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Brauner Intrigantenstadel

Jahresrückblick 2013. Heute: NPD und rechte Szene. Neonazipartei zerlegt sich selbst, hofft aber auf erfolgreiches Abschneiden bei Europawahl

Von Markus Bernhardt *

Die rechte Szene in der Bundesrepublik ist in verschiedene Parteien und militante außerparlamentarische Gruppierungen zersplittert. Als federführend im offen neofaschistischen Lager gilt nach wie vor die in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern vertretene NPD, obwohl sie vor allem in den letzten Wochen durch Personalquerelen, Finanzskandale und mangelnde Zahlungsfähigkeit von sich reden machte.

Nach dem Amtsverzicht des bisherigen NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel und seinem Parteiaustritt am 24. Dezember (jW berichtete) soll Udo Pastörs den Vorsitz vorerst kommissarisch übernehmen. Erklärtermaßen will er das Amt gern behalten, obwohl auch sein bisheriger Verbündeter, der langjährige Apfel-Vorgänger Udo Voigt, erneut Interesse daran bekundet hat. Beide buhlen zudem um die Nominierung als Spitzenkandidat zur EU-Wahl.

Den Vorschlag einer Doppelspitze, der von Basisvertretern ins Gespräch gebracht worden war, lehnte Pastörs ab. »Dafür stehe ich persönlich nicht zur Verfügung. Ich halte nichts davon, künstliche Harmonie herzustellen«, stellte er vor wenigen Tagen klar. Daß er so die zerstrittene Partei zusammenhalten kann, darf bezweifelt werden.

Hinzu kommt, daß der Landesrechnungshof in Schwerin der von Pastörs geführten Fraktion aktuell vorwirft, 80000 Euro an Steuergeldern nicht ordnungsgemäß verwendet zu haben. So soll Marko Müller, Bruder des Landtagsabgeordneten Tino Müller, zwischen November 2011 und Januar 2013 für die NPD-Fraktion gearbeitet haben und dafür auch entlohnt worden sein, obwohl er nicht einmal einen Hausausweis des Landtags besessen habe. Mittlerweile machen Vorwürfe der Veruntreuung und Vetternwirtschaft gegen die Brüder die Runde. Beide sind Mitglied des NPD-Landesvorstandes.

Auch auf Bundesebene steckt die Partei in einer Finanzkrise. So hat der Bundestag eine anstehende Auszahlung aus der staatlichen Parteienfinanzierung gestoppt, da die NPD eine Geldstrafe von 1,27 Millionen Euro bisher nicht beglichen hat, zu der sie aufgrund eines fehlerhaften Rechenschaftsberichts von 2007 verpflichtet gewesen wäre.

Daß es der NPD ausgerechnet mit dem verurteilten Straftäter Udo Pastörs an der Spitze, der in der Vergangenheit türkische Männer als »Samenkanonen« und die Bundesrepublik als »Judenrepublik« bezeichnet hatte, gelingen kann, ein drohendes NPD-Verbot abzuwenden, gilt auch in der Partei selbst als umstritten. Allerdings sind rund ein Viertel der NPD-Funktionäre wegen verschiedener Straftaten rechtskräftig verurteilt, wie aus dem Material für den aktuellen Verbotsantrag hervorgeht.

Eine Alternative zu Pastörs könnte der amtierende NPD-Bundespressesprecher Frank Franz darstellen, dessen Name in Diskussionen an der Parteibasis immer häufiger genannt wird. Der 35jährige war von 2005 bis 2012 Landesvorsitzender der neofaschistischen Partei im Saarland und ist seit 2011 auch Mitglied des Bundesvorstandes. Im Gegensatz zu vielen seiner Gesinnungsgenossen gilt er als smarter und moderner Politikertyp, der der NPD nach außen ein sympathischeres Gesicht geben könnte. Doch seine Kandidatur dürfte weder bei Pastörs noch beim ehemaligen NPD-Chef ­Voigt auf Gegenliebe stoßen. Denn wie Apfel setzt Franz eher auf »seriöse Radikalität«, um potentielle Wähler im nationalkonservativen Milieu nicht zu sehr zu verschrecken.

Zum Problem für die NPD könnte die von Christian Worch gegründete Partei »Die Rechte« werden, die eigenen Angaben zufolge am 28. Dezember in Rheinland-Pfalz ihren mittlerweile achten Landesverband gründete. In Nordrhein-Westfalen gilt sie als Sammelbecken von Angehörigen der im Jahr 2012 verbotenen militanten »Kameradschaften«. Mitglieder des Dortmunder Kreisverbandes der Partei bezeichneten den NPD-Politiker Mat­thias Wächter wiederholt öffentlich als »Polizeizuträger und Verräter«, der »Nationalisten dem Repressionsapparat der Herrschenden aussetzt« und somit »seinen Platz in den Reihen der nationalen Bewegung verloren« habe.

Sowohl Die Rechte als auch die NPD hoffen auf ein erfolgreiches Abschneiden bei der EU-Wahl am 25. Mai. Derzeit prüft das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, inwiefern auch eine im Sommer vom Bundestag beschlossene Wahlhürde von drei Prozent gegen die Wahl- und Chancengleichheit der Parteien verstößt. Um zumindest einen Abgeordneten in Brüssel stellen zu können, muß eine an der Wahl teilnehmende Partei mindestens 130000 Wählerstimmen auf sich vereinen. Dies gilt sowohl für die NPD als auch für Die Rechte als unwahrscheinlich.

Während der Verbotsantrag gegen die NPD im Dezember unter anderem aufgrund einer »Wesensverwandtschaft« zwischen deren Ideologie und der der ­NSDAP beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde, prüft das nordrhein-westfälische Innenministerium offenbar auch Möglichkeiten, die noch junge Worch-Partei zu verbieten, die mit dem derzeit inhaftierten Neonazi Sven Skoda als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf ziehen will. Die Justiz wirft ihm Unterstützung einer »kriminellen Vereinigung« vor. Um überhaupt zur Wahl antreten zu dürfen, muß Die Rechte mindestens 4000 Unterstützerunterschriften sammeln.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 31. Januar 2013


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