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Uni Karlsruhe bald ziviler?

Dietrich Schulze hoffte auf ein "Ja" zur Zivilklausel / Institut lehnt aber an


Neues Deutschland (ND): Seit über zwei Jahren setzt sich die Studierendenschaft an der Universität Karlsruhe für eine Zivilklausel ein. Ihre »Initiative gegen Militärforschung an Universitäten« unterstützt die Forderung. Kann man mit einer Formel in der Universitätssatzung die Forschungsprogramme tatsächlich beeinflussen?

Schulze: Es geht um folgende Verpflichtung: »Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen.« Die Studierenden wenden sich dagegen, dass an ihrer Universität Forschung für militärische Zwecke betrieben wird, oft genug im Geheimen. Bundeswehr und Rüstungsindustrie treten immer ungenierter auf dem Campus auf. Existiert eine Zivilklausel, müsste militärisch relevante Forschung eingestellt werden.

Am Montag (21. März) soll endgültig eine Entscheidung fallen. Sind Sie darüber froh?

Das hängt vom Ausgang ab. Der zuständige Wissenschaftsminister hat sich gegen die Zivilklausel ausgesprochen.

Mit welcher Begründung?

Die Landesregierung behauptet, dass die Zivilklausel wegen der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Wissenschaft verfassungswidrig sei.

Aber das Wissenschaftsministerium hat doch im vergangenen Jahr dieselbe Klausel für die Uni Tübingen genehmigt.

... und zwar unterzeichnet von eben jenem Minister, der das für verfassungswidrig hält. Der Nonsens kann nur damit erklärt werden, dass das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als zivil-militärischer Forschungskomplex ausgebaut werden soll, ohne dass es dafür öffentlich vermittelbare Argumente gibt.

Was hat Ihre Kampagne bislang gebracht?

Die Zivilklausel-Bewegung wird bundesweit immer stärker. Vor der Entscheidung in Karlsruhe wollen wir noch einmal mit einem Aufruf Druck machen. Innerhalb weniger Tage haben ihn mehr als 150 Persönlichkeiten, darunter ProfessorInnen und ParlamentarierInnen von SPD, Grünen und Linken auf Landes- bzw. Bundesebene unterschrieben. In einem internationalen Appell fordern noch einmal so viele Menschen, dass mit Kernforschung unter dem Dach des KIT keine Waffenforschung angesiedelt werden darf.

Die Zivilklausel mit der Forderung »Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen« richtet sich grundsätzlich auch gegen Reaktorforschung, wie sie am KIT betrieben wird. Bewirkt die Katastrophe in Japan auch hier ein Umdenken?

Der Zusammenhang von Friedens-, Umwelt- und Energiepolitik ist heute für viele offensichtlich geworden. Ja, die Forschung für neue Kernreaktoren muss als Sackgassentechnologie betrachtet und zugunsten zukunftsfähiger Zivilforschung beendet werden.

Sind die Chancen für die Zivilklausel durch »Japan« gestiegen?

Ja, das sind sie. Aber nur, wenn das Engagement nicht abnimmt.

Fragen: Katja Loose

* Aus: Neues Deutschland, 19. März 2011


Unterschriften für Zivilklausel ohne Wirkung **

Die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten wollte vor der Sitzung noch für die Zivilklausel werben – vergeblich. Der Gründungssenat des Karlsruher Institut für Technologie lehnte am Montag (21. März) die Einführung der Selbstverpflichtung, die das Forschen zu militärischen Zwecken an Hochschulen untersagt, ab. Die Übergabe von über 450 Unterschriften an Institutspräsident Horst Hippler am Montag änderte daran nichts. Die UnterzeichnerInnen fordern die Aufnahme der Zivilklausel in die Grundsatzung der Uni Karlsruhe als Teil des 2009 gebildeten Karlsruher Instituts für Technologie KIT. Die Unileitung mache seit Monaten zusammen mit der Landesregierung Stimmung dagegen, hieß es in einer Mitteilung der Initiative.

Die Kritiker sprechen von einem »autoritären Klima«, das am KIT durchgesetzt worden sei. Zudem sei ein einheitlicher Standard am aus mehreren Hochschulen bestehenden KIT »längst überfällig«, hieß es in der Mitteilung der initiative gegen Militärforschung. Zu den Unterzeichnern für die Klausel gehören neben 30 Professoren der Unis in Karlsruhe und Bremen, Gewerkschaftern, Studierenden, Pfarrer und Wissenschaftlern auch die Spitzenkandidaten der LINKEN, Grünen und SPD bei der anstehenden Landtagswahl – die jene Klausel allesamt im Wahlprogramm haben. Die Initiative sieht deshalb eine Chance, dass die Zivilklausel nach einem Regierungswechsel doch noch eingeführt werden könnte.

Wie die Initiative weiter mitteilt, wächst der Widerstand gegen die Militarisierung der Hochschulen bundesweit. So habe es Urabstimmungen an drei großen Unis und eine Erklärung von über 60 Bremer HochschullehrerInnen gegen einen rüstungsfinanzierten Stiftungslehrstuhl gegeben. Für Ende Mai ist eine Konferenz zum Thema in Braunschweig angekündigt.

** Aus: Neues Deutschland, 23. März 2011


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