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Anschlagswelle in Süddeutschland

Wieder Brandstiftung an Flüchtlingsheimen in Bayern und Baden-Württemberg

Von Susan Bonath *

Die Serie rassistischer Anschläge reißt nicht ab. Am Wochenende legten erneut Unbekannte Feuer in zwei Flüchtlingsheimen in Baden-Württemberg und Bayern. Allein in der vergangenen Woche brannten damit vier Unterkünfte im Süden Deutschlands. Zwei davon waren bewohnt, die anderen sollten in Kürze bezogen werden. In drei Fällen steht laut Polizei bereits fest: Das Feuer wurde absichtlich gelegt.

So ging in der Nacht zum Samstag in Remchingen bei Karlsruhe (Baden-Württemberg) ein leerstehendes Gebäude in Flammen auf. Das ehemalige Vereinsheim sollte für Flüchtlinge umgebaut werden. Die Polizei geht von einer vorsätzlichen Tat aus und prüft einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Im oberbayrischen Waldaschaff im Landkreis Aschaffenburg brannte am Samstag morgen ein Papiercontainer in einer Garage, die zu einer Unterkunft gehört. In dem Gebäude leben 30 Asylsuchende, 18 sollen während des Feuers im Haus gewesen sein. Verletzt wurde laut Polizei niemand. Ob es Brandstiftung war, sei noch unklar. Nach Angaben der Polizei gegenüber der Nachrichtenagentur dpa entdeckte ein Passant den brennenden Container und rollte ihn ins Freie. Zeugen zufolge soll sich kurz vor Ausbruch des Feuers ein Mann im Hof der Einrichtung aufgehalten haben. Die Kripo ermittele »in alle Richtungen«. Gegen die Einrichtung hatten in den vergangenen Wochen mehrfach organisierte Rechte und Anwohner protestiert.

Der Brand in Waldaschaff war der dritte in Bayern binnen weniger Tage. Schon in der Nacht zum Donnerstag hatten Unbekannte Feuer in einer geplanten Unterkunft in Reichertshofen im Landkreis Pfaffenhofen gelegt. Im September sollten dort 67 Flüchtlinge einziehen. Die Polizei fand an zwei Eingängen des Gebäudes Brandbeschleuniger (junge Welt berichtete). Eine Sonderkommission prüfe dort rund ein Dutzend Hinweise aus der Bevölkerung, meldete die Polizei am Samstag. Eine »heiße Spur« gebe es bislang nicht. Mutwillig war nach Erkenntnis der Polizei Rosenheim auch ein Feuer in Prien am Chiemsee gelegt worden. Am Dienstag hatte es dort im Keller eines Flüchtlingsheims gebrannt. Die rund 50 Bewohner waren erst Ende Mai dort eingezogen. Sie waren unverletzt geblieben und wurden am selben Abend in ihre Zimmer zurückgebracht. Die Opposition machte die in Bayern regierende CSU mitverantwortlich für den ausufernden Fremdenhass und warf ihr »Hetzreden« vor. Das hielt CSU-Chef Horst Seehofer nicht davon ab, auf dem Bezirksparteitag am Samstag in Niederbayern seine Klage über angeblichen »massenhaften Asylmissbrauch«, der »keine Großherzigkeit« zulasse, zu erneuern. Man wolle Bayern »als Zuwanderungsland unattraktiv machen« und werde die Standards auf ein Mindestmaß herunterschrauben, kündigte er an.

Unterdessen sorgt eine rassistische Landkarte bei Google Maps weiter für geistige Brandstiftung. Sie markiert Hunderte bestehende oder geplante Unterkünfte für Asylsuchende in Deutschland, teils mit Anschrift und Anzahl der Bewohner (jW berichtete). Nach Protesten von Nutzern hatte der Konzern die Karte, die offenbar schon seit Anfang 2015 unter dem Titel »Kein Asylantenheim in meiner Nähe« online war, am Freitag gelöscht. Sie verstoße gegen die Richtlinien von Google, weil sie Hass befördern könne, hieß es. Doch seit Samstag ist die Karte wieder bei Google Maps abrufbar, diesmal unter der Überschrift »Übersicht zu Asylantenheimen in Deutschland«. Verbreitet hat sie die neofaschistische Kleinpartei »Der III. Weg«. Auf ihrer Homepage beschreibt diese nicht nur detailliert, wie Gesinnungskameraden gegen Flüchtlingsheime vorzugehen hätten und wie sie Anwohner einspannen könnten. Sie fordert zudem nach NSDAP-Manier einen »deutschen Sozialismus«, »deutsche Kinder« und ein neues Großdeutschland. Neben Rheinland-Pfalz, wo sie ihren Sitz angibt, ist sie in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen besonders aktiv. Im sächsischen Plauen stellt sie einen Stadtrat.

* Aus: junge Welt, Montag, 20. Juli 2015


Beifall von der NPD

Polizei als Stichwortgeber für extreme Rechte: Man müsse auch »nein« zu Flüchtlingen sagen können, meint der Präsident der Bundespolizei

Von Markus Bernhardt **


Statt endlich den Schutz von Flüchtlingen und ihren Unterkünften vor der ausufernden rassistischen Gewalt zu gewährleisten, üben sich nun auch hochrangige Polizeibeamte in der Stimmungsmache gegen Asylsuchende und Migranten. Schon anlässlich der Vorstellung des »Jahresberichtes der Bundespolizei 2014« am 13. Juli war der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, mit bemerkenswerten Äußerungen aufgefallen. »Man kann sicherlich darüber streiten, ob man mehr Zuwanderung will oder weniger oder welche Zuwanderung man will. Doch egal, für welche Variante wir uns in Deutschland entscheiden: Sie setzt in jedem Fall eine Steuerung voraus.« Man müsse auch »nein« sagen können – »und dieses ›Nein‹ auch durchsetzen können«, so Romann. Außerdem begrüßte er die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière »angestoßenen Beschleunigungen der Asylverfahren sowie die Änderungen zur besseren Durchsetzbarkeit von Ausreisepflichten« als »richtigen Schritt«.

Neben Romann mischt sich auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in die laufende Debatte ein. Galt sie bisher noch als liberal im Vergleich zur »Deutschen Polizeigewerkschaft« (DPolG), deren Führung regelmäßig durch äußerst rechte Stimmungsmache und Forderungen auffällt, scheint nun auch die GdP im Trüben fischen zu wollen. Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der GdP, wandte sich jüngst mit einem Brandbrief an de Maizière (CDU). Darin kritisierte der Gewerkschaftsvize, dass die Bundespolizei nicht mehr in der Lage sei, wie gesetzlich vorgeschrieben, die Fingerabdrücke von Flüchtlingen bei der Einreise zu nehmen.

»Niemand weiß bei diesen Verfahren, welche Personen tatsächlich nach Deutschland gekommen sind und zu welchem Zweck, ob es sich um Flüchtlinge oder Rückkehrer aus Bürgerkriegsregionen handelt. Wenn schon die Feststellung der wahren Identität ohnehin in vielen Fällen schwierig ist, so ist das jetzige Verfahren eine Einladung zur Identitätsverschleierung«, schrieb Radek an den Bundesinnenminister.

Der neofaschistischen NPD kamen die Äußerungen der beiden hochrangigen Polizeibeamten entgegen. So sprach sich Ronny Zasowk, stellvertretender Parteivorsitzender und Leiter des »Amtes Bildung in der NPD«, am Donnerstag in der Onlineausgabe des NPD-Zentralorgans Deutsche Stimme dafür aus, »illegaler Zuwanderung den Riegel vorzuschieben« und untermauerte seine Forderung mit den Äußerungen Romanns und Radeks. Die NPD verstehe sich als Stimme der »zuwanderungsskeptischen Mehrheit der Deutschen«, die sowohl aus sozial- als auch aus sicherheitsheitspolitischen Gründen »keine weitere Massenzuwanderung nach Deutschland« wolle, so Zasowk.

»Wenn alle Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen aus dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und dem Dubliner Übereinkommen (DÜ) nachkämen, dürften an den Landgrenzen der Bundesrepublik überhaupt keine unregistrierten Flüchtlinge ankommen«, wusste auch Heiko Teggatz, erster stellvertretender Bundesvorsitzender der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft zu berichten. »Jeder unregistrierte Asylsuchende ist bei seiner Ankunft in Deutschland offensichtlich unkontrolliert durch mindestens zwei Schengenstaaten gereist. Hier liegt der Hase im Pfeffer! Daran muss dringend auf europäischer Ebene gearbeitet werden«, forderte Teggatz.

Während sich auch Behörden und staatliche Institutionen zunehmend an der pauschalen Verächtlichmachung von Flüchtlingen beteiligen und sich Meldungen über rassistische Kontrollen und Übergriffe von Polizisten auf Migranten häufen, kann die Bundesregierung keinen Rassismus in staatlichen Institutionen erkennen. Sie könne »keinen Ansatz für die Feststellung eines Strukturproblems« ausmachen, antwortete sie jüngst auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion. Im Gegensatz zu solchen Aussagen der Regierung steht die Wahrnehmung der Antirassismuskommission der Vereinten Nationen. Diese hatte die Bundesrepublik bereits mehrfach bezichtigt, Rassismus nicht ausreichend zu bekämpfen.

** Aus: junge Welt, Montag, 20. Juli 2015


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