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"Friedensmission" nahe Tscheljabinsk

Militärmanöver der Shanghai-Gruppe

Von Vougar Aslanov *

"Friedensmission 2007" ist die Bezeichnung eines achttägigen Manövers der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), das am Donnerstag im russischen Gebiet Tscheljabinsk beginnt.

Etwa 5000 Soldaten und Offiziere mit 500 »technischen Einheiten«, größtenteils aus Russland und China, sollen den »antiterroristischen« Kampf üben, wie es offiziell heißt. Die Manöver böten überdies die Möglichkeit, Kontakte zwischen den Militärs auf allen Ebenen zu vertiefen, sagte der Generalsekretär der Organisation des Vertrages für Kollektive Sicherheit (OVKS), Nikolai Bordjuscha, der russischen Nachrichtenagentur »Nowosti«. Bordjuscha plädiert dafür, dass SOZ und OVKS künftig auch gemeinsame Manöver veranstalten. Zuletzt fanden SOZ-Militärübungen 2005 auf der chinesischen Halbinsel Shandong statt.

1996 hatten die Staatsoberhäupter Chinas, Russlands, Kasachstans, Kirgistans und Tadshiki-stans in Shanghai vertrauensbildende Maßnahmen für ihre Grenzregionen vereinbart. Fünf Jahre später beschloss der gleiche Kreis – erweitert um Usbekistans Präsidenten – am gleichen Ort die Gründung der SOZ. Zum nächsten Gipfel, der für den 16. August ins kirgisische Bischkek einberufen ist, hat sich auch Turkmenistans neuer Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow angesagt – ein Zeichen dafür, dass sein Land aus der selbst gewählten Isolierung treten könnte. Iran, Indien, Pakistan und die Mongolei haben bereits Beobachterstatus bei der SOZ.

Die Zusammenarbeit zwischen der Shanghai-Gruppe und der Organisation des Vertrages für Kollektive Sicherheit (OVKS) erscheint durchaus natürlich, gehören der OVKS doch außer China sämtliche SOZ-Staaten sowie Armenien und Belarus an.

Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht die SOZ den gemeinsamen Kampf gegen die »drei Übel« Terrorismus, Extremismus und Separatismus an. Der Gipfel in Bischkek soll sich aber auch der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit widmen. Der Kampf gegen die »drei Übel« resultiert vor allem aus den Interessen Chinas und Russlands, islamisch-separatistischen Kräften etwa im autonomen chinesischen Gebiet Xinjiang oder unter turksprachigen Völkern Russlands entgegenzutreten und deren Unterstützung durch islamistische Bewegungen Zentralasiens zu verhindern.

Zugleich wird die SOZ als Gegengewicht zur NATO und als Instrument zur Eindämmung westlicher Einflüsse auf die Region gesehen. In der russischen Presse wird häufig geargwöhnt, Washington beabsichtige, selbst eine Organisation zentralasiatischer Staaten aus der Taufe zu heben. Als ein solcher Versuch gilt die neue »Konferenz der Turkstaaten« mit Sitz in Istanbul. Sie zeige, dass sich auch die USA pannationalistischer Bestrebungen und der extremistischen Ideologie des Panturkismus bedienten, um russische und chinesische Einflüsse zu schwächen. So erregte die Türkei kürzlich Aufsehen durch die Lockerung ihrer Einreisebestimmungen für Bürger der »Turkstaaten«, der Mongolei und Tadshikistans (die nicht zum turksprachigen Raum zählen). Dies gilt als Beweis dafür, dass Ankara – mit dem Wohlwollen der USA – die Karte des Panturkismus spielt. Wie schon zu Zeiten des Kalten Krieges, als die damaligen Sowjetrepubliken ideologisch und kulturell gespalten werden sollten.

Die Frage bleibt, ob die SOZ fähig sein wird, trotz unübersehbarer Unterschiede zwischen den Beteiligten durch Zusammenarbeit in Verteidigung, Wirtschaft und Kultur eine wirksame Gegenkraft zu bilden.

* Aus: Neues Deutschland, 9. August 2007

Aktuelle Meldungen der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti

Schanghaier Vertrag statt des Warschauer Paktes

Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) wurde als Instrument für die Realisierung von wirtschaftlichen und humanitären Schritten geschaffen. Eine erfolgreiche Wirtschaftstätigkeit ist aber unmöglich, wenn nicht die militärischen Ämter der Mitgliedsstaaten daran teilnehmen.
Diese Einschätzung traf General Juri Balujewski, Generalstabschef der russischen Streitkräfte, bei den militärpolitischen Konsultationen, die in der kleinen chinesischen Stadt Urumtchi geführt werden. Darüber schreibt am 10. August die russische Zeitung "Nesawissimaja gaseta".

Freilich machte Balujewski den Vorbehalt, dass Russland gegen militärische Blöcke usw. sei. Doch wirken diese Worte höchstens als ein Tribut an die offizielle Rhetorik.
"Die Ansprüche der USA und der NATO auf die Weltführung müssen einige Gegengewichte haben. Zweifellos braucht Russland heute Verbündete, erst recht in einer so komplizierten Region wie Asien", sagte Vitali Schlykow, Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik. "In dieser Hinsicht kann die Erklärung des Generalstabschefs als eine absolut normale Reaktion der russischen Behörden auf die zunehmende Zuspitzung in der Welt eingeschätzt werden."
Vitali Schlykow schloss auch nicht aus, dass die von Balujewski verkündete Initiative gewissermaßen eine Antwort auch auf die Entfaltung des amerikanischen ABM-Systems in Europa sein könne: "Wir antworten auf Amerikas Streben nach der Welthegemonie auf verschiedene Weise, und die Verleihung eines militärpolitischen Vektors an die SOZ ist nur eine davon", betonte der Experte.

Pawel Solotarjow, stellvertretender Direktor des Moskauer USA- und Kanada-Instituts, erläuterte dem Kommentator der "Nesawissimaja gaseta": "Es ist eindeutig zu verstehen, dass in der Welt eine bestimmte Kräftebilanz erhalten werden muss. Die Aktivitäten des Nordatlantikpaktes in Asien sind sehr intensiv und es ist absolut verständlich, dass die SOZ-Länder um ihrer Sicherheit willen einige militärpolitische Konzepte ausarbeiten müssen, die den Schutz der nationalen Interessen gewährleisten können. Russland strebe danach, die Schanghaier Organisation zu aktivieren. Leider kann heute keine Struktur dieser Art effektiv handeln, wenn die militärischen Mechanismen zur Gewährleistung der regionalen Sicherheit nicht in Betracht gezogen werden."
Die SOZ kann also eine reichhaltige militärische Zukunft haben, so die "Nesawissimaja gaseta".

RIA Novosti, 10. August 2007

Chinesischer Diplomat: SOZ hat noch keine Rechtsbasis für Aufnahme neuer Mitglieder

Beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), das für den 16. August in Bischkek anberaumt ist, wird es nicht um die Aufnahme neuer Mitglieder gehen. Darauf verwies der Berater des Außenministers der VR China (im Rang eines stellvertretenden Ministers) Li Hui am Donnerstag in einem Pressegespräch.
„Die SOZ ist selbstverständlich keine geschlossene Organisation und sie muss sich entwickeln. Die SOZ prüft jetzt, wie sie die praktische Zusammenarbeit mit den Beobachterländern besser gestalten kann“, sagte Li Hui. „Aber die Rechtsbasis für die Aufnahme neuer Mitglieder fehlt“, konstatierte der Diplomat. Er äußerte, dass es somit verfrüht wäre, über die Aufnahme neuer Mitglieder zu sprechen.
Li Hui teilte mit, dass der Vorsitzende der VR China, Hu Jintao, am 7. SOZ-Gipfel teilnehmen werde. Laut dem Ministerberater wird dieses Treffen eine „historische Bedeutung“ haben.
Li Hui verdeutlichte, dass neben den Staatschefs der sechs Mitgliedsländer (Russland, China, Kirgisien, Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan) auch die höchsten Repräsentanten und ranghohe Beamte der Beobachterländer, darunter Irans und der Mongolei, an dem Gipfeltreffen teilnehmen werden. Dem Treffen wird erstmals das Staatsoberhaupt von Turkmenien, Stellvertreter des UN-Generalsekretärs, als Gast des kirgisischen Präsidenten beiwohnen.
„Dies spricht für den zunehmenden Einfluss der SOZ in der Region und der Welt“, sagte der chinesische Diplomat. Die Seiten würden beim Gipfeltreffen den Weg erörtern, den die Organisation seit dem letzten Treffen zurückgelegt habe, sowie Meinungen zu regionalen Problemen austauschen, sagte Li Hui.

Wie zuvor gemeldet, wird der Vorsitzende der VR China, Hu Jintao, vom 14. bis 18. August Kirgisien, Russland und Kasachstan besuchen. Er wird am SOZ-Gipfel in Bischkek teilnehmen und die Antiterrorübungen der SOZ „Friedensmission-2007“ in Russland beobachten. Die Übungen werden vom 9. bis 17. August im Gebiet Tscheljabinsk durchgeführt.

RIA Novosti, 9. August 2007

Generalstabschefs starten SOZ-Anti-Terror-Übung in China

Die Generalstabschefs aus den Staaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) haben mit einer Strategieberatung in der chinesischen Stadt Urumchi (Nordwesten Chinas) die Anti-Terror-Übung "Friedensmission 2007" eingeläutet. Das teilte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit.

Die aktive Phase der Anti-Terror-Übung wird im russischen Gebiet Tscheljabinsk (Westsibirien) auf dem Manövergelände Tschebarkul durchgeführt. Während der Übung werden etwa 6 000 Soldaten aus den SOZ-Ländern und mehr als 1 000 Einheiten an Kampftechnik eingesetzt. Russland wird 2 000 Mann bereitstellen, China 1 700 Mann, die Armeen von Kasachstan und Tadschikistan je eine Kompanie sowie andere Staaten ihre Sondereinheiten.

Die russischen Streitkräfte schickten zu dieser Übung Truppenteile der 34. motorisierten Schützendivision des Wolga-Ural-Militärbezirks, Armee- und Kampfflieger der 5. Armee der Luftstreitkräfte und Luftverteidigung, Einheiten der Luftlandetruppen. Zudem nehmen an der Übung russische Einheiten der Truppen des Innenministeriums, der Hauptverwaltung für Strafvollzug, des Grenzdienstes des Inlandsgeheimdienstes FSB und anderer bewaffneten Behörden teil. Die Übung geht bis zum 17. August.

RIA Novosti, 9. August 2007




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