"Verschiedene Ansätze für dasselbe Projekt"
AfD, Pegida und andere agieren gegen die Interessen der Mehrheit der lohnabhängig Beschäftigten. Ein Gespräch mit Phillip Becher *
Phillip Becher ist Sozialwissenschaftler und Mitglied der Redaktion der DKP-nahen Zeitschrift Marxistische Blätter.
Sie haben vor wenigen Tagen im Kölner Verlag PapyRossa das Buch »Der Aufstand des Abendlandes: AfD, Pegida & Co: Vom Salon auf die Straße« veröffentlicht. Wie bewerten Sie die Aktivitäten dieser noch jungen rechten Bewegung?
Bewegungen wie Pegida und ihre vielen Ableger und Spaltprodukte sammeln viele derjenigen ein, die mit der herrschenden Politik unzufrieden sind – ebenso wie HoGeSa oder die Proteste gegen die rot-rot-grüne Regierung Thüringens, die ich gemeinsam mit Josef Kraft und Christian Begass in diesem Buch untersucht habe. Die Motive der Protestierenden sind dabei mitunter sehr unterschiedlich. Pegida und andere lenken diese Unzufriedenheit aber auf eine Bahn, die für die herrschende Politik verhältnismäßig ungefährlich ist. Mit anderen Worten: Es wäre bitter nötig, dass sich Sozialprotest mit progressiver Perspektive formiert – es werden aber Kulturkampf und Rassismus geprobt. Auch und gerade an dieser Stelle müsste die Kritik ansetzen.
Was ist die wichtigste Aussage in Ihrem Buch?
Die These, die wir im Text vertreten und die auch im Titel aufscheint, lautet grob zusammengefasst: Die genannten Bewegungen sind nicht einfach nur spontane Ausdrücke populärer Stimmungen »von unten«, sondern unterstützen unter einem oppositionellen Label eine bestimmte Interessenpolitik. Der Protest gelangt somit vom Salon auf die Straße. Die Interessen, die dahinterstecken, vertragen sich gut mit der Kritik am Parteienstaat oder an der »political correctness«, die mitunter als »linke Meinungsdiktatur« bezeichnet wird.
Sowohl Pegida als auch die AfD gelten als Sammelsurium von Rassisten, Neoliberalen und mancherorts auch extremen Rechten. Kann dieses Spektrum tatsächlich zusammengeführt werden und erfolgreich agieren?
Ich glaube schon. Mit der AfD haben die interessierten Kreise, auf die wir in unserem Buch im Detail eingehen, ein Instrument zur Hand, das sie ungern verlieren möchten. Die parteiinternen Konflikte, über die die Medien zur Zeit berichten, werden oft irreführend auf den Gegensatz gebracht: Liberale hier – Deutschnationale dort. Das betrachte ich allerdings als den Versuch, verschiedene Ansätze für ein und dasselbe Projekt auszuprobieren. Diese Auseinandersetzung wird jetzt geführt, um den Rücken frei zu halten für die Landtagswahlkämpfe im kommenden Frühjahr.
Insbesondere in Baden-Württemberg hat die AfD ein großes Potential – in den 90er Jahren waren dort die rechten Republikaner nämlich sehr stark. Diese relativ neue Partei sitzt inzwischen immerhin schon in fünf deutschen Landesparlamenten. Um in Thüringen den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu verhindern, waren CDU und AfD dem Vernehmen nach sogar bereit, eine Stimmgemeinschaft einzugehen. Gleichzeitig protestierten in Erfurts Innenstadt Tausende gegen das Feindbild Sozialismus und ergänzten so die Kritik der beiden Parteien.
Wie könnte man Pegida, AfD und ähnliche Gruppierungen zurückdrängen? Was wäre eine geeignete antifaschistische Strategie?
Eine solche Strategie müsste aus meiner Sicht den Hinweis enthalten, dass hier nicht von radikalem Protest die Rede sein kann. Es wird vielmehr eine gegen die Interessen der Mehrheit der lohnabhängig Beschäftigen in diesem Land gerichtete Politik formuliert, die die bisherigen Rückschritte in Sachen Demokratie und Sozialpolitik in den Schatten stellen würde.
Es verheißt nichts Gutes, wenn der »Konvent für Deutschland« die »Reform der Reformfähigkeit« fordert. Dieser Thinktank ist 2003 von dem früheren BDI-Chef und nunmehrigen AfD-Europaabgeordneten Hans-Olaf Henkel gemeinsam mit dem Unternehmensberater Roland Berger gegründet worden.
Phillip Becher, Christian Begass, Josef Kraft: »Der Aufstand des Abendlandes: AfD, Pegida & Co.: Vom Salon auf die Straße«, Neue Kleine Bibliothek 216, 130 Seiten, PapyRossa Verlag Köln, 11,90 Euro.
Interview: Markus Bernhardt
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 04. Juni 2015
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