblieben.

Nachgedacht wurde unter tropischer Sonne auch über die Verschleppung der Ureinwohner der Insel Diego Garcia, der Chagossians, die die Briten Ende der 60iger nach Mauretanien verbracht haben, um die Insel vertragsgerecht unbewohnt dem US-amerikanischen Staat als Militärstützpunkt zu überlassen. Diego Garcia ist einer der vielen Orte, von denen aus die Bomberpiloten in den Irak gestartet sind. In einem Land wie Ecuador, wo 40% Bevölkerung indigen sind und nicht nur mit ihren Trachten und ihrem Kunstgewerbe das Leben bereichern, nimmt man am Schicksal der Indigenen in andern Erdteilen regen Anteil. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Quito zeichnete deswegen die mauretanische Schriftstellerin Lindsey Collen als Ehrenbürgerin der Stadt aus, weil sie sich ganz besonders für die Rechte der Inselbewohner von Diego Garcia im Indischen Ozean stark macht. Diese weise Frau sieht in der Bewegung gegen die Militärbasen übrigens einen zentralen Ansatzpunkt für die Überwindung der Strategie globaler Dominanz.

Einige Kongressteilnehmer reisten noch weiter gen Süden, nach Guayaquil, der reichen Metropole am Fluß des Guaya. Dort war etwas von den Kämpfen spürbar, die noch nicht zu Ende ausgefochten sind. Die Straßen dampften von Anhängern Correas, aber auch von denen seines Gegners, des Bürgermeisters der „wirtschaftlichen Lokomotive“ des Landes, der separatistische Neigungen pflegt. 50 reiche Familien bilden einen mächtigen Block gegen den populären Präsidenten, der im Geiste Simon Bolivars ein unabhängiges Lateinamerika unterstützt, zum Beispiel indem er die Schulden gegenüber dem IWF zurückbezahlt hat und die „Banco del Sur“ mit auf den Weg bringen will.

Die kleinen Gewerbetreibenden und Bauern stöhnen aber auch und vor allem über den Freihandelsvertrag CAFTA (spanisch TCL). Dieser Vertrag wäre ihr völliger Ruin. Viele Menschen fürchten den TCL noch mehr wie die Base in Manta und von der Regierung Correa erwarten sie auch hier Unterstützung für ihren Widerstand.

Vom Schuhputzer in Guayaquil über die Zeitungsverkäuferin in Cuenca bis zu den Studenten der Eliteuniversität in Quito gilt Rafael Correa als der Hoffnungsträger: Er ist jung, versteht etwas von Wirtschaft, ist weltbewandt und spricht neben Englisch und Französisch auch noch die Sprache vieler Indigenas, Quechua.

Mit Ecuador tritt derzeit ein weiteres Land dem Hegemon auf die Füße, aber ohne strukturelle Veränderungen auch in der westlichen Hemisphäre, so hörte man während der Kongresstage häufig, wird es kaum möglich, sein das neoliberale Diktat zu brechen. Der lokale, regionale und nationale Aufstand gegen die Militärbasen und ihre Zumutungen für die ortsansässige Bevölkerung könnte der Beginn einer Gegenbewegung sein, wie sie man in Deutschland etwa an Ostern wieder in der Freien Heide in Fretzdorf spüren konnten.

Literaturhinweise
  • Outposts of Empire – the case agaisnt foreign military bases, Amsterdam März 2007, hrsg vom TNI (Transnation Institute) Autoren: Sarah Irvin, Wilbert van der Zeijedn und Oscar Reyes (Anforderungen über tni@tni.org
  • Closing Bases Supporting Communities, hrsg. Fellowship of Reconciliation, Winter 2007 www.fours.org
  • Cynthia Enloe, Banans,Beaches and Bases: Making Feminist Sense of International Politics, University of California, 1997
* Irene Eckart, Berlin, Mitarbeit in der Berliner Friedensbewegung sowie im Bundesausschuss Friedensratschlag.


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