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Söldnerwerbung

Gastkommentar. Militarisierung auf den Schulhöfen

Von Ulla Jelpke *

Nach der Aussetzung der Wehrpflicht und Umstellung der Bundeswehr auf eine Berufsarmee von Spezialisten steht die Truppe heute vor einem Rekrutierungsproblem. Denn das Kriegshandwerk ist zum Glück nicht attraktiv.

Schließlich muss ein Bundeswehrsoldat heute damit rechnen, im Auslandseinsatz zur Sicherung von Märkten und Rohstoffen sein Leben zu riskieren. Zumindest aber muss er bereit sein, das Leben anderer – zu Feinden erklärter – Menschen zu opfern. Die Zuspitzung der Situation in der Ukraine bei medialer Pflege des Feindbilds Russland hat zudem für viele Menschen die Kriegsgefahr – und die mit dem Soldatenhandwerk verbundenen Risiken – wieder ins Bewusstsein gebracht.

Berichte über Missstände bei der Truppe, Gewalt- und Ekelrituale tun ihr Übriges, um den Arbeitsplatz Bundeswehr in wenig attraktivem Licht erscheinen zu lassen. Nur solche jungen Menschen, die etwa in strukturschwachen Regionen im Osten Deutschlands gar keine andere Ausbildungs- oder Berufsoption für sich sehen, entscheiden sich noch für eine Karriere bei den Streitkräften.

Um trotz Personalnot ihre Reihen mit motivierten Freiwilligen zu füllen, setzt die Bundeswehr auf Imagepflege. Die Reklamestrategie ist einfach: Jugendliche sollen einen guten Eindruck von der Bundeswehr bekommen. Wenn sie sich dann erst einmal langjährig verpflichtet haben und die unter Umständen blutige Realität kennenlernen, ist es für einen Rücktritt zu spät. Denn ordentliche Kündigungsmöglichkeiten wie in anderen Jobs gelten für Soldaten kaum.

Im Mittelpunkt dieser Werbeoffensive stehen die Schulen, wo die Bundeswehr trotz sinkender Schülerzahlen ihre Präsenz auf Jobmessen und Berufsbildungstagen im vergangenen Jahr abermals deutlich gesteigert hat. Mehrere hunderttausend Jugendliche wurden so über die fragwürdigen Vorzüge des Militärs unterrichtet. Während es Aufgabe von Bundeswehr-Karriereberatern ist, die Truppe als vermeintlich attraktiven Arbeitgeber darzustellen, werben Jugendoffiziere für die politische Legitimität der Bundeswehr und ihrer Einsätze. Auch die Lehrkörper stehen als Multiplikatoren im Fokus der Jugendoffiziere. Referendare und Lehrer werden auf Fortbildungsveranstaltungen mit vermeintlich objektivem Wissen versehen, das sie an ihre Schüler vermitteln sollen. Der Verpflichtung zu neutralen Bildungsangeboten wird solch militärisch eingebetteter Unterricht nicht gerecht.

Die hohe Intensität der militärischen Werbung läuft auf eine weitere Militarisierung der Gesellschaft hinaus. Militärische Indoktrination und Werbung für eine militarisierte Außenpolitik haben auf Schulhöfen und in Klassenzimmern nichts zu suchen. Schulhöfe und Klassenzimmer dürfen keine Rekrutierungsbüros, sie sollten vielmehr Orte friedenspolitischer Diskussion sein.

Die Autorin ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke und Obfrau im Innenausschuss des Bundestags.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 14. April 2015


Kriegswerbung legt zu

35 Millionen Euro mehr im Etat: Bundeswehr agitiert Hunderttausende Schüler

Von Frank Brendle **


Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr ihre Werbung an Schulen weiter ausgebaut. Karriereberater, die für den »Arbeitgeber« Bundeswehr werben, nahmen an rund 1.000 Projekt- und Berufsbildungstagen auf Schulhöfen teil. Dabei erreichten sie mit 185.000 Schülern doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Diese Zahlen teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke mit. An weiteren 1.500 Schulen hielten die Rekrutierungsoffiziere Vorträge, an denen 139.000 Schüler teilnahmen. In Jobcentern und Arbeitsämtern verdoppelten die Militär-Werber ihre Vorträge auf 1.000 und erreichten 20.000 Personen.

Weitgehend konstant blieben die Einsatzzahlen der Jugendoffiziere. Diese sollen den Schülern die politische Legitimation der Bundeswehr und ihrer Einsätze vermitteln. Sie erreichten trotz rückläufiger Jahrgangsstärken 119.000 Schüler, ein Plus von 2.000. Zu den Arbeitsmethoden gehören auch hier neben Frontalvorträgen vor allem Seminare und Truppenbesuche. Fast 37.000 Schüler folgten den Einladungen zu solchen Stippvisiten in die Kasernen.

Auch das Lehrpersonal wird massiv vom Militär umworben: 11.855 Lehrern und Referendaren (100 mehr als 2013) wurde allein durch die Jugendoffiziere die offizielle Sicherheitspolitik erläutert, teilweise bei mehrtägigen Seminaren.

Auf zivilen Messen vor allem im Freizeit- und Ausbildungsbereich waren ebenfalls deutlich häufiger Bundeswehr-Werbestände vertreten. Bei 1.800 solcher Ausstellungen – 300 mehr als im Vorjahr – erreichte die Bundeswehr nach Angaben der zivilen Messeveranstalter 19 Millionen Menschen. Rasant gestiegen sind zudem die Zugriffsraten für die »Karriere«-Seite der Bundeswehr im Internet: von 3,6 Millionen auf 5,5 Millionen Klicks.

In diesem Jahr wird der Posten für Nachwuchswerbung im Militärhaushalt um fünf auf 35 Millionen Euro erhöht.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 14. April 2015




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