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Bündnis für Aufklärung

Vor Verhandlungsbeginn im NSU-Prozeß gehen Angehörige der Opfer und ein breites Spektrum demokratischer Kräfte mit konsequenten Forderungen auf die Straße

Von Claudia Wangerin *

Einen kämpferischen, aber gleichzeitig offenen Charakter soll die Demonstration haben, zu der das Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus für den heutigen Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt aufgerufen hat. Am Wochenende vor Beginn der Hauptverhandlung gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte, denen eine Unterstützung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) vorgeworfen wird, wollen über 130 linke Gruppen, Migrantenverbände, Partei- und Gewerkschaftsgliederungen zusammen mit Angehörigen der Opfer auf die Straße gehen. Eine klassische Blockbildung soll dabei vermieden werden.

Sie fordern die »schonungslose Aufklärung« der Verstrickung von Geheimdiensten und Polizeibehörden in den Skandal um die Mordserie an Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat, deren Motiv erst über zehn Jahre nach dem Tod des ersten Opfers aufgedeckt wurde – durch den mutmaßlichen Selbstmord der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011.

»Eine rassismusfreie, solidarische Gesellschaft« fordert das Bündnis in seinem Aufruf als Konsequenz. Die Opferfamilien sollten für diffamierende polizeiliche Ermittlungen entschädigt, der Verfassungsschutz abgeschafft werden. Den Nebenklägern gehe es im Prozeß auch um die Aufdeckung der lokalen Unterstützernetzwerke des NSU, betont Angelika Lex, Anwältin der Familie von Theodoros Boulgarides. Dessen Witwe Yvonne und Lex haben den Aufruf des Bündnisses namentlich unterzeichnet.

Als mutmaßliche NSU-Helfer stehen ab dem 17. April Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, André Eminger und Carsten Schultze vor dem Oberlandesgericht München. Offensichtlich gut ausgekundschaftete Tatorte fernab von deren Wohnorten weisen aber auf weitere Unterstützer hin. Keiner von ihnen hatte seinen Lebensschwerpunkt in Bayern, wo fünf von zehn NSU-Mordopfern starben.

Die Organisatoren der von Ex-Grünen-Stadtrat Siegfried Benker angemeldeten Demonstration gehen aber in der Geschichte des Rechtsterrorismus noch weiter zurück und verlangen auch neue Ermittlungen zur Aufklärung des Attentats auf das Münchner Oktoberfest 1980, bei dem 13 Menschen starben.

Diesen Forderungen haben sich mitgliederstarke Organisationen und ein breites politisches Spektrum angeschlossen. So etwa die ver.di-Jugend Bund, die Föderation demokratischer Arbeitervereine aus der Türkei (DIDF), der Ausländerbeirat München und der Bayerische Flüchtlingsrat, über 30 Antifa-Gruppen aus mehreren Städten, ­ATTAC Deutschland und der bayerische Landesverband der Partei Die Linke sowie verschiedene Ortsgruppen der Jusos und der Grünen Jugend, der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Eine weitere Kundgebung soll am ersten Verhandlungstag in der Nähe des Gerichts stattfinden.

* Aus: junge welt, Samstag, 13. April 2013


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