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Planer und Propagandisten

Ausgesuchte Mitglieder, reaktionäre Positionen, bellizistische Propaganda: Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik gehört zu den wichtigsten militärpolitischen Thinktanks in Deutschland

Von Peer Heinelt *

Einen Minderwertigkeitskomplex kann man der in Berlin beheimateten Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), die heuer ihr 20jähriges Bestehen feiert, wahrlich nicht attestieren. Der militärpolitische Thinktank bezeichnet sich selbst als die »höchstrangige und ressortübergreifende Weiterbildungseinrichtung des Bundes für Führungskräfte auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik« und will nach eigenen Angaben nicht weniger als »Impulse zur zukünftigen geopolitischen Positionierung Deutschlands und der Europäischen Union und zur Wahrung unserer Interessen erarbeiten«. Wessen Interessen hier gemeint sind, wird bereits deutlich, wenn man die Teilnehmerlisten der von der BAKS alljährlich veranstalteten »Seminare für Sicherheitspolitik« betrachtet: Neben hochrangigen Militärs, Beamten des Bundesinnenministeriums, des Bundeskriminalamts (BKA), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Verfassungsschutzes finden sich die Manager etlicher Großkonzerne; vertreten sind unter anderem Rheinmetall, Siemens, Daimler, Deutsche Telekom, Commerzbank, Bayer, EADS und Deutsche Bahn.

Exklusives Netzwerk

Explizites Ziel der sich über einen Zeitraum von sechs Monaten erstreckenden »Seminare für Sicherheitspolitik« ist laut BAKS der Aufbau eines »exklusive(n) Netzwerk(s) zwischen Entscheidungsträgern«. Diese sollen, wie es heißt, in eine »dauerhafte Gemeinschaft« integriert werden und letztlich den Kern einer deutschen »Strategic Community« bilden. Zu diesem Zweck will man den Seminarteilnehmern nach eigenen Angaben »strategische Handlungskompetenz« vermitteln, die sie befähigt, »krisenhafte Entwicklungen zu meistern«. Den Begriff der Krise legt die BAKS dabei bewußt sehr weit aus; er umfaßt schlicht alles, was von der herrschenden Klasse in irgend­einer Weise als Bedrohung für die Existenz der im nationalen wie internationalen Maßstab bestehenden Ausbeutungsverhältnisse wahrgenommen wird: Die sozialen Folgen der aktuellen ökonomischen Verwerfungen zählen ebenso dazu wie »organisierte Kriminalität«, »Terrorismus«, »Fundamentalismus« und »illegale Migration«.

Die Fähigkeit zum umfassenden Krisenmanagement trainieren die Seminarteilnehmer im Rahmen sogenannter Planspiele, bei denen laut Anleitung die »Auswirkungen globaler Entwicklungen auf die deutsche und europäische Sicherheitspolitik« mit der Absicht analysiert und bewertet werden, »Zukunftsszenarien (zu) antizipieren und präventiv (zu) handeln«. Das Planspiel des Jahres 2011 etwa sah vor, daß »religiös und ethnisch bedingte Unruhen im Ausland« einerseits die »Gefährdung von deutschen Staatsbürgern« und andererseits »Terrordrohungen und -anschläge auch in Deutschland« nach sich ziehen. 2008 hatte die BAKS das Szenario einer »Energiekrise« entworfen, die sowohl zu »gewalttätigen Ausschreitungen und Demonstrationen« im Inland als auch zu einer »drohende(n) bewaffnete(n) Auseinandersetzung« mit China und Rußland führen sollte.



 Die beiden genannten Planspiele sind durchaus repräsentativ für die Weltsicht des militärpolitischen Thinktanks. Erst unlängst bezeichnete ein Vertreter des BND bei einem von der Akademie veranstalteten »Berliner Colloquium« den »Kampf um strategische Räume« samt dem »Zugang zu diesen Räumen und Ressourcen sowie die dazu notwendigen Verbindungswege« als die »Themen der Zukunft«. Zugleich zeigte sich der Geheimdienstmitarbeiter überzeugt, daß der »Wettstreit unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Systeme (…) keineswegs zugunsten der Demokratie und Marktwirtschaft nach westlichem Vorbild entschieden« sei.

Erste Überlegungen zur Implementierung einer bundeseigenen militärpolitischen Denkfabrik wurden bereits Ende der 1980er Jahre im Bundessicherheitsrat angestellt. Unter Federführung des Kanzleramts befaßten sich die Ministerien für Verteidigung, Inneres, Justiz, Wirtschaft, Finanzen und Äußeres mit der »Frage einer nationalen Akademie«, wie die BAKS in ihrer »Gründungsgeschichte« schreibt. Auf der Basis einer »über die Ressortgrenzen hinaus reichende(n) sicherheitspolitische(n) und gesamtstrategische(n) Grundorientierung« beabsichtigte man die »Heranbildung von Führungspersonal, das befähigt ist, nationale Interessen im internationalen Bereich wirkungsvoll zu vertreten«. Gleichzeitig, so hieß es weiter, erfordere die Herstellung von gesellschaftlicher »Akzeptanz« für die deutsche Militärpolitik die Schulung von »fachlich kompetente(n) Führungskräfte(n) in Regierung, Wirtschaft, Wissenschaft und ­Medien«, die die »erforderliche Meinungsführerschaft übernehmen können«.

Am 20. Juni 1990 schließlich beschloß das Bundeskabinett unter Helmut Kohl die Gründung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und übertrug dieser qua Erlaß die Aufgabe, »durch Veranstaltungen zur gemeinsamen Fortbildung gegenwärtiger und zukünftiger Führungskräfte aus Bundes- und Länderressorts sowie aus dem sicherheitspolitisch interessierten Umfeld ein umfassendes, über die Ressortgrenzen hinausreichendes Verständnis für die langfristigen sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) zu erreichen, um damit die Teilnehmer zu befähigen, diesen Interessen angemessen Rechnung zu tragen«. Die BAKS erhielt den Status einer »selbständige(n) Dienststelle im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung«.

Mainstreammedien mit dabei

Wer die »Meinungsführerschaft« auf militärpolitischem Gebiet übernehmen will, tut gut daran, Medienvertreter in den Dienst seiner Sache zu stellen. Nicht umsonst zählten zu den Referenten des letztjährigen »Seminars für Sicherheitspolitik« zahlreiche Korrespondenten und Redakteure auflagenstarker Presseerzeugnisse; vertreten waren die Süddeutsche Zeitung, das Handelsblatt, die Zeit und der Spiegel. Daneben bietet die BAKS ausgewählten Journalisten regelmäßig »Hintergrundgespräche« in einer »abgeschirmten und vertraulichen Atmosphäre« an, wie einer Selbstdarstellung zu entnehmen ist. So informierten im vergangenen Jahr unter anderem der Vizepräsident des BND, Géza Andreas von Geyr, und der seinerzeitige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, jeweils einen, wie es heißt, »kleinen erlesenen Kreis« von Medienvertretern. Während Geyr die »Umwälzungen in den Ländern des nördlichen Afrikas und des Nahen Ostens« aus geheimdienstlicher Sicht erläuterte, erklärte Fromm, warum sich »Deutschland im Visier von Terroristen« befinde. Insgesamt beurteilt die BAKS ihre »Hintergrundgesprächsreihe« als »volle(n) Erfolg«, da hiervon »beide Seiten stark profitier(t)« hätten. Der Titel der Veranstaltungen – »BAKS unter 3« – spielt dabei darauf an, daß sich die anwesenden Journalisten zu strengstem Stillschweigen über den Inhalt ihrer »Dialoge« mit den genannten »Experten« verpflichten mußten.

An besonders engagierte Medienschaffende verleiht der »Freundeskreis« der BAKS darüber hinaus alle zwei Jahre einen mit 5000 Euro dotierten Preis. Benannt ist dieser nach dem ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens (CDU), der vor 1945 sowohl der SA als auch der NSDAP angehörte. Zu den Preisträgern zählen solch honorige Persönlichkeiten wie Helmut Markwort, Herausgeber des Magazins Focus, und Paul Elmar Jöris vom WDR, dem die Akademie einer Pressemitteilung zufolge besonders seine Publikationen über »Terrorismus« und »50 Jahre Bundeswehr« zugute hält. Die Laudatio auf Jöris hielt der Reserveoffizier Rolf Clement, der nicht nur als Leitender Redakteur beim Deutschlandfunk arbeitet, sondern sich auch gerne in den diversen Medien die Sichtweise der deutschen Streitkräfte verbreitet. Clement wurde seinerseits anno 1999 mit dem »Karl-Carstens-Preis« geehrt.

Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, daß mit Klaus-Dieter Frankenberger von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Stefan Kornelius von der Süddeutschen gleich zwei Medienvertreter dem sogenannten Beirat der BAKS angehören. Das Gremium, dessen Mitglieder für die Dauer von drei Jahren vom Bundesverteidigungsminister berufen werden, umfaßt einer Selbstdarstellung zufolge »politisch und gesellschaftlich relevante Kräfte aus dem Bereich der Sicherheitspolitik« und berät den Bundessicherheitsrat – das »Kuratorium« der BAKS – hinsichtlich »Inhalt und Gestalt der Lehre«.

»Vernetzte Sicherheit«

Als Sprecher des Beirats fungiert Walter Kolbow (SPD), während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium; ihm zur Seite steht der langjährige Manager des Bertelsmann-Konzerns und des mit diesem eng verbundenen »Centrums für angewandte Politikforschung« an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Josef Janning. Weitere Prominente aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Klerus kommen hinzu – unter ihnen der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann, zugleich Superintendent der Lippischen Landeskirche, Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und »Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen« des Allianz-Konzerns, der Politologe Herfried Münkler, der in seinen Arbeiten Kriterien für den »Erfolg von Interventionen« entwickelt, und der als Mitglied der »Strukturkommission der Bundeswehr« maßgeblich für deren Umgestaltung zur weltweit agierenden Söldnertruppe verantwortliche Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise.

Die operative Führung der BAKS liegt bei ihrem Präsidenten, dessen Stellvertreter und einem »Chef des Stabes«. Die zuerst genannte Funktion übernahm im August 2011 Botschafter Hans-Dieter Heumann, der während des Krieges gegen Jugoslawien 1999 im »Planungsstab« des Bundesverteidigungsministeriums das »Referat NATO« leitete. Zeitgleich mit Heumann gelangte Vizepräsident Oberst Rainer Meyer zum Felde ins Amt. Ursprünglich für die militärpolitische Propaganda gegenüber Schülern zuständiger Jugendoffizier durchlief Meyer zum Felde zahlreiche Stationen im Bundesverteidigungsministerium und bei der NATO; unter anderem zeichnete er nach eigenen Angaben verantwortlich für das 2006 erschienene »Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr«. Die deutschen Streitkräfte werden hier als »Instrument deutscher Sicherheitspolitik« bezeichnet, das den ungehinderten »Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen« weltweit ebenso gewährleisten soll wie die Abwehr von »Terroristen«, »illegaler Migration« und global grassierenden »Pandemien«. Der »Stabschef« der BAKS, Oberst Wolfgang Geist, schließlich verweist auf seine »Ausbildung zum Kampftruppenoffizier« und die Beteiligung an »Auslandseinsätze(n) auf dem Balkan, im Libanon, in Afghanistan und in Kuwait«.

Wie die vorherigen Führungsmannschaften widmet sich auch die seit 2011 amtierende Leitung der BAKS mit Verve der Propagierung eines »umfassenden Sicherheitsbegriffs«. Dieser zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, daß er sogenannte asymmetrische Bedrohungen zum zentralen militärpolitischen Bezugspunkt erhebt; als »Gefahren« oder »Herausforderungen« werden dabei wie eingangs erwähnt all jene Phänomene und Entwicklungen verstanden, die geeignet scheinen, in irgendeiner Weise das kapitalistische Akkumulationsregime ins Stocken zu bringen. Das von der BAKS empfohlene Gegenmittel besteht in der Implementierung eines Systems der »vernetzten Sicherheit«, innerhalb dessen die Trennung zwischen innen- und außenpolitischen Maßnahmen aufgehoben und die soziale Militarisierung Programm ist: »Das Zusammenwirken aller relevanten Akteure ist (…) unumgänglich. Dies umfaßt staatliche Institutionen, die Wirtschaft und viele gesellschaftliche Bereiche, die vernetzt in der Bedrohungsanalyse, in der Prävention sowie in der Bewältigung von Risiken und Gefahren agieren. Die althergebrachte Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit hat wenig Bestand«.

Zur Umsetzung des Konzepts der »vernetzten Sicherheit« entwickelte die BAKS bereits 2007 im Rahmen ihres »Seminars für Sicherheitspolitik« eine Vielzahl von konkreten Handlungsanweisungen. Um die Gewaltoperationen der Bundeswehr im Ausland effektiver zu gestalten, wurde unter anderem gefordert, in Kriegsgebieten agierende humanitäre Hilfsorganisationen »zur praktischen Abstimmung mit (…) den Streitkräften« zu bewegen; gleichzeitig müsse das »entwicklungspolitische Instrumentarium konsequenter (…) in der Terrorismusbekämpfung genutzt werden«. Parallel dazu sei im Inland ein »bundesweites Übungsprogramm« mit dem Ziel aufzulegen, »die Abstimmung von Ländern, Bund und Bundeswehr in speziellen terroristischen Bedrohungs- und Anschlagsszenarien zu erproben«. Besonderes Augenmerk richtete die BAKS auf die Betreiber »kritischer Infrastrukturen«, also auf Energie- und Wasserversorger, Handels-, Transport-, Logistik- und Telekommunikationskonzerne sowie Versicherungen und Banken: Diese seien gehalten, hieß es, »die unterschiedlichen Risiken wie menschliches oder technisches Versagen, Klimakatastrophen, aber auch Terrorangriffe in ihre Krisenvorsorge ein(zu)beziehen«. Auch für Schulen und Universitäten fand man Verwendung; während erstere zur »Intensivierung der Ausbildung in erster Hilfe« aufgefordert wurden, sollten letztere verstärkt »Phänomenanalysen« zu »Hintergründen und Motivlagen des islamistischen Terrorismus« liefern.

Gegner des »Trennungsgebots«

Fast alles, was die BAKS anno 2007 forderte, ist mittlerweile fester Bestandteil des hiesigen zivil-militärischen Krisenmanagements. Nur eines bereitet dem Thinktank nach wie vor Kopfzerbrechen: das auf Initiative der westlichen Alliierten des Zweiten Weltkriegs im Grundgesetz verankerte »Trennungsgebot«, das aufgrund der Erfahrungen mit dem Terrorapparat Nazideutschlands die Verschmelzung von Polizei, Militär und Geheimdiensten strikt untersagt. Bereits Anfang 2009 hatte der seinerzeitige »Studienreferent« der Akademie, Rafael Hoffmann, die »Fragmentierung der Sicherheitsbehörden« beklagt und sich für einen »umfassenden Bekämpfungsansatz« gegen die »Bedrohung durch den Internationalen Terrorismus, durch organisierte Kriminalität, Extremismus und Spionage« ausgesprochen. »Spätestens seit 1990, mit der Wiedererlangung der vollständigen staatlichen Souveränität Deutschlands, sind Hintergrund und Motive für das Trennungsgebot nur noch rechtshistorisch bedeutsam«, postulierte Hoffmann und erklärte apodiktisch: »Die informationelle Trennung in einen nachrichtendienstlichen und einen polizeilichen Informationsstrang ist aufzuheben.«

Ende Februar dieses Jahres nahm die BAKS diesen Faden wieder auf und ließ nach eigenem Bekunden 60 »Experten« aus Bundes- und Landesbehörden, Politik und Wissenschaft einen Nachmittag lang über die Frage diskutieren, ob das »Trennungsgebot noch zeitgemäß« sei. Einem Bericht der Bundesakademie zufolge behauptete der Jurist Christoph Streiß bei dieser Gelegenheit schlicht, daß die besagte Regelung »keinen Verfassungsrang« besitze und redete offen einer »Neujustierung des Verhältnisses zwischen Polizei und Nachrichtendiensten« das Wort. Zum Beleg verwies Streiß auf das in Berlin beheimatete Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GTAZ), in dem täglich mehr als 200 Beamte der deutschen Repressionsbehörden ihre Erkenntnisse austauschen; vertreten sind Bundeskriminalamt und sämtliche Landeskriminalämter, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst (MAD) sowie die Bundespolizei, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Generalbundesanwaltschaft. In dieselbe Kerbe wie Streiß schlug laut BAKS auch Wolfgang Wieland, der für Bündnis 90/Die Grünen sowohl im Innen- wie im Verteidigungsausschuß des Bundestages sitzt. Wieland bezeichnete die deutsche »Sicherheitsarchitektur« als »teilweise inkohärent« und »nicht aus einem Guß«.

Neuerdings befaßt sich die Bundesakademie für Sicherheitspolitik zudem intensiv mit der Kriegführung im virtuellen Raum. So machte man sich etwa Anfang Mai dieses Jahres daran, bei einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Konferenz die Aufgaben des von der Bundesregierung eingerichteten »Nationalen Cyberabwehrzentrums« zu definieren. Analog zum »Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum« sind auch hier – dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot zum Trotz – Mitarbeiter aller deutschen Repressionsdienste einschließlich der Bundeswehr versammelt. Gemeinsames Ziel ist die Sicherung behördlicher und privatwirtschaftlicher Computernetzwerke gegen Hacker- und Virenangriffe, was der BAKS jedoch offenbar nicht weit genug geht. Rhetorisch wurde in der Veranstaltungsankündigung gefragt, ob ein rein defensives Vorgehen bei »Sicherheitsvorfällen« in der Informationstechnik wirklich ausreiche: »Muß ein derartiges Abwehrzentrum nicht in der Lage sein, selbst zu agieren?«

Um auf dem virtuellen Schlachtfeld siegreich zu sein, stützt sich die BAKS nach eigenen Angaben zuvorderst auf das Unternehmen T-Systems, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom. T-Systems fordert seinerseits – ganz im Sinne der BAKS – eine »umfassende, gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur, die alle notwendigen Kräfte miteinander verknüpft«. Wie einer Imagebroschüre der Firma zu entnehmen ist, soll die haus­eigene Informationstechnik in diesem Zusammenhang dazu beitragen, die Repressionsbehörden lückenlos zu vernetzen und ihnen dadurch nicht nur die Generierung eines »gemeinsamen Lagebildes«, sondern auch ein »gemeinsames Vorgehen« ermöglichen. Nur auf diese Weise, so heißt es weiter, könnten »globale Herausforderungen und Bedrohungen« gekontert werden. Damit gemeint sind – wie sollte es anders sein – sowohl »Umweltgefahren« und »Seuchen« als auch »politische Umwälzungen und kulturelle Auseinandersetzungen mit unabsehbaren Folgen«. Folgerichtig umfaßt das Produktportfolio des Unternehmens »software- und hardwaretechnische Systemlösungen« für Grenzkontrollen, die »Verfolgung von Verdachtspersonen« oder auch den Einsatz großkalibriger Kriegswaffen. Man sei eben, erklärt T-Systems nicht ohne Stolz, der »ideale Partner« für »Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben« bei der Wahrnehmung »friedenserzwingende(r) Aufgaben in der ganzen Welt«.

»Strategic Community«

Fassen wir zusammen: Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik ist der zentrale militärpolitische Thinktank des Bundes. Ihr Hauptaugenmerk richtet die Institution auf die Etablierung einer »Strategic Community« aus Vertretern der hiesigen sozialen Elite, denen ein umfassendes Wissen über Methoden und Instrumente kapitalistischen Krisenmanagements vermittelt werden soll. Dies macht gleichzeitig den Unterschied zu anderen Denkfabriken aus: Im Vordergrund steht nicht die Produktion von Herrschaftswissen, sondern dessen Weitergabe und propagandistische Anwendung; erklärtermaßen will man die »Meinungsführerschaft« auf militärpolitischem Gebiet übernehmen. Angestrebt wird die Radikalisierung des medial vermittelten gesellschaftlichen Mainstreams, sei es durch das öffentlich vorgetragene Bekenntnis zu Kriegen um »Ressourcen« und »geostrategische Räume«, sei es durch die permanent wiederholte Forderung nach Aufhebung der institutionellen Trennung zwischen Polizei, Militär und Geheimdiensten. Die Arbeit der BAKS ist damit integraler Bestandteil der imperialistischen Strategie Deutschlands, die nicht zuletzt die eigene Bevölkerung zum Adressaten hat: Diese soll sich einerseits damit identifizieren, daß Gewalt zur Durchsetzung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten ebenso legitim ist wie zur Beseitigung mißliebiger Regimes oder zur Bekämpfung von Aufständen in aller Welt. Andererseits soll ihr vor Augen geführt werden, daß oppositionelles Verhalten oder gar die grundsätzliche Negation der bestehenden Verhältnisse in Anbetracht einer lückenlosen »Sicherheitsarchitektur« keine Chance auf Erfolg hat.

* Peer Heinelt ist Politologe und lebt als freier Autor in Frankfurt/Main

Aus: junge Welt, Freitag, 6. Juli 2012



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