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"Die Fähigkeit, es zur gleichen Zeit mit mehr als einem Gegner aufnehmen zu können, ist unverzichtbar"

Die Reden des US Verteidigungsministers und der US Außenministerin bei der Münchner "Sicherheitskonferenz" im Wortlaut (deutsch)


Im Folgenden dokumentieren wir die Reden von US-Verteidigungsminister Leon Panetta und US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton bei der 48. Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof vom 4. Februar 2012. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst.

Verteidigungsminister Panetta:

Vielen herzlichen Dank für die nette Einführung, Wolfgang. Es ist eine außerordentliche Ehre für mich, mit so vielen herausragenden Führungspersönlichkeiten aus Europa, den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt hier in München zu sein. Als Sohn italienischer Einwanderer bin ich immer wieder stolz, zu meinen Wurzeln in Europa zurückkehren zu dürfen.

Ich freue mich besonders, mit Außenministerin Clinton hier zu sein, die schon so oft auf dieser Bühne stand und mit unseren europäischen Verbündeten und Partnern unermüdlich an der Stärkung der internationalen Sicherheit arbeitet.

Heute möchte ich darüber sprechen, wie wir in den Vereinigten Staaten unsere Beziehungen zu Europa vor dem Hintergrund der neuen Verteidigungsstrategie sehen, die das US-Verteidigungsministerium vorigen Monat veröffentlicht hat. Der Grund für die Entwicklung dieser neuen Strategie ist einleuchtend. Nach zehn Jahren Krieg und nach zehn Jahren maßgeblichen Wachstums des Verteidigungshaushalts befinden wir uns an einem strategischen Wendepunkt. Wie die meisten Länder auf diesem Kontinent auch, sehen sich die Vereinigten Staaten mit einer Haushaltskrise konfrontiert, die zu einer vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Kürzung des Verteidigungshaushalts um 487 Milliarden US-Dollar während der nächsten zehn Jahren geführt hat.

So schwer und hart diese Einsparungen auch sein mögen, so sehen wir sie doch auch als eine Chance, die US-Streitkräfte neu zu gestalten, da wir sie nicht nur heute brauchen, sondern auch in der Zukunft. Mit der Umsetzung dieser neuen Strategie gewährleisten wir, dass die amerikanischen Streitkräfte weiter die stärksten auf der Welt bleiben und voll und ganz in der Lage sind, die Interessen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu verteidigen.

Wir wollen die Fehler, die in der Vergangenheit bei Kürzungen gemacht wurden, nicht wiederholen, indem wir pauschal vorgehen und die Streitkräfte aushöhlen. Anders als in der Vergangenheit, als die Bedrohungen, mit denen wir es zu tun hatten, zurückgingen, sehen wir uns heute immer noch einer Reihe von ernsten Bedrohungen auf der Welt gegenüber. In Afghanistan herrscht noch immer Krieg. Wir sind mit Terrorismus, der Weiterverbreitung von Kernwaffen in Nordkorea und Iran, Aufruhr im Nahen Osten, aufstrebenden Mächten und Cyber-Angriffen konfrontiert. Wir haben eine Strategie entwickelt, um mit diesen Bedrohungen umgehen zu können.

Ich möchte die Schlüsselelemente der neuen US-Verteidigungsstrategie zusammenfassen. Erstens wird das US-Militär verkleinert und gestrafft. Das wäre, offen gesagt, aufgrund des Abzugs, der momentan stattfindet, ohnehin geschehen. Aber wir wollten Streitkräfte, die beweglich und flexibel sind, schnell entsandt werden können und technologisch auf dem neuesten Stand sind. Sie müssen als Streitkräfte zukunftsweisend sein.

Zweitens werden wir unsere Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen Osten ausweiten, wo wir die größten Herausforderungen und Chancen für das 21. Jahrhundert sehen. Drittens werden wir in Europa und andernorts eine starke Präsenz beibehalten, indem wir in bestehende Bündnisse investieren und sie noch stärker machen, indem wir neue Partnerschaften bilden und neue, innovative Stationierungsformen auf Rotationsbasis entwickeln, die es uns ermöglichen, nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika und Lateinamerika präsent zu sein.

Viertens werden wir sicherstellen, dass wir an jedem Ort, jederzeit Angriffe von jedem Gegner rasch abwehren können. Die Fähigkeit, es zur gleichen Zeit mit mehr als einem Gegner aufnehmen zu können ist unverzichtbar, und unseres Erachtens haben wir die Streitkräfte so gestaltet, dass sie diese Fähigkeit besitzen.

Fünftens werden wir Schlüsselinvestitionen schützen und als Priorität behandeln – Investitionen in Technologie und neue Fähigkeiten, von Spezialkräften über Cybersysteme und unbemannten Missionen im Weltall bis hin zu unserer Fähigkeit, schnell aufzustocken, falls es erforderlich werden sollte. Das bedeutet, dass wir eine starke Nationalgarde, starke Reservekräfte und eine starke wirtschaftlich Basis aufrechterhalten müssen.

Für Europa ist die US-Verteidigungsstrategie eine Bestätigung der strategischen Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten. Obwohl sich unsere militärische Präsenz gemäß der strategischen Weisungen und den sich daraus ergebenden Haushaltsentscheidungen entwickeln wird, so bleibt sie in Europa doch größer als in jeder anderen Region der Welt. Das ist nicht nur deshalb so, weil Frieden und Wohlstand in Europa von entscheidender Bedeutung für die Vereinigten Staaten sind, sondern weil Europa unser Sicherheitspartner ist, unsere erste Wahl bei militärischen und diplomatischen Einsätzen auf der ganzen Welt. Das haben wir voriges Jahr in Libyen gesehen und sehen es jeden Tag in Afghanistan.

Unsere Erfahrung aus zehn Jahren Krieg lehrt uns, dass ein robustes und effektives Netzwerk von Bündnissen und Partnerschaften ein absolut unverzichtbarer Bestandteil dieser Strategie für die Zukunft des US-Militärs ist. Teil dieser Strategie ist also unser klares Bekenntnis zur Stärkung der transatlantischen Sicherheitspartnerschaften und -institutionen, einschließlich der NATO.

So sehr die Veränderung der haushaltspolitischen und strategischen Situation den Vereinigten Staaten die Möglichkeit zum Aufbau der Streitkräfte der Zukunft gegeben haben, so glaube ich auch, dass die heutigen strategischen und haushaltspoltischen Gegebenheiten der NATO die Gelegenheit bieten, das Bündnis aufzubauen, das wir im 21. Jahrhundert brauchen: Ein Bündnis, das als Kern eines sich erweiternden Netzwerks an Partnerschaften auf der Welt dient, die gemeinsame Sicherheitsziele unterstützen. Aber dieses Bündnis hat seine Wurzeln noch immer in den starken Verbindungen der transatlantischen Sicherheitszusammenarbeit und der kollektiven Verteidigung.

Ich möchte Ihnen gerne darlegen, wie wir die transatlantische Sicherheitszusammenarbeit stärken wollen, und was die europäischen Verbündeten und Partner von den Vereinigten Staaten und ihrer neuen Verteidigungsstrategie erwarten können. Erstens werden wir uns auf die dringlichsten Herausforderungen für die Sicherheit konzentrieren, indem wir als Reaktion auf die außerhalb Europas auftretenden Bedrohungen in die Raketenabwehrfähigkeiten Europas investieren.

Als Teil des European Phased Adaptive Approach und der Raketenabwehrfähigkeiten der NATO haben wir in der Türkei ein Radarsystem eingerichtet. Wir werden in Rumänien und Polen SM-3-Raketen stationieren. Und wir werden vier BMD-taugliche Schiffe – Schiffe mit dem der Raketenabwehr dienenden Aegis-Kampfsystem – in Rota in Spanien stationieren. Präsident Obama hat deutlich gemacht, dass sich die Vereinigten Staaten ausdrücklich für den Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa einsetzen. Die neue Verteidigungsstrategie und die Schwerpunkte unseres Haushalts spiegeln dieses Engagement wider.

Zweitens werden wir in gemeinsame Fähigkeiten investieren, die gewährleisten, dass die NATO das stärkste und fähigste Militärbündnis der Welt bleibt. Um die Mängel bei der Aufklärung und Nachrichtenüberwachung zu beheben, die zum Teil während des Libyen-Einsatzes ans Licht kamen, hat die NATO sich gestern auf die Finanzierung des neuen Bodenüberwachungssystems des Bündnisses (Alliance Ground Surveillance – AGS) geeinigt.

Ich möchte dem Generalsekretär und allen meinen Kollegen in der NATO für diese wichtige Entscheidung danken. Sie ist in vielerlei Hinsicht die Grundlage einer klugen Verteidigung. Aus diesem Grund haben wir in den Vereinigten Staaten die Finanzierung für das AGS in unserem neuen Verteidigungshaushalt eingeplant.

Die Sicherung entscheidender Fähigkeiten war ein Kernziel der Haushalts- und Strategieüberprüfung der Vereinigten Staaten. Es ist wichtig, dass wir ein starkes Zeichen setzen, dass wir hinter diesem System stehen und die NATO ihre zukunftsweisenden Fähigkeiten ausbaut.

Drittens werden wir innovativ vorgehen, um unsere Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit zu stärken, auch wenn wir die Zahl der US-Soldaten und ihrer Angehörigen, die dauerhaft in Europa stationiert sind, reduzieren werden. Wir werden zwei Brigaden in Europa belassen und zusätzlich mit der Stationierung der Raketenabwehr beginnen, die ich bereits beschrieben habe. Wir werden in Polen einen Luftwaffenverband einrichten und Schritte unternehmen, um die Reaktionsfähigkeit der Spezialkräfte in der Region zu verbessern.

Im Einklang mit der Reduzierung der Gesamttruppenstärke unserer Bodenstreitkräfte werden wir zwei schwere zurzeit in Europa stationierte Brigaden abziehen. Es handelt sich dabei um zwei Brigaden, die den Großteil ihrer Zeit in Kriegsgebieten und nicht hier verbracht haben. Wir haben diese Stammbrigaden für die Verlegung ausgewählt, da sie sich am schwersten an die vielschichtigen Herausforderungen anpassen können, mit denen wir konfrontiert sind und denen wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern werden stellen müssen.

Wir haben diese Entscheidung erst getroffen, nachdem wir sichergestellt haben, dass unser Einsatzkonzept nicht unsere Fähigkeit beeinträchtigen wird, unserem Bekenntnis zur Sicherheit Europas und unserer Verantwortung im Bündnisfall nachzukommen.

Heute kann ich ankündigen, dass die Vereinigten Staaten ein neues Bekenntnis zur Sicherheit ihrer NATO-Partner abgeben werden, indem sie ihren Beitrag zur multinationalen Eingreiftruppe der NATO (NATO Response Force - NRF) verstärken, die wir alle sehr wertschätzen. Die NRF wurde als bewegliche, schnell entsendbare multinationale Truppe geplant, die auf Krisen reagieren kann, wenn und wo es notwendig ist. Die Vereinigten Staaten hatten die NRF unterstützt, aber aufgrund der Beanspruchung durch die Kriege bisher keine nennenswerten Beiträge geleistet.

In den kommenden Monaten werden wir eine Brigade in den Vereinigten Staaten nennen, die US-Bodentruppen für die Reaktionskräfte stellen wird, und wir werden regelmäßig eine Task Force in Bataillonsgröße zu Übungen und zur Ausbildung nach Deutschland entsenden. Das bietet nicht nur neue Chancen für US-Truppen, an Ausbildung und Übungen mit europäischen Kollegen teilzunehmen, es wird auch dazu beitragen, dass die NATO weiterhin in der Lage ist, zur Verteidigung unserer gemeinsamen Interessen Einsätze im Ausland durchzuführen. Um aber das Ziel einer starken und beweglichen NRF vollständig zu verwirklichen, benötigen wir die Unterstützung anderer Bündnispartner.

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Schritte, insbesondere in einer Zeit von Sparmaßnahmen, für Europa ein Vertrauensvotum für die Zukunft des Bündnisses aus Washington bedeuten. Ich würde nun gerne darlegen, wie Europa einen ähnlichen Vertrauensbeweis erbringen könnte.

Erstens müssen wir alle weiter in die nationale Verteidigung, die gemeinsame Verantwortung und die Fähigkeiten der NATO investieren, damit wir für die Herausforderungen für unsere Sicherheit in Zukunft gut gerüstet sind. Konzepte wie Smart Defense sind uns behilflich, unsere Mittel klug einzusetzen sie können aber nicht als Entschuldigung für weitere Haushaltskürzungen dienen. Diesen Standpunkt habe ich in dieser Woche gegenüber meinen Kollegen bei der NATO vertreten und festgestellt, dass wir Smart Defense im Hinblick auf den Gipfel in Chicago als Teil eines längerfristigen Plans zur Investition in NATO-Truppen für das Jahr 2020 sehen sollten, die voll ausgebildet und voll ausgestattet sind, sodass sie auf jede Bedrohung reagieren und unsere gemeinsamen Interessen verteidigen können.

Zweitens ging aus meinen Treffen mit den NATO-Kollegen in der vergangenen Woche das erneute Bekenntnis hervor, die Arbeit in Afghanistan zu Ende zu bringen. Letztendlich läuft es auf Folgendes hinaus, wie der Außenminister sagte: gemeinsam rein, gemeinsam raus. Als Bündnis sind wir den Rahmenvorgaben von Lissabon und der Übergabe der Verantwortung an die Afghanen bis 2014 verpflichtet.

In unseren Gesprächen ging es auch darum, wie die ISAF von der Führungsrolle im Kampf zu einer unterstützenden, beratenden und helfenden Funktion übergehen kann, damit die afghanischen Sicherheitskräfte die Führung übernehmen können. Wir hoffen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte 2013 die Führung in ganz Afghanistan übernehmen können, und wir dann die letzten Phasen der Übergabe von Gebieten in afghanische Hände abschließen. Die ISAF bleibt natürlich voll und ganz einsatzfähig. Danach werden wir, wenn notwendig, den Afghanen im Kampf zur Seite stehen.

Wir machen Fortschritte in Afghanistan. Wie General Allen meinen NATO-Kollegen berichtete, geht die Gewalt zurück und die Aufständischen haben an Dynamik verloren. Der Übernahme von Verantwortung durch die Afghanen hat begonnen. Der zweite Bereich, der nun den Afghanen untersteht, sind die 50 Prozent der Bevölkerung, die jetzt unter afghanischer Kontrolle und afghanischem Schutz stehen.

Der Schlüssel zum Erfolg bei diesem Übergang liegt im dauerhaften Engagement der internationalen Gemeinschaft für die langfristige Entwicklung der Nationalen Sicherheitskräfte Afghanistans. Um die Sicherheit adäquat zu gewährleisten, benötigen sie ausreichende finanzielle Unterstützung, die den Zusagen entsprechen, die die internationale Gemeinschaft bei der Konferenz in Bonn im Dezember gemacht hat.

Ich weiß, wir stehen unter enormem Druck, die Unterstützung aufgrund der Haushaltszwänge, denen sich alle ISAF-Länder gegenübersehen, zu reduzieren. Wir werden daran arbeiten, Mittel und Wege zur Reduzierung der Kosten für die Nationalen Sicherheitskräfte Afghanistans zu finden, aber wir dürfen nicht hinter unsere Zusagen zurückfallen. Wir dürfen die Sicherheit, die die afghanische Armee jetzt und in Zukunft gewährleisten muss, nicht gefährden. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass andere Länder die Löcher stopfen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Truppen zu unterstützen.

In über zehn Jahren Krieg von den Bergen Afghanistans bis zu den Küsten Tripolis‘ hat dieses Bündnis bewiesen, wie wichtig es in Fragen der Sicherheit im 21. Jahrhundert ist. Wir sind in vielerlei Hinsicht der Vision einer atlantischen Gemeinschaft näher gekommen, wie sie Präsident John F. Kennedy im Jahr der ersten Münchner Sicherheitskonferenz vor fast 50 Jahren beschrieb.

1962 stellte Präsident Kennedy sich vor, dass die Vereinigten Staaten eines Tages „auf der Grundlage vollständiger Gleichberechtigung bei allen großen und schwierigen Aufgaben beim Aufbau und der Verteidigung einer freien Staatengemeinschaft“ eine Partnerschaft mit einem erneuerten Europa eingehen könnten.

Wir sind dieser Vision näher als je zuvor. Aber um sie umzusetzen, müssen wir die großen und notwendigen Bewährungsproben des 21. Jahrhunderts gemeinsam bestehen. Wir müssen aus unseren gemeinsamen Werten, unseren gemeinsamen Interessen und unserem gemeinsamen Ziel, eine bessere und sicherere Welt zu gestalten und unseren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, Stärke ziehen. Das ist unser Traum. Und es ist auch unsere Aufgabe.

Vielen herzlichen Dank.

Außenministerin Hillary Clinton:

Vielen herzlichen Dank. Das ist das erste Mal, dass Verteidigungsminister Panetta und ich gemeinsam hier sind. Aber ich glaube, dass dies deutlich zeigt, wie wichtig uns diese Konferenz ist, Wolfgang, und wie wichtig auch dieses Bündnis ist, das während der vergangenen 50 Jahre so stark geworden ist. Es ist mir auch persönlich eine große Freude, wieder mit so vielen Kollegen und Freunden in München sein zu können. Ich möchte einem von ihnen für seine wichtigen Worte danken: meinem Freund, Außenminister Guido Westerwelle. Und ich möchte auch Sam Nunn und Igor Iwanow für ihre Präsentation zur Euroatlantische Sicherheitsinitiative danken, die meiner Meinung nach großes Potenzial für uns alle birgt, wenn wir ihren Inhalt beherzigen.

Diese Zusammenkunft, die – wie Leon bereits gesagt hat – in der Hochphase des Kalten Krieges ins Leben gerufen wurde, ist zu einem wichtigen Symbol für unser Engagement geworden, als transatlantische Gemeinschaft zusammenzustehen. Wir kommen nicht nur jedes Jahr nach München, um unsere gemeinsamen Werte, unsere gemeinsame Sicherheit und unseren gemeinsamen Wohlstand zu fördern, sondern auch, Bilanz zu ziehen was unsere Bemühungen zur Schaffung einer Einheit unter uns angeht. Darüber hinaus wollen wir auch auf die globale Sicherheitslage blicken. Der Aufruf dazu ist genauso wichtig wie vor 50 Jahren.

Ich habe alles darüber gehört, wo Europa in der globalen Ausrichtung der Vereinigten Staaten angesiedelt ist. Ich habe auch einige der Bedenken vernommen, die geäußert wurden. Die Realität aber könnte nicht deutlicher sein. Europa ist und bleibt die erste Wahl als Partner der Vereinigten Staaten. In meiner Position als Außenministerin habe ich Europa 27 Mal bereist. Präsident Obama hat Europa zehn Mal besucht. Wo auch immer die Vereinigten Staaten daran arbeiten, die Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern, Krankheiten zu bekämpfen oder Länder auf dem schwierigen Weg von Diktatur zu Demokratie zu begleiten, stehen wir Seite an Seite mit unseren europäischen Freunden.

Ich würde in der Tat so weit gehen zu sagen, dass die transatlantische Gemeinschaft niemals zuvor enger zusammengearbeitet hat, um die Herausforderungen einer vielschichtigen, gefährlichen und sich schnell verändernden Welt zu bewältigen. Ausmaß und Tiefe unserer Zusammenarbeit sind bemerkenswert. Sie wissen, wovon ich spreche. In Libyen sind die Bündnispartner der NATO gemeinsam mit arabischen und anderen Partnern vorgegangen, um eine Katastrophe zu verhindern und die libysche Bevölkerung zu unterstützen. In Afghanistan haben unsere Truppen gemeinsam mit den fast 40.000 europäischen Soldaten vor Ort den größten NATO-Einsatz im Ausland begonnen und weitergeführt. Wir werden die Afghanen weiterhin dabei unterstützen, bis Ende 2014 selbst die vollständige Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen.

Da der Iran seinen Verpflichtungen auch weiterhin nicht nachkommt, haben die Vereinigten Staaten, Europa und andere Partner die bisher schärfsten Sanktionen gegen den Iran durchgesetzt. Außerdem unternehmen wir derzeit diplomatische Bemühungen im Rahmen der EU-3+3, da Europa für beide Teile dieser zweigleisigen Strategie unerlässlich ist. Europa und die Vereinigten Staaten stehen auch Seite an Seite angesichts des Tyrannen, der in Damaskus brutal gegen sein Volk vorgeht. Gemeinsam mit der Arabischen Liga fordern wir ein Ende des Blutvergießens und eine demokratischen Zukunft für Syrien. Wir haben die Hoffnung, dass der Sicherheitsrat um 10.00 Uhr Ostküstenzeit (GMT-5) den Willen der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck bringen wird.

Wie Minister Panetta bereits klargemacht hat, ist unser Engagement für die europäische Verteidigung genauso tiefgehend und dauerhaft wie unsere Diplomatie. Beim diesjährigen NATO Gipfel in Chicago werden wir unser Bündnis auf den neuesten Stand bringen, um es für das 21. Jahrhundert stark zu machen. Wenn Präsident Obama also sagt, dass „Europa der Eckpfeiler unseres weltweiten Engagements bleibt“, dann sind das nicht nur beschwichtigende Worte. Es ist die Wahrheit.

Die heutige transatlantische Gemeinschaft ist nicht nur eine wichtige Errungenschaft eines vergangenen Jahrhunderts. Sie ist für die Welt, die wir im kommenden Jahrhundert gemeinsam aufzubauen hoffen, unerlässlich. Hier in München reicht es nicht aus, unser bestehendes Engagement zu bestätigen. Die Welt um uns herum verändert sich sehr schnell. Europa und die Vereinigten Staaten brauchen daher eine zukunftsweisende Agenda, um die Herausforderungen, die vor uns liegen, zu meistern. Lassen Sie mich kurz fünf bestimmte Bereiche ansprechen, die größere gemeinsame Bemühungen erfordern.

Erstens müssen wir das, was unsere Vorgänger begonnen haben, zu Ende führen, und ein sicheres, geeintes und demokratisches Europa aufbauen. Der ICI-Bericht enthält einige sehr detaillierte Schritte, die wir zusammen unternehmen könnten. Vom ersten Tag dieser Regierung an haben wir eng zusammengearbeitet, um die strategischen Beziehungen zu Russland zu verändern, während wir gleichzeitig zu unseren Prinzipien und Freunden standen. Diese Herangehensweise bringt uns Ergebnisse, aber wir müssen weiter an deren Nachhaltigkeit arbeiten. Dies ist nicht der einzige Bereich innerhalb unserer Gemeinschaft, in dem wir Misstrauen abbauen müssen. Solange große Konflikte in Osteuropa, auf dem Balkan, im Kaukasus und im Mittelmeerraum ungelöst bleiben, so lange bleibt auch Europa unvollständig und unsicher. Trotz der schwierigen globalen Agenda dürfen wir die Probleme Zuhause nicht aus den Augen verlieren.

Ich möchte das Wort „Vertrauen“ hier besonders betonen. Wir haben es von Igor Iwanow und Guido Westerwelle gehört, und ich denke, dass es eine Wiederholung wert ist. Wir müssen noch mehr tun, um Vertrauen zwischen uns aufzubauen und Misstrauen unter uns abzubauen. Dies wird eines unserer strategischen Ziele sein, wenn wir die vor uns liegenden Themen erfolgreich angehen wollen.

Zweitens sind Wohlstand und Sicherheit letztlich untrennbar miteinander verbunden, da die Stärke unseres Bündnisses von der Stärke unserer Volkswirtschaften abhängt. Das bedeutet, dass wir eine gemeinsame Agenda für wirtschaftliche Erholung und Wachstum brauchen, die genauso zwingend ist wie unsere globale Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit. Wir wissen, dass die derzeitige Finanzkrise die dringlichste wirtschaftliche Priorität Europas ist. Wie Sie vielleicht wissen, müssen wir in den Vereinigten Staaten selbst eine Krise bewältigen. Auch wenn wir gelegentlich gute Nachrichten erhalten, wie beispielsweise gestern die Arbeitsmarktzahlen und den Rückgang der Arbeitslosigkeit, wissen wir, dass wir auch noch einen weiten Weg vor uns haben. Wir sind aber voller Vertrauen, dass Europa den Willen und die Mittel hat, nicht nur die Schulden zu reduzieren und die notwendigen Schutzwälle zu errichten, sondern auch, um Wachstum zu erzeugen, Liquidität zu schaffen und das Vertrauen in die Märkte wiederherzustellen.

Während Europa also diese Wirtschaftskrise hinter sich bringt, müssen wir stärker daran arbeiten, die Erholung des jeweils anderen voranzubringen. Unsere Wirtschaftsbeziehungen gehen sehr tief, aber wir haben ihr Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft. Ich spreche häufig über wirtschaftspolitische Staatskunst, da wir meines Erachtens nicht über das sprechen können, was wir im 21. Jahrhundert tun müssen, ohne zu erkennen, dass unsere Wirtschaftsstärke allem zugrunde liegt, was wir tun können, um unsere Werte zu fördern, unsere Interessen zu schützen, und eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die auch in Zukunft Stabilität bringen wird. Die neue hochrangige Gruppe der Vereinigten Staaten und der EU zu Arbeitsplätzen und Wachstum, die von Präsident Obama und seinen europäischen Amtskollegen ins Leben gerufen wurde, sollte bei unseren Bemühungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen an erster Stelle stehen.

Europa und die Vereinigten Staaten können und sollten auch mehr miteinander und mit anderen Ländern handeln. Das bedeutet, dass wir uns auch auf die Förderung wirtschaftlicher Werte konzentrieren müssen. Viel zu oft wirken sich unfaire Praktiken für amerikanische und europäische Unternehmen zum Nachteil aus: Bevorzugung staatlicher Unternehmen, Handelsbarrieren, die an der Grenze auftreten, Beschränkungen von Investitionen und der überhand nehmende Diebstahl geistigen Eigentums. Europa und die Vereinigten Staaten müssen darauf bestehen, dass alle Nationen die Regeln achten, die fairen Wettbewerb und Zugang zu den Märkten sicherstellen. Vor allem müssen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass unsere Investitionen in globale Führungsstärke nicht der Grund für unsere finanziellen Probleme sind. Ein Rückzug von der internationalen Bühne ist nicht die Lösung.

Drittens müssen wir in einer Zeit knapper Kassen sicherstellen, dass unser Sicherheitsbündnis flexibel, effizient und stark ist. Generalsekretär Rasmussen nennt dies Smart Defense: Die gemeinsame Einrichtung einer Raketenabwehr, das gemeinsam finanzierte Bodenüberwachungssystem, die NATO-Mission Air Policing Baltikum und die gestärkte NATO-Eingreiftruppe. So kann Sicherheit praktisch gewährleistet werden, während die Kosten für die einzelnen Länder gering gehalten werden.

Wir müssen aber auch unsere Zusammenarbeit mit Partnern wie Schweden, Japan, Australien, den Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga und anderen ausbauen. Wir werden uns in Chicago darauf konzentrieren, dass die NATO ein Knotenpunkt im globalen Sicherheitsnetzwerk der bereiten und fähigen Nationen bleibt, die mit uns zusammenarbeiten wollen.

Viertens sind unsere gemeinsamen Werte die Grundlage unserer Gemeinschaft. Für diese Werte müssen wir uns auf der ganzen Welt gemeinsam nachdrücklich einsetzen, besonders in dieser Zeit großer politischer Umwälzungen. Wir haben alle ein großes Interesse daran, einen erfolgreichen Übergang zu stabilen Demokratien im Nahen Osten zu erreichen. Wir werden die Deauville-Partnerschaft zu einer Priorität der G8-Präsidentschaft der Vereinigten Staaten dieses Jahr machen. Wir werden eine ehrgeizige Agenda zur Förderung politischer und wirtschaftlicher Reformen, von Handel und Investitionen, regionaler Integration und Unternehmertum aufstellen, damit die Menschen die bessere Zukunft für sich gestalten können, für die sie so viel riskiert haben.

Genauso wie sich die Dynamik, die hinter dem Arabischen Frühling steckte, auf den Nahen Osten ausgebreitet hat, sollten das auch unsere Bemühungen tun. Wir müssen dabei helfen, die demokratischen Errungenschaften in Ländern wie der Elfenbeinküste oder in Kirgisien zu festigen und die demokratischen Entwicklungen in Burma und anderen Ländern, in denen die Menschen ihrer Rechte und Freiheiten beraubt werden, weiter voranbringen. Im Rahmen der OSZE, der Gemeinschaft der Demokratien und auch in weiteren Foren müssen wir alle Werkzeuge, die wir zur Förderung unserer Werte und Ziele zur Verfügung haben, miteinander verbinden.

Europa und die Vereinigten Staaten haben die modernsten Werkzeuge zu ihrer Verfügung, um diejenigen, die Reformen durchführen, zu unterstützen und zu belohnen, und diejenigen, die keine Reformen durchführen, unter Druck zu setzen. Wo auch immer Tyrannen die legitimen Forderungen ihrer eigenen Bürger nicht erfüllen, müssen wir zusammenarbeiten, um eine klare Botschaft zu senden: Man kann die Zukunft nicht mit Waffengewalt aufhalten.

Es ist natürlich unglaubwürdig, Demokratie an anderen Orten zu predigen, wenn wir sie nicht selbst innerhalb unserer Gemeinschaft schützen und fördern. Das schmückende Beiwerk der Demokratie reicht nicht aus. Wir brauchen eine lebendige freie Presse, faire und transparente Wahlen, eine unabhängige Rechtssprechung, eine gesunde politische Opposition und Schutz für Frauen, religiöse und ethnische Minderheiten. Wir müssen demokratische Rechte und Freiheiten schützen, wo auch immer sie bedroht werden, auch hier in Europa.

Fünftens müssen wir uns auch den aufstrebenden Mächten und Regionen zuwenden. Die Welt, die wir gemeinsam aufgebaut haben, ist im Wandel begriffen. Es gibt neue Zentren von Macht und Reichtum, und Europa und die Vereinigten Staaten können viele Probleme nicht mehr allein lösen. Die Herausforderung besteht also darin, die Chancen, die sich uns nun eröffnen, bestmöglich zu nutzen, um die aufstrebenden Mächte zu Partnern zu machen und die globale Architektur der Zusammenarbeit zu stärken, die uns allen Vorteile bringt.

Ich freue mich, dass das europäische Engagement in der Region Asien-Pazifik auch hier in München auf der Tagesordnung steht, da wir uns zusammen auch dieser Region zuwenden müssen, die bereits eine immer wichtigere Rolle bei globalen Themen spielt. Wir haben bereits viel über die Bedeutung dieser aufstrebenden Region für die Vereinigten Staaten gesprochen. Aber es ist bei weitem noch nicht genug über die Bedeutung dieser Region für Europa gesagt worden. Die Vereinigten Staaten und Europa brauchen einen tragfähigen Dialog über die Chancen der Region Asien-Pazifik. Diesen Dialog leiten wir hier heute ein. Alle diese Elemente weisen auf eine immer deutlicher werdende Tatsache hin: Wenn wir als Amerikaner in die Zukunft schauen, dann sehen wir die Europäer als unsere unerlässlichen Partner. Es gibt keinen größeren Beweis für unser Vertrauen und unser Engagement als das, was wir gemeinsam erreichen müssen und wollen.

Wir haben das stärkste Bündnis der Geschichte dieser Welt nicht aufrechterhalten, indem wir uns auf unseren Lorbeeren ausgeruht haben. Unsere Vorgänger haben gemeinsam die Zukunft geplant. Sie haben in dem Glauben gehandelt, dass die Vereinigten Staaten, Europa und gleich gesinnte Nationen sich überall auf der Welt zu dem einen gemeinsamen Ziel zusammengetan haben, eine friedlichere, wohlhabendere, sichere Welt zu gestalten. Dies trifft heute genauso zu wie damals. In diesen Zeiten tief greifenden Wandels sollten wir uns also auf diese Vision besinnen, während wir zusammen den Weg in die Zukunft beschreiten.

Vielen Dank.

Originaltext: Remarks by Secretary of Defense Leon Panetta and Secretary of State Hillary Clinton
Siehe: http://www.defense.gov/transcripts/tran

Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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