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An der Propagandafront

Reichweite erhöht: Jugendoffiziere der Bundeswehr vermelden Erfolg, doch in den Schulen treffen sie nicht immer auf unkritisches Publikum

Von Frank Brendle *

Erstmals seit langem konnten die Jugendoffiziere der Bundeswehr im vergangenen Jahr ihre »Reichweite« unter Schülerinnen und Schülern erhöhen. Nach ihrem Jahresbericht für 2012, der Mitte vergangener Woche veröffentlicht wurde, haben sie mit 7081 Veranstaltungen insgesamt 175447 Teilnehmer erreicht. Der Report enthält aufschlußreiche Begründungen für die aus Militärsicht notwendige Einflußnahme auf Jugendliche.

100871 Schüler wurden im »Kerngeschäft« erreicht: So nennen die Jugendoffiziere ihre Vortragstätigkeit an Schulen, wo sie in Fächern wie Gemeinschaftskunde und Politik meist eine Doppelstunde übernehmen. Die Militärkunde läuft als regulärer Unterricht mit Anwesenheitspflicht. Das gilt in der Regel auch für die angebotenen, mitunter mehrtägigen Seminare, an denen sich rund 26000 Schüler beteiligt haben. 11000 Jugendliche wurden zu Besuchen bei der Truppe mitgenommen, 1800 verfolgten Podiumsdiskussion mit Beteiligung der Bundeswehr. Auf solche Weise erreichte die Truppe ingesamt 139844 Schüler – rund 10000 mehr als 2011. Erstmals seit mehreren Jahren, und das trotz Geburtenrückgangs, konnten die Jugendoffiziere einen solchen Erfolg vermelden. Auch die Zahl kontaktierter erwachsener Multiplikatoren wurde um fast 9000 auf 30578 erhöht. Erklärt wird das unter anderem damit, daß vakante Stellen von den insgesamt 94 für hauptamtliche Jugendoffiziere hätten gefüllt werden können.

Ihren Einsatz in Schulen rechtfertigen die Militärs mit ihrer »Expertise«, die sie befähige, »die Themenfelder der internationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus erster Hand zu erörtern«. Sie treffen laut Bericht auf Jugendliche, bei denen Interesse an und Informiertheit über sicherheitspolitische(n) Themen nahe bei null lägen. Es geht ohnehin weniger um Information als um Imagepflege: Die Jugendoffiziere gehen verstärkt dazu über, den »Unterricht« mit Live-Schaltungen in die Einsatzgebiete aufzupeppen. Die direkte Kommunikation mit Soldaten in Afghanistan sei für die Schüler »ein außergewöhnliches Erlebnis«, so heißt es im Bericht. Darin wird außerdem behauptet, es werde dabei eine »ungeschönte, authentische Darstellung des Einsatzalltags« vermittelt.

Bemerkenswert ist, daß die Schüler, angeblich bar jeglicher politischer Vorbildung, doch ein gesundes Gespür für die Hintergründe von Militäreinsätzen haben. Als deren Grund nennen sie, wie die Jugendoffiziere alarmiert festhalten, »primär das wirtschaftliche Interesse an Ressourcen«. Weil das nicht der offiziellen Linie entspricht – und an die müssen sich Jugendoffiziere per Dienstanweisung strikt halten – galt es hier zu intervenieren: »An dieser Stelle war es in den Gesprächen, Diskussionen und Unterrichten stets geboten, die sicherheitspolitischen Zielsetzungen detailliert zu verdeutlichen.« Weiter heißt es in dem Bericht, viele junge Leute hätten mit Ablehnung und Unverständnis auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU reagiert. Diese sei angeblich ein Garant des Friedens, aber das »mußte den meisten Schülerinnen und Schülern umfassend vermittelt werden.«

Ausbauen konnten die Jugendoffiziere im vergangenen Jahr auch die gezielte Ansprache von Multiplikatoren. 12166 Lehrer und 2024 Vertreter von Schulbehörden haben an ihren Veranstaltungen teilgenommen, 5000 von ihnen an zum Teil mehrtägigen Seminaren. Neben der indirekten Beeinflussung des Unterrichts geht es hier um Aufbau und Pflege persönlicher Kontakte und darum, »junge, zukünftige Lehrkräfte als Kooperationspartnerinnen und -partner zu gewinnen«. Zufrieden vermerkt der Bericht, daß in etlichen Bundesländern Jugendoffiziere fest in die Referendarausbildung eingebunden sind. Beispielhaft genannt werden Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Neben »gedienten« Lehrern nutzten auch jene das Angebot der Jugendoffiziere, die sich aufgrund beruflichen Drucks nicht in der Lage sehen, sich selbst mit dem Thema Sicherheitspolitik zu beschäftigen. Weitere Multiplikatoren werden im Bereich von Vereinen umworben, darunter auch das Technische Hilfswerk und Feuerwehren, sowie in Presse, Politik und Wirtschaft.

Die Proteste, die es vielerorts gegen die Militärpropaganda an Schulen gibt, schreiben die Jugendoffiziere dem »politisch links anzusiedelnden Spektrum« zu. Sie hätten aber keine negativen Auswirkungen auf ihre Arbeit. Ausdrücklich bedauert wird dabei die Haltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Kooperationen mit der Bundeswehr ablehnt.

* Aus: junge Welt, Montag, 15. Juli 2013




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