Wider die Islamophobie - Terror hat keine Religion
Ein Brief des Jüdischen Kulturvereins Berlin e.V. und eine Ansprache des Vorsitzenden des Muslimrats München
Im Folgenden dokumentieren wir zwei Dokumente, die sich jeweils aus einer anderen Perspektive in die Diskussion um "Parallelgesellschaften" und "Leitkultur" einschalten.
An Politiker, Medien,
gesellschaftliche Einrichtungen,
Verbände und Vereine
Wider die Islamophobie
Zunehmend scheinen Antisemitismus und Islamophobie zwei Seiten jener Medaille zu sein, in die stereotypes Handeln und neues Unverständnis mit großen Lettern eingraviert sind.
Es gibt keine rational nachvollziehbare Erklärung für die aktuelle Hysterie, die gezielt und ohne Rücksicht auf Verluste gegen Muslima und Muslime aller Länder, Sprachen, kultureller und sozialer Identitäten geschürt wird.
Wer so zündelt, riskiert eine Feuerbrunst. Wir wollen das nicht!
Was treibt Mächtige in der Politik, was veranlasst manche Medien zu einer Kampagne, an deren Ende es nur Verlierer geben wird? Was nährt das Zerrbild vom Nachbarn?
Unübersehbar, und das ist u.E. das Grundübel, benachteiligen soziale Verhältnisse die geduldeten wie hier beheimateten Mitglieder der muslimischen Gemeinschaften und jene, die von Außenstehenden dafür gehalten werden. Dumpf und zerstörerisch wird eine Islam-Feindschaft hoffähig geredet und der Irrweg in einen Anti-Islamismus geebnet.
Wir erinnern daran, wann und wie aus religiöser oder ökonomischer Judenfeindschaft mörderischer Antisemitismus geworden ist. Das macht uns misstrauisch gegen jede selbstgefällige Polemik, die den Islam und mit ihm die gesamte muslimische Gemeinschaft zur verdeckt sprudelnden Quelle jenes brutalen extremistischen Terrors erklärt, der gerade auch gegen unser Volk gerichtet ist. Gegen diesen haben wir uns auch mit Muslimen verbündet.
Jahrzehnte sind ohne ein erkennbares gesellschaftliches Interesse an anderen Lebenswelten verstrichen. Der Dialog im Neben- und Miteinander setzt wissenden und gespürten Respekt voraus.
Wir bedauern zutiefst, dass die EU auch mit Deutschlands Stimme nicht dem Vorschlag Spaniens gefolgt ist, den Erwerb von Kenntnissen über die Kulturen der Welt bei der Integration ihrer Vertreter in den jeweiligen europäischen Provinzen für unentbehrlich anzusehen.
Es geht nicht um den Islam in Deutschland. Es muss an die Aufklärung angeknüpft werden. Lessing hat durch seinen weisen Nathan ein deutsches Leitbild der Toleranz geschaffen, auf das wir stolz sein können.
Berlin, 19. November 2004
Für den Jüdischen Kulturverein Berlin e.V.
Dr. Irene Runge, 1. Vorsitzende
Ralf Bachmann, Vorstandsmitglied
Igor Chalmiev, Integrationsbeauftragter
MUSLIME GEGEN GEWALT UND TERROR
Von Memduh Kapicibasi*
Es-Salamu Aleikum
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Es-Salamu Aleikum
Liebe Münchnerinnen und Münchner,
Es-Salamu Aleikum
Liebe Freunde des Islam,
Ich grüße Sie alle mit dem Grußwort der Muslime. Ich wünsche Ihnen Frieden und Gottes Segen. Der Muslim, dessen Aufgabe es ist, Frieden auf Erden zu stiften, wird heute beschuldigt, diesen Frieden zu zerstören. Der Muslimrat München übernimmt die Schirmherrschaft dieser Initiative zweier Münchner Muslima, die mit der heutigen Kundgebung ein Zeichen gegen Gewalt und Terror setzen wollen. Wir setzen hiermit unsere Bemühungen für ein gleichberechtigtes und friedliches Miteinander der Angehörigen aller Religionen und Nationalitäten in München fort.
Der Muslimrat München und mit ihm alle Münchner Muslime lehnen Gewalt als Mittel der Durchsetzung persönlicher, gesellschaftlicher oder politischer Ziele ab. Wir, Münchner Muslime verurteilen den Einsatz militärischer Mittel und das Terrorisieren der Zivilbevölkerung mit der daraus resultierenden Kette von Gewalt und Gegengewalt, von Hass, Bitternis und Verzweifelung. Menschen, die über Jahre Gewalt ausgesetzt sind, werden erniedrigt, entrechtet, ihrer Freiheiten und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Seit Jahren erfahren die Menschen in Palästina, im Irak, in Tschetschenien, in Afghanistan und anderswo die Folgen fortgesetzten Terrors. Sie müssen um ihr Leben, ihr enteignetes Land, ihre von der Zerstörung bedrohten Häuser und ihre Würde fürchten.
Gewaltaktionen, wie das verbrecherische Attentat in Madrid vom März dieses Jahres sind die Taten einzelner Irregeleiteter oder verbrecherischer Organisationen. Sie können weder aus der islamischen Lehre, noch aus der islamischen Tradition gerechtfertigt werden. Sie haben auch ganz und gar nichts mit dem legitimen Widerstand gegen die Besatzung zu tun. Gezielter Terror gegen unschuldige Opfer ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Anschläge, die von so genannten Islamisten verübt werden, haben nicht im Geringsten mit dem Islam zu tun.
Wir möchten hier und heute ganz unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass jede Art von Terror und Gewalt gegen Zivilisten bzw. unschuldige Menschen vom Islam in keinster Weise legitimiert wird. Gewalt gegen Zivilisten kann keine Methode sein, eigene Probleme zu lösen bzw. die Weltöffentlichkeit auf sie aufmerksam zu machen. Egal in welcher Richtung des Islam (sunnitisch oder schiitisch). Aus dem Koran oder der Sunnah des Propheten kann niemand Terror und Gewalt gegen Zivilisten, Frauen, Kinder, alte und unschuldige Menschen begründen. Kein Muslim kann behaupten, dass durch Töten von unschuldigen Menschen Allah's Wohlwollen zu gewinnen ist. Allah's Wohlwollen wird nur dadurch gewonnen, die Schönheit des Glaubens anderen Menschen zu zeigen und ihre Herzen zu gewinnen.
Das Toleranzgebot und der Schutz von Andersgläubigen, die seit dem Propheten Muhammad im islamischen Glauben fest verankert sind, haben die Kulturen der damaligen Welt vor dem Niedergang bewahrt. Sie haben ein offenes multikulturelles Klima geschaffen, dem wir die Bewahrung und Weiterentwicklung des kulturellen Erbes der alten Welt verdanken. Im Gegensatz hierzu steht das getrübte Bild des Islams in Europa seit den Kreuzzügen. Es wird von Angst- und Fremdheitsklischees genährt.
Der Terror entbehrt jeder Grundlage im Islam. Hier sind Muslime in erster Linie Opfer des Terrors, nicht aber Täter. Der Terror ist rein politischer Natur. Wenn Terroristen den Namen des Islams verwenden, für ihre Sache zu werben und Unterstützung zu finden, besteht kein Grund den Islam bzw. die Muslime in der ganzen Welt dafür verantwortlich zu machen. Hauptursache dafür sind die fortgesetzten Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch die Militärmaschienerie der USA und Israel. Wer das nicht sehen,verurteilen und etwas dagegen tun will, macht sich schuldig.
Wir halten es für verantwortungslos und hetzerisch, wenn immer wieder vom "islamischen/islamistischen Terror" die Rede ist. Terror hat keine Religion. Ihn in die Nähe einer Religion zu bringen und als feste Eigenschaft dieser Religion zu bringen, zeugt von Unkenntnis und Ignoranz. Und es schadet dem sozialen Frieden, angesichts der über drei Millionen Bürger muslimischen Glaubens in Deutschland. Wer dies tut, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er Rassismus und Fremdenhass zündelt und aus dem Nährboden des Antisemitismus schöpft.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Moscheen sind öffentliche Einrichtungen, alle Menschen haben Zutritt. Die Moscheen in München bzw. in Deutschland haben außer der Funktion als Gebetsraum auch die Funktion eines sozialen Treffpunktes mit Einrichtungen wie Kantine, Bücherei, Frisör, etc. Deswegen ist es ungerecht und nicht richtig, die Moscheen und Gebetsräume, als Zentren des Terrors darzustellen und anzusehen. Die Moscheen haben jeden Tag "Tag der offenen Türe". Sie sind jederzeit herzlich eingeladen, vorbeizukommen und hineinzuschauen. Trinken Sie eine Tasse Kaffe oder Tee mit uns. Dafür bedarf es keiner Anmeldung. Sie können sicher sein, dass Sie gastfreundlich empfangen werden.
Wir, Münchner Muslime sind uns der bevorzugten Lage aller Münchner bewusst, die im Gegensatz zu vielen anderen Menschen in Frieden leben dürfen. Darum ruft der Muslimrat München die Verantwortlichen, insbesondere auch aus den Bereichen Politik und Medien, dazu auf, alles Erforderliche zu tun, um diesen Frieden zu wahren, zugleich aber auch Besonnenheit walten zu lassen und sich pauschaler Vorverurteilungen zu enthalten.
Wir, die Muslime dieser Stadt sind Teil der Münchner Bevölkerung. Wir tragen zur Lebendigkeit und erwünschten Vielfalt dieser liebenswerten Metropole bei. Für die meisten von uns ist München die Heimat. Und wir wünschen uns eine Atmosphäre des freundlichen Miteinanders, der Toleranz und der gegenseitigen Achtung, damit München noch offener und herzlicher wird. Das ist Münchner Lebensart. Daran sollten wir - alle Münchner - arbeiten.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen für Ihre Unterstützung durch Ihre Anwesenheit.
Es-Salamu Aleikum.
* Vorsitzender des Muslimrats München.
Es handelt sich um eine Ansprache auf einer Kundgebung in der Münchner Innenstadt am 30. Oktober 2004.
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