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Sicherer Luftkrieg

Der Leiter der Münchner "Sicherheitskonferenz" macht sich für die Anschaffung von bewaffneten Drohnen stark und kritisiert das "Kampftruppen-Tabu" für Mali

Von Sevim Dagdelen *

Im Bayerischen Hof in München beginnt heute die sogenannte Sicherheitskonferenz. Es ist die 49. ihrer Art. Das Stelldichein der Eliten aus Militär, Politik und Wirtschaft wird sich in diesem Jahr wohl vor allem mit Syrien, Iran und Mali befassen. Im Vorfeld der Versammlung hat sich deren Leiter, Wolfgang Ischinger, aber auch in die Diskussion über die Ausstattung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen eingeschaltet. Es wäre »ganz fahrlässig«, sich »solchen Technologien« zu »verschließen«, meinte er im Interview gegenüber dem SWR. Dabei versuchte Ischinger die Anschaffung von Drohnen von der Praxis gezielter Tötungen zu trennen: »Ob es zulässig sein kann, durch den Einsatz von Drohnen Zivilisten in Pakistan, in Afghanistan sozusagen umzubringen« bezeichnete er als »umstrittene Frage«. Kurz zuvor schwärmte er noch von der Drohnenkriegführung, bei der es möglich sei, »den militärischen Auftrag auch in einer Weise auszuführen, der mit sehr viel größerer Sicherheit als eine klassische direkte Konfrontation zwischen zwei Heeren oder zwei Armeen« verbunden sei. Gemeint ist dabei natürlich nur die Sicherheit »unserer« Soldaten, da »der Soldat weit entfernt sitzt und nur das Gerät sozusagen in den Kampf geschickt wird«.

Welche »militärischen Aufträge« sind hierbei gemeint? Keine zwei Wochen ist es her, daß innerhalb weniger Stunden Bundeswehrsoldaten in die Türkei und nach Mali abgereist sind. In beiden Fällen wird der Einsatz begründet mit der »Solidarität« mit NATO-Partnern, die zuvor alleine vorgeprescht sind und Konflikte in ihrem Nachbarland (Syrien) bzw. ihrer ehemaligen Kolonie (Mali) militärisch eskaliert haben. Auch das Engagement in Afghanistan, wo die Bundeswehr – ebenso wie seit Jahren im Kosovo – längst unbewaffnete Drohnen einsetzt, begründete Ischinger mit der Bündnissolidarität: Deutschland dürfe »ein Scheitern der Mission« und damit »eine Schwächung der NATO nicht zulassen«. Das gilt natürlich besonders für die »europäische Zentralmacht«, als die Ischinger Deutschland darzustellen versucht.

Neben der Bündnissolidarität werden die Militäreinsätze fast immer auch mit deutschen »Sicherheitsinteressen« begründet. Die sieht die Bundesregierung bereits seit Jahren etwa am Golf von Aden berührt, weshalb sie Soldaten dorthin entsandt hat, mittlerweile auch das Festland von Somalia unter Beschuß nehmen – ohne daß dies hierzulande überhaupt berichtet oder diskutiert würde.

In Mali hat die Bundesregierung den Einsatz von Kampftruppen vorerst ausgeschlossen. Selbst dieses vermeintliche »Kampftruppen-Tabu« hat Ischinger scharf kritisiert, gegen den Einsatz deutscher Kampfdrohnen hätten vermutlich weder er noch die Bundesregierung etwas einzuwenden. So haben sich schließlich auch die USA aus dem Dilemma zwischen Kriegsmüdigkeit an der Heimatfront, Skepsis gegenüber den Erfolgsaussichten und Bündnissolidarität im Sahel gerettet. Washington will nun Drohnen – »zunächst« nur zu Aufklärungszwecken – in die Region verlegen und hierfür eine – natürlich dauerhafte – Basis in Niger oder Burkina Faso einrichten. Über eine solche Drohnenbasis verfügen die USA bereits in Djibouti. Man kann davon ausgehen, daß sich der nun von Frankreich eskalierte »Krieg gegen den Terror« in Mali auf das gesamte Gebiet zwischen der Westsahara, der Elfenbeinküste und dem Horn von Afrika erstrecken wird. Die von den USA und von Frankreich gelieferten Waffen im Libyen-Krieg sind schließlich nicht nur nach Mali, sondern auch in den Niger, den Tschad und die Zentralafrikanische Republik gelangt. Gerade der Einsatz von Drohnen kann eine solche regionale Ausweitung beschleunigen, wie es ja auch in Afghanistan und Pakistan – aus Sicht der Drohnenkrieger als »AfPak-Region« bezeichnet – der Fall ist. Kleine Aufklärungsdrohnen haben die USA auch Uganda zur Verfügung gestellt, um »in allen angrenzenden Ländern« Jagd auf die Kämpfer aus Joseph Konys LRA-Truppe machen zu können.

Insofern ist die von Kritikern der Drohnenkriegsführung befürchtete Entgrenzung der Kriegführung bereits jetzt in vollem Gange. Ischinger behauptet, er könne »die Sorge und Kritik an der Drohne nur zu einem geringen Teil verstehen«, und fordert, den Parlamentsvorbehalt dahingehend anzupassen, daß »Deutschland im Fall des Falles handlungsfähig« ist. Somit deutet sich mittelfristig parallel zur Diskussion über die Anschaffung von Kampfdrohnen auch in Deutschland eine hiermit zusammenhängende Entwicklung an, die mittlerweile in den USA auf zunehmende Kritik stößt: Daß nämlich die Drohnenkriegführung die Exekutive zu Lasten der Parlamente und der Öffentlichkeit stärkt.

* Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen ist Sprecherin der Fraktion Die Linke für Internationale Beziehungen und Mitglied im Auswärtigen Ausschuß.

Aus: junge Welt, Freitag, 1. Februar 2013



Staat sponsert Krieger

Bundeswehr bei Münchner »Sicherheitskonferenz« mit 330 Soldaten im Einsatz. Die sollen sich als Dolmetscher, Sanitäter und in der Onlineredaktion betätigen

Von Ulla Jelpke **


Auch in diesem Jahr unterstützt die Bundesregierung die am Freitag beginnende sogenannte 49. Münchner Sicherheitskonferenz mit Bundesmitteln in Höhe von fast einer Millionen Euro. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Demnach werden wie schon in den letzten Jahren 330 Soldaten der Bundeswehr zur Unterstützung der von privaten Rüstungslobbyisten veranstalteten Konferenz »im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung« eingesetzt. Zu den Hauptsponsoren der vom ehemaligen Diplomaten Wolfgang Ischinger geleiteten Veranstaltung gehören u.a. der Gaserzeuger Linde AG, der Autobauer BMW, der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann und die Deutsche Telekom.

Die Soldaten sollen in den Bereichen Aufbau, Betreuung und Transport von Delegationen, als Dolmetscher und Sanitäter, beim Betrieb des Medienzentrums und der Onlineredaktion zum Einsatz kommen. Hoheitliche Zwangs- und Eingriffsbefugnisse haben die Soldaten und Feldjäger nicht, sie dürfen lediglich zur Eigensicherung tätig werden.

An Personalkosten fallen nach Schätzung der Bundesregierung wie im Vorjahr 551000 Euro an. Dazu kommen 50000 Euro an Sachausgaben. Aus dem Haushalt des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung wird die Konferenz zudem mit Mitteln der »Projektförderung« in Höhe von 350000 Euro gesponsert. Gerechtfertigt wird diese Unterstützung einer Privatveranstaltung mit denm Verweis auf ein »herausgehobenes Interesse der Bundesregierung« an der Sicherheitskonferenz, die »seit Jahrzehnten ein zentraler Ort des transatlantischen Meinungsaustausches und eine der bedeutendsten sicherheitspolitischen Konferenzen weltweit« sei. Die »spezifische Ausgestaltung der Konferenz während eines Wochenendes in einem als Begegnungs- und Tagungsstätte hergerichteten Gebäude ermöglicht einen offenen und vertrauensvollen Austausch«, lobt die Regierung das Klima im Tagungshotel Bayerischer Hof. Um dieses wird eine von 3400 Polizisten geschützte Sperrzone errichtet. Besser drücken es Kriegsgegner, die zu lautstarken Protesten gegen die Konferenz aufrufen, mit den Worten aus: »Der Krieg beginnt hier – vor unserer Haustüre, wo Rüstungsunternehmen produzieren und ihre Profite machen.«

** Aus: junge Welt, Freitag, 1. Februar 2013


Krisenherde bestimmen die Agenda

Fast eine Million Euro Steuergelder fürs private Strategietreffen von Politik, Militär und Rüstung

Von Olaf Standke ***


USA-Vizepräsident Joe Biden hat am Freitag bei einem Kurzbesuch in Berlin vor seiner Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz die Bedeutung der Partnerschaft mit Europa hervorgehoben.

Zumindest eines haben die anstehende Berlinale, die internationalen Berliner Filmfestspiele, und die gestern eröffnete Siko, die Münchener Sicherheitskonferenz, gemeinsam: Sie brauchen Gaststars, um die mediale Aufmerksamkeit zu erhöhen. An der Isar soll in diesem Jahr dafür der USA-Vizepräsident sorgen. Der Auftritt von Joe Biden gilt als außenpolitischer Auftakt für die zweite Amtszeit von Präsident Barack Obama, hatte aber bei einem Treffen mit Angela Merkel im Berliner Kanzleramt ein Vorspiel. Beide bekannten sich zur engen Partnerschaft zwischen Europa und den USA, wobei Merkel große Hoffnungen auf ein Freihandelsabkommen zwischen den größten Wirtschaftsräumen der Welt setzt und auf eine gemeinsame Regulierung der internationalen Finanzmärkte hofft.

Am heutigen Sonnabend ist Biden der prominenteste Gast in einer hochrangig besetzten Runde in München mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Mit seinem Besuch unmittelbar nach der erneuten Inauguration Obamas wolle das Weiße Haus vor allem zeigen, dass ungeachtet der propagierten verstärkten Hinwendung nach Asien »Europa nach wie vor der zentral wichtigste Partner der USA ist«, glaubt Siko-Chef Wolfgang Ischinger. Nach der Nominierung des neuen außen- und sicherheitspolitischen Teams erwartet er nun wichtige politische Impulse aus Washington. Große Reden habe der Präsident schon genügend gehalten, nur habe er die von ihm selbst geweckten Erwartungen dann nicht erfüllen können. Angesichts der angespannten Haushaltslage in den USA ist allerdings auch wahrscheinlich, dass Biden die NATO-Partner zu einem stärkeren Engagement im Bündnis, sprich höheren Militärausgaben auffordern wird.

Zum Konferenzauftakt nach der Eröffnung durch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière am Freitagnachmittag gab es u.a. eine Debatte über Energiepolitik mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger, Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain und dem Aufsichtsratschef des Ölkonzerns Shell, Jorma Ollila. Weil die USA künftig durch neue Verfahren mehr Öl und Gas im eigenen Land fördern könnten, erwartet Ischinger bei sinkender Abhängigkeit der USA von Rohstoff-Importen Auswirkungen auf die Sicherheitslage etwa am Persischen Golf.

Geostrategische Interessen prägen auch die Entwicklung in den Krisen- und Kriegsgebieten Mail und Syrien, die wie der Dauerstreit um Teherans Nuklearprogramm die Diskussionen auf dem Konferenzpodium sowie am Rande der Sicherheitskonferenz prägen dürften. So werden der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi, der Präsident des Syrischen Nationalrates, Moaz al Khatib, sowie der Chef der Menschenrechtgruppe Human Rights Watch, Ken Roth, Optionen für eine Beendigung der Kämpfe in Syrien erörtern. Man darf nach den jüngsten Luftangriffen gespannt sein, wie kritisch die Fragen an Israels Verteidigungsminister Ehud Barack ausfallen.

In diesem Zusammenhang dürfte auch das geplante Vier-Augen-Gespräch Bidens mit Moskaus Außenminister Lawrow interessant werden. Ischinger ist sich sicher, dass es mit Blick auf den syrischen Bürgerkrieg ohne ein verbessertes amerikanisch-russisches Verhältnis keine Fortschritte geben werde. Ähnlich verhält es sich mit dem iranischen Atomprogramm. Hier erhöhten die USA jetzt den Druck auf Teheran. Der designierte Pentagon-Chef Chuck Hagel hat bei seiner Anhörung im Senat deutlich gemacht, dass man Iran mit allen Mitteln, auch militärischen, daran hindern wolle, eine Atombombe zu bauen. Das nennt man dann wohl eine Kriegsdrohung.

Aber auch auf anderen Feldern brachte die erste Amtszeit von Obama aus Moskauer Sicht zu wenig Ertrag. Vor allem im Streit um das Raketenabwehrsystem, das die NATO unter Washingtoner Führung installiert, gibt es seit Monaten keine Bewegung. Russland fühlt sich von den Plänen bedroht und verlangt stärkere Mitsprache, nachdem auf dem Lissaboner Gipfel der Allianz 2010 eigentlich eine Zusammenarbeit vereinbart worden war. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen START-Vertrages über die Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen fehlen zudem bei der atomaren Abrüstung Fortschritte.

Abrüstungsbefürworter der Kampagne »atomwaffenfrei.jetzt« haben Bundesaußenminister Westerwelle jetzt in einem Offenen Brief aufgefordert, sich in München für einen Abzug der US-amerikanischen Kernwaffen aus Deutschland einzusetzen. Zudem solle er die Modernisierung der in Europa stationierten, nicht-strategischen B61-Nuklearwaffen thematisieren. Denn damit mutiere eine taktische zur strategischen Waffe, aus einer »dummen«, frei fallenden Atombombe werde eine zielgesteuerte Präzisionswaffe - was sich negativ auf die Verhandlungen mit Russland über die Transparenz seiner taktischen Atomwaffen auswirken werde.

Rekorde im »Bayrischen Hof«

Über 400 Teilnehmer aus rund 90 Ländern - so viele wie noch nie - werden in diesem Jahr zur Sicherheitskonferenz in München erwartet, darunter mehr als 70 Regierungsdelegationen. Die Siko gilt als international größtes Treffen von Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen. Da hier keine Dokumente verabschiedet und Beschlüsse gefasst werden müssen, kann über viele Fragen vergleichsweise offen diskutiert werden, was oft auch in den Hinterzimmern des Hotels »Bayrischer Hof« geschieht.

Die Bundesregierung sponsert diese private Veranstaltung großzügig mit Steuergeldern, 2013 sind es fast eine Million Euro. Rund 330 Soldaten der Bundeswehr werden die Konferenz beim Aufbau, beim Transport von Delegationen, als Dolmetscher und Sanitäter, beim Betrieb des Medienzentrums und der Onlineredaktion unterstützen. 3400 Polizisten sollen das Tagungshotel weiträumig absperren sowie in und um München die Straßen kontrollieren. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Zusammenstößen mit protestierenden Konferenzgegnern und Friedensaktivisten.

Das Treffen wurde 1962 von dem Verleger Ewald von Kleist ins Leben gerufen. Er wollte mit einer »Wehrkundetagung« den sicherheitspolitischen Austausch zwischen Europa und den USA fördern. Nach Ende des Kalten Krieges wurde sie in »Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik« umbenannt. Sta

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 02. Februar 2013


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