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Gegengewicht zur NATO?

Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit wird zunehmend beachtet. Basteln die USA an einer Gegenorganisation in Zentralasien?

Im Folgenden informieren wir über das Moskauer Treffen der vor fünf Jahren gegründeten Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), ein Zusammenschluss von asiatischen Staaten unter Einschluss der Großmächte Russland und China, die zunehmend Beachtung findet. Die Texte stammen von der russischen Nachrichtenagentur Nowosti.



Erfolgreicher Gipfel der SOZ-Premierminister

MOSKAU, 28. Oktober (Dmitri Kossyrew, RIA Nowosti).

Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) ist in den fast fünf Jahren ihrer Tätigkeit über den Rahmen der ursprünglich gestellten Aufgaben hinaus gegangen. Mit diesen Worten des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, der in Moskau die Teilnehmer eines Gipfels der SOZ-Premierminister empfing, endete die Tagung dieser Organisation.

Die SOZ ging in den 90er Jahren aus einem Abkommen über vertrauensbildende Maßnahmen an der ehemaligen sowjetisch-chinesischen Grenze hervor. Damals bestand die Organisation noch nicht. Es ging lediglich um jährliche Treffen der Spitzenvertreter von fünf Staaten (Russland, China, Tadschikistan, Kasachstan und Kirgisien), die Grenzvereinbarungen unterzeichneten.

Die Grenzsicherheit und die Sicherheit der zentralasiatischen Region im Ganzen waren das Hauptthema beim Moskauer Treffen der Regierungschefs der Mitgliedsländer der SOZ, der sich 2002 auch Usbekistan angeschlossen hatte. Aber die Auffassung der sechs Staatschefs vom Begriff Sicherheit der Region hat sich etwas verändert. Er hat sich in die Wirtschaft verlagert. Bei armen Ländern, die im Zentrum des eurasischen Kontinents ohne Zugang zu den Weltmärkten und ohne Möglichkeit für eine internationale Zusammenarbeit liegen, kann es keine Sicherheit geben. So könnte man die heutige SOZ-Philosophie formulieren. Darin besteht anscheinend der Sinn der oben angeführten Worte des russischen Präsidenten.

Die Gipfel dieser Organisation werden zweimal im Jahr durchgeführt: Im Frühjahr - Anfang Sommer treffen sich die Präsidenten, die mehr über die Politik und Sicherheit als solche sprechen, und im Herbst - die Premierminister. Bei den Treffen der Letzteren geht es vor allem um die Wirtschaft. Der heutige Moskauer Gipfel unterschied sich wesentlich von den vorangegangenen. Hier ging es zum ersten Mal um den humanitären Bereich. Ein Beispiel dafür ist das Regierungsabkommen im Bildungswesen, das in der SOZ vorbereitet wird. Es wurde betont, dass die zentralasiatische regionale Zusammenarbeit ohne Investitionen in den Menschen und ohne Kontakte zwischen den Menschen, die in dieser Region leben, unmöglich ist.

Das zweite wichtige Ergebnis des Moskauer Gipfels war der Beginn der Schaffung einer Infrastruktur für Kontakte, aber schon im Wirtschaftsbereich.

Es geht um die Bildung nichtstaatlicher Strukturen - des Fonds für SOZ-Entwicklung und des SOZ-Wirtschaftsrates. Die erste Sitzung des Vorstandes des SOZ-Wirtschaftstrates, dieses Forums von Geschäftsleuten, die an multilateralen regionalen Projekten teilnehmen, fand noch vor dem Gipfel statt. Es wurde auch ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Banken im SOZ-Rahmen abgeschlossen. Sein Wesen besteht in der Erleichterung der gegenseitigen Verrechnungen und in Garantien bei der Abwicklung von Bankoperationen.

All das zeugt davon, dass die SOZ keine Organisation von staatlichen Mega-Projekten werden wird, die unter Berücksichtigung politischer Faktoren realisiert werden. Eine gesunde Zusammenarbeit beinhaltet die Teilnahme vieler Geschäftsleute und vieler anderer Leute, die ein festes Gewebe der Zusammenarbeit schaffen, was eigentlich in der zentralasiatischen Region auch geschieht.

Was die Projekte selbst betrifft, so haben auch sie ihren Platz in den Dokumenten des Gipfels gefunden und den Status von Pilotprojekten bekommen. Sie betreffen den gemeinsamen Bau von Wasserkraftwerken und Energieanlagen, die Entwicklung von Transportwegen, die Schaffung von faseroptischen Kommunikationen sowie die Partnerschaft im wissenschaftlich-technischen und landwirtschaftlichen Bereich. Ihre Liste ist umfassend. Aber die einen werden früher und die anderen später in die Tat umgesetzt werden.

Jedes Projekt hat konkrete Investoren, Auftragnehmer und Auftrageber. Nicht unbedingt aus allen sechs Ländern. Die Rolle der SOZ als Organisation kann hier nicht in der Umsetzung der Projekte selbst, sondern in der Gestaltung der Strategie zur regionalen Zusammenarbeit und Entwicklung ausschlaggebend sein. Und der Fonds für Entwicklung muss die Rolle eines Bindeglieds zwischen diesen Projekten und dem Leben der Menschen in Zentralasien spielen. Jener Menschen, für die in letzter Konsequenz neue Unternehmen gebaut werden.

Die dritte Besonderheit des Moskauer Gipfels ist das beeindruckende Beobachterkoprs. Den Beobachterstatus in der SOZ haben Indien, Pakistan, Iran und die Mongolei. Dem Moskauer Gipfel wohnten der indische Außenminister, Natwar Singh, der Erste Vizepräsident Irans, Parviz Dawoodi, der Premierminister der Mongolei, Tsakhia Elbegdori, und der pakistanische Premierminister, Shaukat Aziz, bei. Es ist über jeden Zweifel erhaben, dass ihre Beteiligung von einer großen Anziehungskraft Zentralasiens für die Geschäftskreise der Nachbarländer sowie davon zeugt, dass die SOZ gerade jene Struktur ist, mit deren Hilfe es bequem ist, die Wirtschaft zu entwickeln.

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"Nowyje Iswestija": Wird die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit ein Gegengewicht zur Nato?

Das Treffen der Regierungschefs der Mitgliedsländer der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) hat ein starkes Echo ausgelöst. Zunächst sah die "Christian Science Monitor" darin einen Versuch, ein östliches Gegengewicht zur Nato herzustellen. Danach erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin ohne Umschweife, die Organisation sei in den fünf Jahren über den Rahmen der "ursprünglich erklärten Aufgaben" hinausgegangen, schreibt die "Nowyje Iswestija" am Donnerstag [27. Oktober].

Zur Veröffentlichung in der "Christian Science Monitor" meinte Konstantin Kossatschow, Chef des auswärtigen Staatsduma-Ausschuses, die Zeitung "folgt der klassischen Logik vieler amerikanischer Analytiker, die der Ansicht sind, dass alles, was in der Welt ohne Teilnahme der USA geschieht, a priori gegen dieses Land gerichtet ist".

Professor Juri Galenowitsch, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fernost-Instituts der Russischen Wissenschaftsakademie, stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die SOZ mit einer Konfrontation gegen die NATO nichts zu tun habe. Der Hauptgrund dafür, warum die Treffen dieser Organisation nun eine derart nervöse Reaktion in Übersee hervorrufen, besteht in der demonstrativen Festigung des Vertrauens zwischen Moskau und Peking. Eine markante Bekundung dafür waren die ersten gemeinsamen russisch-chinesischen Manöver im August. Nicht zufällig sprechen die Chinesen von einem "geistigen Einvernehmen", das traditionsgemäß mit einer Partnerschaft zwischen den Militärs beginnt. Die erste Erfahrung dieser Art stammt aus dem Anfang der 50er Jahre, als zwei chinesische Marschälle Übungen beiwohnten, bei denen Elemente von A- und C-Waffen angewandt wurden.

Die SOZ (Russland, China, Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan) hat ferner die Aussicht, zu einem ständigen "heißen Draht" für den Informationsaustausch im Sicherheitsbereich zu werden. Das Gerede von einem Militärbündnis zwischen China und Russland ist sinnlos, weil die Chinesen prinzipiell keinen Militärblöcken beitreten. Die Amerikaner wurden nach dem Mittelasien-Besuch von Außenamtschefin Condoleezza Rice besonders nervös. Trotz ihrer Erwartungen stellte es sich heraus, dass Washington die Situation in den früheren Sowjetrepubliken nicht allzu stark beeinflussen kann. Nervosität bringt aber nie positive Ergebnisse. Für Russland und China wäre es wichtiger, die letzten Unebenheiten in den bilateralen Beziehungen zu beseitigen, stellte der Wissenschaftler abschließend fest.

MOSKAU, 27. Oktober (RIA Nowosti)

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"Kommersant": USA wollen ein Gegengewicht zu bisherigen Staatenvereinigungen in Zentralasien

MOSKAU, 11. Oktober (RIA Nowosti). Während ihrer am Dienstag begonnenen Zentralasien-Reise will die USA-Außenamtschefin Condoleezza Rice die Spitzenpolitiker Kirgisiens, Afghanistans, Kasachstans und Tadschikistans dazu bringen, eine regionale Organisation ohne Beteiligung von Russland, China oder Iran zu bilden, schreibt "Kommersant" am Dienstag.

Nach Ansicht von USA-Analytikern sei ihre Reise eine Art Washingtoner Antwort auf den Besuch von vier mittelasiatischen Spitzenpolitikern letzte Woche zu Wladimir Putins Geburtstag sowie auf den Beitritt der Organisation für die Zusammenarbeit in Zentralasien (SOZ) zur Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG).

Im Vorfeld des Besuchs hatten die USA-Diplomaten einhellig behauptet, die Annäherung Moskaus an die Republiken Mittelasiens beunruhige sie überhaupt nicht, die USA wollten überhaupt nicht gegen Russland um den Einfluss auf die Region kämpfen. "Wir betrachten Mittelasien nicht als Gegenstand eines großen Spiels", erklärte der stellvertretende USA-Außenamtschef Dan Fried.

Nach seinen Worten hätten die USA eigene Interessen in der mittelasiatischen Region, deren Bedeutung mit den Interessen Russlands vergleichbar sei. Unter anderem erwähnte er "den Kampf gegen islamischen Extremismus und Rauschgifthandel":

Die USA schmieden schon seit langem an der Idee der Gründung einer regionalen zentralasiatischen Organisation ohne Russland, China und Iran. Während der Vorbereitung des Besuchs erklärte Rice's Stellvertreterin Josette Scheyer, in all den vier Ländern, darunter auch in Afghanistan, würden "Fragen eines regionalen Handelsabkommens diskutiert".

Faktisch geht es um eine schrittweise Aufhebung der rechtlichen und steuerlichen Barrieren für die Lieferung diverser Arten von Erzeugnissen zwischen den Ländern der mittelasiatischen Region.

Sheyer hob speziell die Wichtigkeit eines freien Exports von Energieträgern hervor, der für Kasachstan als größten Ölexporteur in Mittelasien vom Vorteil wäre.

"Offenbar versucht die Administration, eine wirtschaftliche und politische Alternative zu solchen Strukturen wie der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Kasachstan, China, Kirgisien, Russland, Tadschikistan und Usbekistan) und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (Weißrussland, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Tadschikistan) herzustellen", weil sie die Länder der Region nicht dem Einfluss Moskaus und Pekings überlassen will.

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