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Bundeswehr macht Schule

Werbeeinsätze in Uniform: Dank CDU, SPD und NPD dürfen Jugendoffiziere in Mecklenburg-Vorpommern weiter "politische Bildungsarbeit" leisten

Von Rüdiger Göbel *

Die Bundeswehr darf in Mecklenburg-Vorpommern weiter an Schulen für ihr Kriegshandwerk werben. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Partei Die Linke und die Grünen scheiterten mit ihrer Forderung, die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes und dem Wehrbereichskommando I Küste der Bundeswehr zur politischen Bildung in der Schule aufzuheben. Ein entsprechender Antrag wurde am Donnerstag im Schweriner Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD und NPD abgelehnt.

Der Landesvorsitzende der CDU Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, betonte, für die Schulen bleibe die Truppe »ein wichtiger Partner der politischen Bildung«. Bei ihrer »Arbeit« an den Schulen des Landes habe sich die Bundeswehr »stets und ohne Vorbehalt an einen strengen Neutralitätsgrundsatz gehalten«. Die SPD-Landtagsfraktion unkte auf ihrer Internetseite: »Ein Vorwurf liegt in der Luft: Jugendoffiziere der Bundeswehr sollen laut einer Peti­tion Informationsveranstaltungen an Schulen für Rekrutierungsversuche mißbraucht haben. Die Grünen wollten anhand dieses Falles gleich die gesamte Kooperationsvereinbarung des Bildungsministeriums mit der Bundeswehr in Frage stellen. Doch Verbündete fanden sie nur bei den Linken.«

Die Sozialdemokraten fanden dagegen Verbündete in der rechten NPD. Die hätte »grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden«, wenn die Bundeswehr zur »Vaterlandsverteidigung« an Schulen für sich werbe, wie deren Abgeordenter Tino Müller im Landtag betonte. »Der deutsche Soldat hat bei der Wehrerziehung eine Vorbilderziehung für alle jungen Leute einzunehmen.«

2009 hatte der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) die Bundesländer aufgefordert, Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr zu schließen. Als eines der Ziele nannte er ausdrücklich, »den Sinn bewaffneter Auslandseinsätze zu vermitteln«. Acht Bundesländer verzichten derzeit darauf, dem Militär privilegierten Zugang in Schulen zu geben.

Schon vor einem Jahr hatte die Gewerkschaft GEW das Bildungsministerium in Schwerin aufgefordert, die Kooperationsvereinbarung aufzukündigen. Ihr Schreiben blieb bis heute unbeantwortet. »Jugendoffiziere bezeichnen sich nach eigener Aussage, nachlesbar auf den Seiten der Bundeswehr, als ›externe Sozialkundelehrer‹ (…). Dies tun sie ganz selbstverständlich in Uniform. Plakativer kann man wohl kaum Werbung machen. Das ist, als würde McDonald’s für gesunde Ernährung werben«, erklärte die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner. Außerdem nähme die Kooperationsvereinbarung nicht etwa die Bundeswehr in die Pflicht, den Unterricht entsprechend ausgewogen zu gestalten, sondern die Lehrerinnen und Lehrer. Die können jedoch nicht auf weitere Kooperationsangebote, etwa mit Friedensinitiativen zurückgreifen.

Die Linke-Landtagsabgeordnete Simone Oldenburg warnte, »Schulen in Mecklenburg-Vorpommern dürfen keine Kaderschmiede für die Bundeswehr werden«. Die Kooperationsvereinbarung müsse »zum nächstmöglichen Zeitpunkt« gekündigt werden. Wenn eine Zusammenarbeit mit einer anderen staatlichen Institution sinnvoll sei, dann mit der »Agentur für Arbeit«, um die Schülerinnen und Schüler besser auf das Berufsleben vorbereiten zu können.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. April 2012

Vor der Abstimmung im Landtag schrieb das Rostocker Friedensbündnis in einer Erklärung:

Morgen, am 26. April 2012, wird im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern über die Aufhebung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern und dem Wehrbereichskommando I Küste der Bundeswehr beraten.

Die Kündigung der Kooperationsvereinbarungen zwischen Landesregierungen und Bundeswehr wird inzwischen bundesweit verlangt und war schon in mehreren Landtagen Gegenstand der Debatte. Dass dies inzwischen auch in Mecklenburg-Vorpommern so ist, begrüßen wir sehr.

Wir rufen die Parlamentarier auf, in ihren Stellungnahmen zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit allem Nachdruck für die Aufhebung der Kooperationsvereinbarung einzutreten. Die Bundeswehr versucht an den Schulen nicht nur, ihre Personalprobleme zu lösen. Sie arbeitet dafür, Krieg in der Gesellschaft weiter akzeptabel zu machen – Krieg, der von der Bundesrepublik Deutschland für Wirtschaftsinteressen und aus machtpolitischem Kalkül geführt und unterstützt wird. Gerade in unserem Bundesland, das jungen Menschen nur wenig Perspektiven bietet, ist es Aufgabe der Politik, für eine zivile und friedliche Zukunft zu arbeiten.

Uns geht es nicht darum, dass die Bundeswehr dank der Kooperationsvereinbarung im Unterricht eine Bevorzugung erhält. Viele Friedensgruppen – auch wir – sind ausdrücklich nicht gewillt, im Sinne einer vorgeblichen Ausgewogenheit in gemeinsamen Auftritten mit der Bundeswehr an Schulen unsere friedenspolitischen Positionen darzulegen. Das würde Auftritte der Bundeswehr nur legitimieren. Politische Bildung ist Aufgabe der Lehrkräfte. Die Bundeswehr darf an den Schulen nicht länger geduldet werden. Die Kooperationsvereinbarung muss fallen.

Wir wünschen dem Landtag eine erfolgreiche Abstimmung zugunsten der Kündigung der Kooperationsvereinbarung!




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