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Langer Weg zur Zivilklausel

Studierende streiten in Köln mit Rektorat um Abschaffung der Rüstungsforschung

Von Marcus Meier, Köln *

Die hochschulpolitische Linke will an der Universität Köln eine Zivilklausel in der Grundordnung der Hochschule verankern. 65 Prozent aller Studierenden sprachen sich in einer Urabstimmung dafür aus. Doch die Hochschulleitung mauert.

Auch an der Universität zu Köln ist es eher die Ausnahme, dass ein Bündnis von »dielinke.SDS« über Jusos und Junge Grüne bis hin zur FDP-nahen »Liberalen Hochschulgruppe« sich gemeinsam für friedliche Forschung stark macht. Doch genau das passiert gerade an der altehrwürdigen Hochschule. 65 Prozent der Studierenden sprachen sich vorige Woche parallel zur Wahl des Studierendenparlaments dafür aus, eine so genannte Zivilklausel in die Grundordnung der Uni aufzunehmen. Konkret soll die »Verfassung« der Hochschule um folgende Passage ergänzt werden: »Die Universität wirkt für eine friedliche und zivile Gesellschaftsentwicklung. Sie ist selbst eine zivile Einrichtung, betreibt keinerlei Militär- oder Rüstungsforschung und kooperiert nicht mit Einrichtungen des Militärs oder der Rüstungsindustrie.«

Bei der Hochschulleitung stoßen die friedensbewegten Studierenden indes auf wenig Gegenliebe. So erklärte das Rektorat kategorisch, dass eine Zivilklausel von der Uni nicht übernommen werde. Kein Wunder, sagt Peter Förster, Juso und einer der studentischen Initiatoren. »Das Rektorat wurde nicht demokratisch, sondern vom Hochschulrat gewählt, und da sitzen die Bayer AG und die Deutsche Bank mit am Tisch.«

Patrick Honecker, Leiter Presse und Kommunikation der Uni Köln, hält Zivilklauseln für anachronistisch: »Die Zivilklausel wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für Großforschungseinrichtungen eingeführt. Hier ging es vor allem darum, dass in Deutschland keine Atomwaffenforschung betrieben werden sollte.« Das sei heute nicht mehr aktuell. »Wir lassen gerade juristisch prüfen«, ergänzt Honecker, »ob eine Zivilklausel nicht gegen Grundrechte verstoßen würde.«

Honecker lege das Grundgesetz falsch aus, glaubt hingegen Peter Förster. »Im Grundgesetz geht es um die Realisierung der Menschenwürde, des Allgemeinwohls und des Friedens als Konsequenz aus dem Antifaschismus.« Die Forschungsfreiheit bedeute »sicherlich nicht die Freiheit von Partikularinteressen wie diejenigen der Rüstungsindustrie oder sonstiger Geldgeber«. Doch genau daran orientiere sich das Kölner Uni-Rektorat. In Sachen Zivilklausel »stehen wir am Anfang des Weges«, gesteht Förster. Erstes Ziel: Transparenz. »Die Uni muss endlich offen legen, von wem sie Drittmittel erhält. Wir wissen schlicht nicht, wo Rüstungsforschung stattfindet.« Zwar gebe es an der Uni Köln keine ingenieurswissenschaftlichen Fakultäten. Doch könne Kriegsforschung, so Förster, auch in den Geisteswissenschaften stattfinden. Bundesweit formieren sich an vielen Hochschulen ähnliche Initiativen wie in Köln. Denn längst seien alle großen Hochschulen an militärischen und zivilmilitärischen Forschungsprogrammen beteiligt, resümiert Dietrich Schulze von der »Initiative gegen Militärforschung an Universitäten«.

Gleichwohl, eine Zivilklausel allein macht aus einer Hochschule keine entmilitarisierte Zone. So finden an der Uni Tübingen noch immer fragwürdige Veranstaltungen statt, zum Beispiel ein Seminar »Angewandte Ethnologie und Militär« oder ein »Sicherheitspolitisches Forum«, zu dessen Einladern die Uni selbst und der Reservistenverband der Bundeswehr zählen. Es folgten heftige Auseinandersetzungen – trotz und wegen einer 2009 beschlossenen Zivilklausel.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Dezember 2010


"Ein sehr klares Votum für eine friedliche Hochschule"

An der Uni Köln stimmten von 8000 Studenten 65 Prozent für eine Zivilklausel. Ein Gespräch mit Peter Förster **

Peter Förster studiert an der Uni Köln und ist im dortigen "Arbeitskreis Zivilklausel" aktiv

Im Rahmen der Wahl zum Studierendenparlament stimmten die Studenten der Uni Köln in der vergangenen Woche auch über eine »Zivilklausel« ab – damit soll verhindert werden, daß an der Uni für militärische Zwecke geforscht wird. Wie ist die Abstimmung ausgegangen?

65 Prozent der Kölner Studierenden, die an der Abstimmung teilgenommen haben, stimmten dafür. Nur 20 Prozent waren dagegen, 15 Prozent enthielten sich. Das ist ein sehr klares Votum für eine friedliche Hochschule. Mit einer Zivilklausel verpflichtet sich die Hochschule, nur zivilen und friedensfördernden Zwecken zu dienen und nicht mit der Rüstungsindustrie oder dem Militär zusammenzuarbeiten. 8000 Studierende haben sich an dieser Abstimmung beteiligt.

Welche Militärforschung findet an der Uni Köln denn statt? Was machen andere Unis auf diesem Sektor?

In Köln unterliegen Forschungsprojekte, die von der Privatwirtschaft mitfinanziert werden, der Geheimhaltung. Das ist undemokratisch, intransparent und führt offenkundig dazu, daß destruktive Wissenschaft wie Rüstungsforschung realisiert werden kann. Die gleiche Vorgehensweise erleben wir mittlerweile auch bei öffentlich geförderter Rüstungsforschung: Die Bundesregierung hat den Inhalt von rüstungsrelevanten Forschungsprojekten der Bundeswehr an öffentlichen Hochschulen zur Verschlußsache erklärt.

Diese Methode entspricht dem aktuellen Kriegskurs der Regierung, bei dem der Öffentlichkeit entscheidende Informationen vorenthalten werden. Wir wissen lediglich, daß an der Uni Köln zur Zeit in der Medizin eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr stattfindet. Außerdem kamen im Bereich der internationalen Politik Vertreter der Bundeswehr als Dozenten zum Einsatz. Gerade durch die Geisteswissenschaften soll Krieg ideologisch begründet und zu einem normalen Mittel der Politik erklärt werden.

An anderen Unis sieht es ähnlich aus: Allein aus Bundesmitteln wird bundeswehrrelevante und wehrtechnische Forschung an etwa 27 Hochschulen gefördert.

Welche praktische Auswirkung hat denn ein solches Studierendenvotum?

Die meisten Hochschulen sind undemokratisch verfaßt. Im Hochschulrat der Uni Köln sitzen etwa Vertreter der Deutschen Bank und des Chemiekonzerns Bayer. Dieser Rat bestimmt wiederum das Rektorat, also die Uni-Leitung. Das Kölner Rektorat hatte schon vor der Zivilklausel-Abstimmung erklärt, einem Votum nicht folgen zu wollen. Wir haben mit der Abstimmung daher nur einen ersten Schritt getan und nun eine gute Grundlage für den weiteren Streit für friedliche Wissenschaften geschaffen – die große Mehrheit der Kölner Studierenden steht hinter uns.

Es ist aber noch ein langer Weg, bis die Zivilklausel in die Grundordnung der Uni verankert werden kann. Doch selbst dann muß man immer ein Auge darauf haben, daß wirklich nur für friedliche Zwecke geforscht wird. Der Kampf für friedliche Forschung und Lehre hört mit einer Zivilklausel nicht auf.

Schränkt eine Zivilklausel nicht die Freiheit von Forschung und Lehre ein?

Im Gegenteil: Die Forderung nach Freiheit der Wissenschaft ergibt sich auch daraus, was wir aus dem deutschen Faschismus gelernt haben. Die Hochschulen hatten damals zum Vernichtungskrieg und zum Holocaust beigetragen. Im Grundgesetz wurde daher festgeschrieben: Die Wissenschaft soll nie wieder partikularen Interessen unterworfen werden.

Die marktradikalen Kräfte versuchen heute aber, diese Freiheit ideologisch umzudeuten in »die Freiheit der Wissenschaft, sich zu verkaufen«.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

** Aus: junge Welt, 21. Dezember 2010

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Fast 2/3 für eine Zivilklausel an der Uni Köln (22. Dezember 2010)




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