UN-Rassismus-Konferenz: Am Ende steht ein Kompromisspapier
Auszüge aus der Abschlusserklärung - Kofi Annan und amnesty international: Konferenz war ein Erfolg
Am Ende war es fast wie ein Wunder, dass doch noch eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden konnte. Die UN-Konferenz 2001 gegen Rassismus, nach 1978 und 1983 die dritte derartige Weltkonferenz, stand tagelang am Rande des Scheiterns, weil es scheinbar unüberbrückbare Gegensätze in einigen zentralen Fragen gab. So hatte der Streit um die Rolle Israels im Nahostkonflikt eine wichtige Rolle in den Diskussionen
gespielt. Die USA und Israel hatten die Konferenz am 3. September vorzeitig verlassen, nachdem es wiederholt Versuche arabischer Delegationen gegeben hatte, Israel des Rassismus zu bezichtigen und diese Kritik in der geplanten Abschlusserklärung zu verankern. Eine ähnliche Linie verfolgte auch die Mehrheit des Forums der Nichtregierungsorganisationen, die auch eine entsprechende Resolution annahm. Der zweite höchst umstrittene Punkt betraf das von den Ländern der Dritten Welt verlangte Schuldeingeständnis der ehemaligen Kolonialmächte für deren jahrhundertelang praktizierten Sklaven- und Menschenhandel. Die USA und die westeuropäischen Staaten waren allenfalls zu einer allgemeinen Entschuldigung bereit, nicht aber zu einer verbindlichen Erklärung, aus der möglicherweise Rechtsansprüche auf Schadenersatz abgeleitet werden könnten.
Die in Durban versammelten Vertreter von 160 Staaten mussten am Ende noch einen Tag nachsitzen, bis die Schlussdeklaration dann doch fast einmütig verabschiedet werden konnte. Der Kompromiss bestand u.a. darin, dass von einer direkten
Verurteilung Israels Abstand genommen wurde. Es wurde aber auf das
Elend der Palästinenser "unter fremder Besatzung" hingewiesen. Außerdem wird das Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge anerkannt und es wird das Sicherheitsinteresse aller Staaten der Region "einschließlich Israels" betont. Was das koloniale Erbe betrifft, so äußerte die Konferenz "tiefstes Bedauern über die schweren
Leiden", die von der Sklaverei verursacht worden seien. (Vgl. unsere Textauszüge aus der Erklärung weiter unten.)
In ersten Reaktionen darauf äußerten sich der UN-Generalsekretär Kofi Annan und die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international positiv. In einer Erklärung sagte
Annan in New York, es sei
gut, dass die Delegierten
sich am Ende auf eine
Grundsatzerklärung und
einen Aktionsplan zur
Bekämpfung des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit
verständigt hätten. Allerdings habe er es als sehr
bedauerlich empfunden, dass die Konferenz von "verletzenden Meinungsverschiedenheiten" überschattet worden sei. Durban habe eben auch gezeigt, dass nicht alle Probleme dieser Welt auf Konferenzen der Vereinten Nationen zu lösen
seien, erklärte Annan. Aber nur wenn man die "Spaltungen" deutlich sehe, die die Welt von heute noch immer durchzögen, könne man sinnvoll für ihre
Überwindung tätig werden, meinte der UN-Generalsekretär.
Die Internetzeitung "ngo-online" übermittelte am 8. September eine Erklärung von amnesty international. Darin wird festgestellt, dass die Konferenz trotz aller politischen
Turbulenzen wichtige Ergebnisse gebracht habe. Das weltweite
Ausmaß des Rassismus und verwandter Phänomene wurde durch
die Konferenz so deutlich wie nie. So wurde zum ersten Mal die Not
von Unberührbaren in Indien, von Roma, Flüchtlingen und Opfern
mehrfacher Diskriminierung wie Frauen und sexuellen Minderheiten
auf die politische Tagesordnung gestellt. Der Leiter der Delegation von amnesty international, Claudio Cordone, sagte in Durban. "Was wir von den Opfern des Rassismus gehört
haben, ist vor allem ein Schrei nach Hilfe. Wir dürfen uns dem nicht
verschließen. Regierungen haben die Pflicht zu handeln und zwar
dringend." amnesty international
fordert alle Regierungen auf, Pläne für ihr jeweiliges Land zu
entwickeln und umzusetzen, die wirksame Maßnahmen gegen
Rassismus enthalten.
Wichtig in diesem Zusammenhang sei vor allem die Beseitigung
rassistischer Diskriminierung in Gesetzgebung und Rechtsprechung. Konkrete Schritte, die das Leben der betroffenen Menschen positiv
verändern, müssten Vorrang vor anderen politischen Interessen
haben, unterstreicht die Menschenrechtsorganisation. Claudio Cordone: "Selbst heftige politische
Auseinandersetzungen und abgereiste Delegationen ändern nichts
daran, dass die Regierungen durch ihre internationalen
Verpflichtungen aufgefordert sind, wirksame Maßnahmen gegen den
Rassismus zu ergreifen."
Pst
Abschlusserklärung der UN-Konferenz gegen Rassismus (Auszüge)
8. September 2001
Zum Nahost-Konflikt:
Wir rufen in Erinnerung, dass der
Holocaust niemals vergessen werden darf. Aufs Tiefste betroffen, stellen wir
religiöse Intoleranz gegen bestimmte Glaubensgemeinschaften sowie das
Aufkommen feindlicher Handlungen gegen solche Gemeinschaften wegen ihres
religiösen Glaubens und ihrer rassischen oder ethnischen Abstammung fest (…).
Wir stellen auch mit größtem Bedauern die Zunahme von Antisemitismus und
Islamfeindschaft in verschiedenen Teilen der Welt fest ... Wir drängen die
Menschen vor allem in Konfliktsituationen, von rassistischer Hetze, Sprache und
negativen Stereotypen abzulassen. ...
Wir sind besorgt über die Leiden der Palästinenser unter fremder Besatzung. Wir
erkennen das unabdingbare Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und
Errichtung eines unabhängigen Staates an. Und wir erkennen das Recht auf
Sicherheit für alle Staaten der Region an, einschließlich Israels, und rufen alle
Staaten zur Unterstützung des Friedensprozesses auf. ...
Wir rufen zu einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden in der Region
auf, in der alle Menschen nebeneinander existieren sollen und Gleichheit,
Gerechtigkeit sowie international anerkannte Menschenrechte und Sicherheit
genießen. Wir erkennen das Recht der Flüchtlinge auf freiwillige Rückkehr in ihre
Häuser und Besitztümer in Würde und Sicherheit an, und drängen alle Staaten,
eine solche Rückkehr zu ermöglichen.
Zum Kolonialismus und Sklavenhandel:
Wir bedauern, dass Sklaverei und Sklavenhandel - einschließlich des
transatlantischen Sklavenhandels - entsetzliche Tragödien der
Menschheitsgeschichte waren; nicht nur wegen ihrer abscheulichen Barbarei,
sondern auch angesichts ihres Ausmaßes, der Art ihrer Organisation und vor
allem der Negierung des Wesens der Opfer.
Wir erkennen ferner an, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen
gegen die Menschheit sind (und auch hätten sein sollen*) - vor allem der
transatlantische Sklavenhandel - und zu den wichtigsten Ursachen und
Ausdrücken von Rassismus, rassischer Diskriminierung,
Ausländerfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz gehören; und
dass Afrikaner und afrikanischstämmige Menschen sowie Asiaten und
Menschen asiatischer Abstammung Opfer dieser Akte waren und weiter
Opfer ihrer Konsequenzen sind.
Die Weltkonferenz gibt zu, dass Kolonialismus zu Rassismus, rassistischer
Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und damit zusammenhängender
Intoleranz geführt hat und dass Afrikaner und Menschen afrikanischer und
asiatischer Abstammung sowie Urvölker Opfer von Kolonialismus waren und
weiter unter seinen Folgen leiden.
Wir erkennen das durch den Kolonialismus verursachte Leid an und
bestätigen, dass er - wo und wann immer er auftrat - verurteilt und seine
Wiederholung verhindert werden muss. Wir bedauern ferner, dass die Effekte
und die Hartnäckigkeit dieser Strukturen und Praktiken zu den Faktoren
zählen, die heute zu andauernden sozialen und wirtschaftlichen
Ungleichgewichten in vielen Teilen der Welt beitragen.
Die Weltkonferenz gibt zu und bedauert zutiefst das Millionen Männern,
Frauen und Kindern durch Sklaverei, Sklavenhandel und transatlantischen
Sklavenhandel, Apartheid, Völkermord und vergangene Tragödien zugefügte
und unbeachtete Leid und Übel. Die Weltkonferenz stellt ferner fest, dass
einige Staaten die Initiative für Entschuldigungen ergriffen haben und dort, wo
es angemessen war, Entschädigungen für begangene schwere und massive
Verstöße gezahlt haben.
Mit Blick auf eine Schließung dieses dunklen Kapitels der Geschichte und als
Mittel zu Versöhnung und Heilung fordern wir die internationale Gemeinschaft
und ihre Mitglieder auf, das Andenken an die Opfer dieser Tragödien zu
ehren. Die Weltkonferenz stellt ferner fest, dass einige die Initiative für
Bedauern, Reuebekundung oder Entschuldigung ergriffen haben, und
appelliert an all jene, die noch nicht dazu beigetragen haben, die Würde der
Opfer wieder herzustellen, nach geeigneten Wegen dazu zu suchen.
Dieser Text in der Klammer fehlt in der dpa-Übersetzung)
Nach: Netzeitung, 9. September 2001 (www.netzeitung.de) und FR (dpa-Übersetzung), 10.09.2001
Zurück zur Themenseite "Rassismus"
Zurück zur Homepage