"Wir unterstützen völlig uneingeschränkt den Kampf gegen den Terrorismus"
Rede von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping auf der 38. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik
Die folgende Rede von Verteidigungsminister Scharping haben wir der Homepage der Bundesregierung entnommen. Die Vielzahl der Fehler ist wohl einer fahrlässigen Mitschrift des gesprochenen Worts geschuldet. Einige dicke Hämmer haben wir von uns aus korrigiert (z.B. "Spezial-Forzes" in "Special Forces").
... Die Bemerkungen von George Robertson und Sergej Ivanow -
signalisieren eine erhebliche Veränderung. Ich erinnere mich
ganz gut daran, dass ich vor rund 10 Jahren das erste mal hier
bei dieser Konferenz war und ich will gar nicht soweit
zurückgreifen. Vor 3 Jahren saßen wir hier zusammen und
überlegten, wie können wir am Rande dieser Konferenz uns
darauf verständigen, eine Extraction-Force in Mazedonien für
zivile Beobachter im Kosovo. Wie organisieren wir das?
Wenn damals, ich sage das als deutscher Verteidigungsminister,
Angesichts von damals ca. 2300 deutschen Soldaten in Bosnien,
wenn damals vor 3 Jahren jemand prophezeit hätte, innerhalb
von 3 Jahren, werden wir so schreckliche Ereignisse, wie den 11.
September in New York und Washington sehen. Aber wir werden
auch sehen, dass die NATO darauf gemeinsam reagiert. Dass
sich eine internationale Koalition gegen den Terrorismus bildet.
Und wir werden sehen, dass die Deutschen, die noch 1994, 95
sich vor ihrem Verfassungsgericht darüber gestritten haben, ob
deutsche Besatzungen in AWACS-Flugzeugen über den Balkan möglich
seien.
Wir werden sehen, dass die Deutschen in dieser kurzen Zeit
nicht nur in Bosnien, im Kosovo, in Mazedonien, auf der
arabischen Halbinsel, in Dschibuti, in Kenia, in Afghanistan,
stationiert und engagiert sein werden, dass sie gemeinsame
Operationen durchführen werden, bis hin zu Special-Forces.
Jeder hätte das für völlig undenkbar gehalten. Ich finde, wir
sollten bei der Erörterung aller aktueller Fragen, einen Moment
innehalten, um zu überlegen, wie war denn die Entwicklung der
letzten 3, 4, 5 Jahren. Auf welchen Fundamenten stehen wir? Wo
soll es hingehen? Ich teile es ausdrücklich, ohne es zu
wiederholen, in meinen eigenen Worten, was George Robertson
über die NATO gesagt hat. Ich ergänze allerdings, wer den
Charakter europäischer Gesellschaften kennt, der weiß, dass die
innere Legitimation militärischen Handelns, von der
Multinationalität, der politischen Strategie und der militärischen
Operation abhängt, zu glauben, dass wir auf Dauer in den
europäischen Gesellschaften, andere kann ich nicht so gut
beurteilen, dass wir auf Dauer in den europäischen
Gesellschaften, ohne die Grundlage internationalen Rechts, ohne
die Rolle der Vereinten Nationen, ohne die Multinationalität der
politischen Strategie und des militärischen Handelns, wenn es
notwendig wird. Dass wir ohne diese Grundlagen, die
Legitimation, die Unterstützung, die Mehrheit in der Bevölkerung
dauerhaft erhalten könnten, das halte ich für naiv.
Das zweite ist, in Europa und in Deutschland ist oft diskutiert
worden, dass militärischen Krisenmanagement umso weniger
notwendig sei, je besser die Prävention funktioniere. Das mag ja
so sein, aber manche haben geglaubt, man brauche nur
Prävention. Das ist eine Illusion die sich in den letzten Jahren
und insbesondere noch einmal nach den tragischen Ereignissen
des 11. September als falsch herausgestellt hat. Zivile politische
Prävention und die Fähigkeit zur militärischen Aktion bedingen
einander. Erfolgreiche Prävention ohne die Fähigkeit zu
militärischen Handeln ist gar nicht denkbar, jedenfalls nicht
gegenüber Staaten, die diktatorisch regiert werden, und auch
nicht gegenüber terroristischen Organisationen oder Gruppen
die Menschenverachtung und Mord zum Prinzip ihres Handelns
gemacht haben. Ich will damit sagen, dass wir uns nach dem
Ende des Ost-West-Konfliktes einer immer komplexeren und
immer weniger berechenbaren Herausforderung gegenüber
sehen und dass dazu selbstverständlich der internationale
Terrorismus gehört. Allerdings, wir sollten im Sinne einer
langfristigen Überlegung auch nicht übersehen, dass natürlich zu
diesen beunruhigenden und schwer berechenbaren
Entwicklungen dass Potential an biologischen und chemischen,
radiologischen und nuklearen Kampfstoffen gehört. Die
Entwicklung ballistischer Trägermittel und die Tatsache, dass wir
mit Formen der asymmetrischen Kriegsführung konfrontiert sind,
und dass neue Konfliktformen hinzutreten, wie wir alle wissen.
Netwar, Cyberwar, dass ist nicht nur denkbar sondern auch
schon erkennbar.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen.
Es mag angesichts einer Situation in der wir alle auf den
Terrorismus konzentriert sind, etwas unpopulär erscheinen,
notwendig ist es dennoch. Wir dürfen auch nicht vergessen,
dass Unterentwicklung, Armut, ungebremste
Bevölkerungsexplosion, Recourcenverknappung ebenfalls zu
Kriegsursachen werden können. Und wenn diese sozialen,
ökonomischen, ökologischen Probleme in Verbindung geraten mit
einem unseligen Nationalismus mit ideologisch religiösem oder
ideologisch ethnischen Fanatismus, dann sind sie in der Lage
ganze Regionen zu destabilisieren und damit globale Sicherheit
zu beeinträchtigen. Will sagen, so notwendig die militärische
Dimension des Handelns und die Fähigkeit zu militärischem
Handeln ist, ohne Überwindung von Tiefenspaltungen auf
unserem Globus ohne eine zufriedenstellende ökonomische und
soziale Perspektive in der südlichen Emirsphäre der Erde ohne
eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums, ohne eine
Sicherung politischer und gesellschaftlicher Strukturen, werden
wir globale Stabilität auf Dauer nicht Erreichen können. Wir
sollten diese langfristige Dimension unseres Handelns nicht
vergessen in einer Situation in der zurecht viele von uns sehr
stark mit fragen des Terrorismus und seiner Bekämpfung
beschäftigt sind.
Ich will noch eine kurze Bemerkung machen, im Zusammenhang
mit dem Zusammenwirken von Prävention und militärischer
Reaktion. Wir haben das ja auf dem Balkan erfahren. Wir haben
zu spät, viel zu spät reagiert in Bosnien, gerade noch rechtzeitig
reagiert in Kosovo, und wir haben präventiv reagiert in
Mazedonien. Und man sollte nicht vergessen, dass unter
Beteiligung des amerikanischen Präsidenten und einer großen
Zahl von Regierungschefs Europas in Sarajevo im Juli 1999 ein
Stabilitätspakt geschlossen worden ist, der die notwendige
Ergänzung und die notwendige Konsequenz aus dem
militärischen Handeln gewesen ist und dass ist der Grund
weshalb George Robertson und andere völlig zu Recht sagen
können, wir haben dort keine frustrierten, keine hasserfüllten
Menschen hinterlassen, sondern eine ganze Region auf den Weg
zum Frieden und zur Demokratie bringen können. Insofern ist
der Stabilitätspakt beides, nämlich Prävention von Krisen und
zugleich sinnvolle Krisennachsorge. Was bedeutet das alles im
Zusammenhang mit unseren Streitkräften und im
Zusammenhang mit der NATO und der europäischen Union. Ich
hatte schon darauf hingewiesen für die politische ...? und die
militärische Interoperabilität ist die NATO für die
transatlantischen Partner völlig unverzichtbar. Es ist modern
geworden, europäische Schwächen in diesem Zusammenhang zu
beklagen.
Ich füge ein paar wenige Zahlen hinzu:
Die Europäer, soweit sie Mitglied der europäischen Union sind
stellen 6 % der Weltbevölkerung, sie stellen 30 % des
Weltsozialproduktes, sie stellen 20 % aller regelmäßigen
internationalen Operationen durch die vereinten Nationen oder
andere eingesetzten Soldaten und Polizeikräfte, sie stellen 40 %
des Budgets der vereinten Nationen, 50 % der
Programmbudgets der vereinten Nationen, über 60 % der
Soldaten in Bosnien oder in Mazedonien, über 80 %,
Entschuldigung, Kosovo und in Bosnien, über 80 % der Soldaten
in Mazedonien, und fast alle Soldaten der International Security
Assistance Force in Afghanistan.
Wenn es eine europäische Schwäche gibt, und es gibt sie, dann
hat sie mit der mangelnden, politischen Entschlossenheit der
Europäer zu tun, ihre Streitkräfte besser zu harmonisieren, ihre
finanziellen Kräfte besser zu poolen und ihre Ausrüstung besser
zu standardisieren und auf diese Weise einen effizienteren und
ökonomischen Gebrauch von ihren finanziellen Recourcen zu
machen. Insofern ist das viel beschriebenen Technology-Gap die
Frucht von zwei schwierigen Entwicklungen. Mangelnde Fähigkeit
und mangelnde Bereitschaft der Europäer zum Investment unter
vernünftigen Bedingungen und oft genug auch mangelnde
Bereitschaft unserer amerikanischen Freunde, transatlantische
Projekte zu identifizieren, sie gemeinsam zu verwirklichen und
den dafür notwendigen Technologietransfer auf der Grundlage
gemeinsamer Technologieentwicklung zu organisieren.
Wir müssen auf beiden Seiten des Atlantik an der jeweils
eigenen Ursache des Problems etwas tun, und auch die
Tatsache, dass in Deutschland mittlerweile 30 % mehr in die
militärische Ausrüstung organisiert wird, die Truppen mobiler
gemacht werden, Spezial-Forces, spezielle Operationen,
Luftbewegliche Operationen und anderes schrittweise möglich
werden oder schon möglich sind, ändert an diesem
grundsätzlichen Zustand nichts. Ich will noch eine letzte
Bemerkung machen, warum mir der transatlantische Verbund in
dem Sinne, den George Robertson geschildert hat auch mit Blick
auf eine intensivere Zusammenarbeit mit Russland und anderen
Staaten völlig unverzichtbar erscheint. Wir sollten uns auf
beiden Seiten des Atlantik keine Illusion machen. Zusammen
stellen wir 15 % der Weltbevölkerung. Wir reden immer von
einer globalisierten Welt. Wenn wir unsere Interessen und
unsere Werte, unsere Integration, unsere Multinationalität nicht
aufrecht erhalten, dann schwächen wir unsere eigene Kraft, aber
wir tun noch etwas anderes, was ganz gefährlich ist. Wir
gefährden das Beispiel, dass die europäische Integration dass
der transatlantische Verbund das die NATO für die Welt geben
kann.
Wir werden niemals mit unseren Kräften in der Lage sein,
weltweite Sicherheit und weltweite Stabilität alleine zu
garantieren. Wir brauchen dafür Partner im transatlantischen
Verbund und in einem globalen Rahmen. Wir müssen ein
Interesse daran haben, dass regionale Sicherheitsstrukturen in
anderen Teilen der Welt gestärkt werden. Oder glaubt jemand
im Ernst, wir würden mit unseren Kräften auf der Grundlage der
Entscheidungsmechanismen der Fähigkeiten demokratischer
Gesellschaften alleine in der Lage sein, die weltweiten Konflikte
zu beherrschen, wenn wir dafür nicht Partner finden und wenn
wir nicht in der Lage sind, mit unserem eigenen Beispiel zu
motivieren, dass regionale Sicherheit in einer multipolaren Welt
von denen in die Hand genommen wird, die zurzeit eher für
instabile Regionen stehen, ganz egal wo, ob dass das südliche
Amerika, das südliche Afrika, der Nahe Osten oder anderes ist.
Wenn es nicht gelingt, auch mit dem eigenen europäischen und
transatlantischen Beispiel dafür zu werben, dass internationale
Sicherheit und ihre Organisationen und regionale Kooperation
und Kooperationen zwischen den Regionen der Erde gestärkt
werden, dann werden wir uns auf Dauer einer eher instabilen
Welt gegenüber sehen. Also, wir unterstützen völlig
uneingeschränkt und sehr konsequent als Europäer und auch als
Bundesrepublik Deutschland den Kampf gegen den
internationalen Terrorismus. Wir dürfen aber dabei nicht
übersehen, und wir wollen auch nicht übersehen, dass noch viel
mehr zu tun ist. In der Stärkung regionaler Kooperation, in der
Stärkung regionaler Sicherheit, in der Begrenzung von
Massenvernichtungswaffen in der Verifikation die konsequent
sein muss und vieles, was in diesem Zusammenhang erwählt
wird. Meine Damen und Herren, wenn ich mich erinnere, was wir
so hier an Entwicklung in München bisher diskutiert haben, dann
will ich diese nüchternen und eher ergänzenden Bemerkungen,
dass ist ja nicht mein Ehrgeiz jetzt hier noch eine dritte
systematische Rede zu halten, sondern ein paar ergänzende
Bemerkungen zu machen.
Ich denke, wenn wir klug beraten sind, die aktuellen Gefahren im
Lichte langfristiger Entwicklung zu betrachten und die
Entschlossenheit zu stärken, auf allen Seiten der
Herausforderung das zu tun, was demokratische Gesellschaften
auszeichnet, nämlich gemeinsam, entschlossen und mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln für eine friedliche und sichere Welt
einzutreten und dafür Partner zu entwickeln und aufzubauen
und sie zu unterstützen wo sie Unterstützung brauchen. Vielen
Dank.
Zu anderen Berichten von der Sicherheitskonferenz
Zurück zur Homepage