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"Militär hat an Schulen nichts zu suchen"

Projekttag gegen Bundeswehr: Berliner Schüler und Lehrer protestierten gegen Vorträge von Offizieren im Unterricht. Gespräch mit Heike Papke und Reinhard Wagner


Heike Papke und Reinhard Wagner sind Lehrer in Berlin. Am gestrigen Montag haben sie im Rahmen eines antimilitaristischen Projekttages vor einer Schule demonstriert.

Sie haben gestern früh vor einem Oberstufenzentrum in Berlin-Wittenau, der Ernst-Litfaß-Schule, gegen die Bundeswehr protestiert. Gab es dafür einen konkreten Anlaß?

Papke: Der Schulleiter dieses Oberstufenzentrums hatte schon mehrfach Bundeswehroffiziere eingeladen. Er möchte im Rahmen des Sozialkundeunterrichts den Jugendlichen die Bundeswehr durch Vorträge von Jugendoffizieren näherbringen. Wir finden aber, daß Militär an Schulen nichts zu suchen hat. Deshalb haben wir Flugblätter der Deutschen Friedensgesellschaft –Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) verteilt, die Jugendliche davor warnt, sich beim Militär zu verpflichten.

Wie haben Sie die Schüler zu dieser Aktion mobilisiert?

Wir haben die Flugblattaktion im Rahmen eines Projekttages »Schule ohne Militär« organisiert. Beteiligt sind unter anderem von der Paul-Löbe-Schule in Berlin-Reinickendorf die Projektgruppe »SchülerInnen mit Courage gegen Rassismus« der 10. Klasse sowie eine 8. Klasse. Wir hatten uns zuvor mit den Zielen des Bündnisses »Schule ohne Militär« und auch mit den Flugblättern der DFG-VK auseinandergesetzt und anschließend über den Ablauf einer solchen Aktion abgestimmt. Es wurden auch Briefe an die Eltern geschickt, so daß sie informiert waren und die Möglichkeit hatten, uns bei Problemen oder Fragen zu kontaktieren.

Wie ist Ihr Fazit?

Wir sind nach der Aktion erst einmal in die Paul-Löbe-Schule zurückgefahren, um die Eindrücke zu verarbeiten. Mit den Fotos, die wir gemacht hatten, wollen wir Plakate gestalten und in der Schule ausstellen. Möglicherweise setzen wir sie dann auch bei anderen Aktionen ein. Ich persönlich bin sehr zufrieden, daß wir viele Schüler erreicht haben. Ich fühle mich ermuntert, solche Aktionen zu wiederholen.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee?

Ich hatte von dem Bündnis »Schule ohne Militär« gehört und teile dessen Ziele. Deshalb versuche ich, mich in dieses Bündnis einzubringen. Das macht erst dann richtig Sinn, wenn die Grundideen schließlich auch in der Schule thematisiert bzw. umgesetzt werden.

Wer macht denn in diesem Bündnis mit?

Wagner: Das sind ganz verschiedene Leute, darunter etliche Lehrer aus der Gewerkschaft, also der GEW, aber auch Schüler, Eltern und Aktivisten von anderen antimilitaristischen Vereinigungen, denen es weh tut, daß die Bundeswehr an der Schule ihren Nachwuchs wirbt.

Wäre es besser, wenn zusätzlich zu den Jugendoffizieren auch Friedensbewegte Vorträge in den Schulen halten dürfen?

In Anbetracht der Konkurrenzvorteile der Bundeswehr lehnen wir es ab, daß sie überhaupt in die Schule kommt. Die Bundeswehr hat nämlich sehr große Mittel zur Verfügung, um ihre Leute professionell zu schulen – anders als die Friedensbewegung. Unter solchen Umständen ist es nicht gewährleistet, daß deren Aktivisten gebührend zu Wort kommen.

Gerade in einer Situation wie jetzt, in der die Bundeswehr einen Krieg führt, halten wir es für unerträglich, wenn sie an Schulen wirbt. Egal, ob das nun eine Art Berufsberatung ist oder die Darstellung der militärischen Sichtweise der Konfliktlösung in der Welt.

Was können denn Eltern und Lehrer gegen Schulbesuche der Bundeswehr machen?

Ich bin ja selbst Lehrer, und ich plane gerade, an meiner Schule einen Beschluß der Gesamtkonferenz gegen Militärwerbung an der Schule zu erreichen. Den können dann auch Eltern unterstützen. Und die Schüler können natürlich Flugblätter verteilen oder auch einen Antrag auf Befreiung vom Unterricht stellen.

Bundeswehr-Offiziere treten an der Litfaß-Schule häufiger auf, deswegen haben wir ein paar Flugblätter eigens für deren Lehrer verfaßt. Dazu habe ich Kopien eines Beschlusses der GEW verteilt. Die Gewerkschaft lehnt es nämlich entschieden ab, daß Schüler einseitig vom Militär beeinflußt werden.

www.schule-ohne-militaer.de

Interview: Frank Brendle

* Aus: junge Welt, 23. März 2011


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