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"Nützliche Idioten" der EU und des Zionismus

Rechtsextreme Debatten: Völkische Argumente bekamen durch die Eingliederung der Krim in die russische Föderation Aufwind

Von Carsten Hübner *

Die europäischen Rechtsextremen halten es eher mit Russland denn mit den rechten Unterstützern des Umsturzes in Russland.

Die Kämpfer der ultranationalistischen Partei Swoboda und des neonazistischen Rechten Sektors haben beim Sturz des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch die Drecksarbeit gemacht. Dafür wurden ihre Führer in der Übergangsregierung von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk mit einflussreichen Posten belohnt. Bei den braunen Gesinnungsgenossen in Europa kommt darüber wenig Freude auf. Hier hält man es eher mit Russland.

Für Rigolf Hennig, Frontmann der rechtsextremen »Europäischen Aktion«, ist die Lage klar. Die ukrainischen Nationalisten haben sich von »den Zionisten im Gewand der EU« einspannen und als »nützliche Idioten« missbrauchen lassen. Das sei doppelt bitter, sagt der ehemalige NPD-Funktionär. Denn »wenn das Monster ›Zionismus‹ über die Ukraine verfügt, dann ist Russland gefährdet und nur noch China steht zwischen ihm und der Weltherrschaft.« Deshalb müsse das rechte Lager eine Güterabwägung vornehmen, bei der die Wahl nicht schwer falle. »Auch wenn Putin schwer zu durchschauen ist: er hat bislang geopolitisch gute Arbeit geleistet«, findet Hennig.

Rigolf Hennig steht mit seinen Positionen keineswegs alleine da. Nick Griffin, Chef der neofaschistischen British National Party, warnt in Richtung Kiew, »den US- und EU-Globalisten bei ihrem anhaltenden Krieg geben die Völker Europas, was selbstverständlich Russland einschließt«, nicht auf den Leim zu gehen.

Aus Sicht von Márton Gyöngyösi, dem außenpolitischen Sprecher der neonazistischen Partei Jobbik im ungarischen Parlament, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Er attestiert der Übergangsregierung unter Beteiligung von Swoboda, sie sei »chauvinistisch und illegitim«. Zur Macht verholfen hätten ihr das »verlogene Verhalten und die politischen Manöver der atlantischen Kräfte«.

Der ehemalige Vorsitzende und jetzige Spitzenkandidat der NPD zur Europawahl, Udo Voigt, sieht sogar den Weltfrieden gefährdet. »Sie hetzen die Ukrainer gegen die Russen auf und lassen sie am Ende doch im Stich«, so Voigt an die Adresse von Europäischer Union und Vereinigten Staaten.

Die extreme Rechte hat vor allem zwei Motive, auf Distanz zu ihren rechten Kameraden in der Ukraine zu gehen und gleichzeitig das Vorgehen Russlands auf der Krim mehr oder weniger euphorisch zu begrüßen.

Da ist zum einen die diplomatische Unterstützung der Europäischen Union und der USA beim Sturz der ukrainischen Regierung. Schon der Begriff »Euromaidan« rief nicht gerade Sympathien hervor. Zudem hielten sich hartnäckig Gerüchte, die EU und die USA hätten den Aufstand auch ganz konkret mit Millionenbeträgen finanziert. Das kam im rechten Lager nicht gerade gut an.

Denn seit Ende des Kalten Krieges ist man sich dort weitgehend einig, der Hort des Bösen seien Washington und Brüssel, während das postsowjetische Russland mehr und mehr zu einem strategischen Partner avanciert. So strebt etwa die extrem rechte NPD in ihrem Programm »den Abschied von der manischen transatlantischen Fixierung der deutschen Politik an« und befürwortet stattdessen »eine stärkere Kooperation mit europäischen Partnern wie Frankreich und eurasischen Machtzentren wie Russland und China.« Diesen Ansatz teilen viele Rechtsaußenparteien Europas. In neurechten akademischen Kreisen wird seit längerem über eine Achse Paris-Berlin-Russland diskutiert.

Dazu kommt, dass der russische Präsident Vladimir Putin mit der kürzliche erfolgten Eingliederung der Krim ein machtpolitisches Husarenstück hingelegt hat. Die neue Regierung der Ukraine gab gesenkten Hauptes klein bei. Dem Westen blieb nichts anderes übrig, als das Geschehen schimpfend von der Zuschauerbank aus zu betrachten.

Ein zweiter Aspekt dürfte aber mindestens ebenso wichtig sein, weil er unmittelbare Folgewirkungen auf die Minderheitenpolitik in Europa haben könnte. Denn Russland begründete die Eingliederung der Krim mit der Lage der russischen Minderheit in der Ukraine. Das war Wasser auf die Mühlen völkischer Nationalisten überall in Europa. Und so folgten viele von ihnen auch bereitwillig der Einladung Moskaus, dem Referendum auf der Krim als Wahlbeobachter beizuwohnen.

Für separatistische Rechtsaußenparteien wie den Vlaams Belang, der Belgien aufspalten möchte, die Lega Nord, die für ein unabhängiges Norditalien kämpft, oder die Freiheitliche Partei Österreichs, die noch immer Ansprüche auf Südtirol erhebt, war das Vorgehen Russlands eine Ermutigung. Das sehen auch die ungarischen Faschisten von Jobbik so. Aus historischen Gründen eher zurückhaltend gegenüber Russland, schien ein jüngstes Statement unmittelbar der Kreml-Propaganda entliehen. Man rufe die ungarische Regierung dazu auf, »Schritte zu ergreifen, um die ungarische Minderheit in Transkarpatien zu schützen«.

* Aus: neues deutschland, Montag, 7. April 2014


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