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"Kein Wahlkampf auf dem Rücken der Migranten"

Eine Erklärung der DiDF zum Wahlkampfthema "Zuwanderung"

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung, den uns heute die DIDF-Föderation der demokratischen Arbeitervereine mit der Bitte um Verbreitung zugesandt hat.

Presseerklärung

Köln 17. September 2002


In der letzten Woche, also in der "heiße Phase" des Wahlkampfes ist das längst erwartete eingetreten. Das Wahlkampfthema "Zuwanderung", das bis jetzt von den etablierten Parteien unterschwellig angesprochen wurde, ist von den Unionsparteien auf die Tagesordnung gesetzt worden. Es ist kein Zufall, dass die CDU/CSU, die laut Umfragen der letzten Tage auf dem absteigenden Ast sitzt, gerade 6 Tage vor den Wahlen dieses Thema zu Wahlkampfthema auserkoren hat.

Die gestrige Wahlkampagne, die vom bayrischen Innenminister Günter Beckstein und seinem saarländischen Kollegen Peter Müller vorgestellt wurde, soll den Unionsparteien dazu verhelfen, die anstehende Wahlniederlage in letzter Minute abzuwenden. Die damit angestoßene Diskussion wird allerdings nicht vor Parteiplakaten oder Politikerreden Halt machen. Dass mit dieser Kampagne das gesellschaftliche Klima vergiftet wird und auf Kosten des friedlichen Zusammenlebens Fremdenfeindlichkeit und Rassismus geschürt werden, wird billigend in Kauf genommen. Der Unionskandidat für das Amt des Bundesinnenministers, Herr Beckstein, erklärte auf der Pressekonferenz in Berlin, seine Partei wollen keinen Strategiewechsel in ihrem Wahlkampf vollziehen, allerdings könne angesichts der Millionen von Arbeitslosen und der steigenden Zuwandererzahlen das Thema im Wahlkampf nicht unberücksichtigt lassen. Diese Milchmädchenrechnung unterscheidet sich in ihrer Logik nicht von den auf Rassismus ausgerichteten Wahlkampagnen der kleineren rechtsextremistischen Parteien.

Wir verurteilen diesen Versuch, den Wahlkampf auf dem Rücken der Migranten auszutragen. Er ist unserer Ansicht nach lediglich eine Neuauflage der bekannten Strategie, Migranten zu Sündenböcken der aktuellen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Bildungsnot, vermeintliche Gefährdung der inneren Sicherheit zu machen. Dabei lässt man gerne unberücksichtigt, dass Millionen von Migranten auch nach mehr als 4 Jahrzehnten aufgrund der diskriminierenden Gesetze und ausgrenzenden Ausländerpolitik aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind. Wie in vielen Wahlprüfsteinen verschiedener Institutionen und Organisationen bereits mehrfach gefordert, sprechen wir uns gegen eine Instrumentalisierung von Migranten zu Wahlkampfzwecken aus. In einem von der DIDF initiierten Appell wandten sich erst kürzlich mehrere Dutzend Gewerkschafter, Politiker, Wissenschaftler und Künstler gegen alle Versuche, mit der Verbreitung von Vorurteilen oder vom rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankengut das friedliche Zusammenleben in Deutschland zu untergraben. Ferner sprachen sie sich darin für eine Gesellschaft aus, in der Menschen unterschiedlicher nationaler und religiöser Herkunft friedlich, solidarisch und gleichberechtigt zusammenleben. (s.Anlage)

Wir fordern die CDU/CSU und alle anderen Parteien auf, die auf diesen Zug aufspringen wollen, das Thema "Zuwanderung" aus dem Wahlkampf herauszuhalten und ihn nicht auf dem Rücken der Migranten auszutragen.

Hüseyin Avgan
(Bundesvorsitzender DIDF-Föderation der demokratischen Arbeitervereine e.V.)


A P P E L L zu den Bundestagwahlen 2002

Seit über einem halben Jahrhundert leben und arbeiten MigrantInnen in der Bundesrepublik. In dieser Zeit wurden sie trotz der diskriminierenden Gesetze und Ausgrenzungsversuche zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft und bereichern diese in vielerlei Hinsicht.

Doch trotzdem wird die Bundestagswahl am 22. September 2002 - wie bei den Wahlen zuvor - für die Parteien einen willkommenen Anlass bieten, das Thema "Ausländer" als Wahlkampfthema zu missbrauchen. Nicht zuletzt boten die Diskussionen um das Zuwanderungsgesetz in den letzten Monaten einen Vorgeschmack darauf, was uns in der "heißen Phase" des Wahlkampfes erwartet.

Wir, die UnterzeichnerInnen dieses Appells, sprechen uns gegen jede Instrumentalisierung von MigrantInnen zu Wahlkampfzwecken aus.

MigrantInnen sind nicht entrechtete und wehrlose "Ausländer", sondern haben Anspruch auf grundlegende demokratische Rechte!

Wir wenden uns gegen alle Versuche, mit der Verbreitung von Vorurteilen oder vom rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankengut dieses Zusammenleben zu untergraben. Wir sprechen uns für eine Gesellschaft aus, in der Menschen unterschiedlicher nationaler und religiöser Herkunft friedlich, solidarisch und gleichberechtigt zusammenleben.

Erstunterzeichner/in:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag), Rolf Becker (ver.di FB 8, OVV Hamburg), Jan Engelhardt (Bundesjugendsekretär der IG Metall), Ulla Jelpke (MdB, PDS), Jürgen Grässlin (Bundessprecher der DFG-VK), Gerald Abl ( Spandauer Bündnis gegen Rechts), Michael Faißt (IG Metall Vorstand), Jochen Gester (Politologe), Hüseyin Avgan (Bundesvorsitzender DIDF), Sabine Kebir (Schriftstellerin), Gotthard Krupp (Mitglied im Kreisvorstand der SPD- Charlottenburg), Andreas Köhn (Stellvertretender Vorsitzende der ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg), Stefanie Rabe (Vorsitzende der ver.di-Jugend), Detlef Raabe, (ver.di Gewerkschaftssekretär), Sabine Leidig (DGB Kreisvorsitzende Karlsruhe), Bernd Riexinger, (ver.di Geschäftsführer Bezirk Stuttgart), Werner Pfennig (Bundessprecher VVN-BdA), Manfred Sträter (NGG Dortmund, Gewerkschaftssekretär), Daniel Wucherpfennig (DGB-Jugend Berlin-Brandenburg Landesjugendsekretär) Anne Rieger (IG Metall Waiblingen, Landessprecherin VVN-BdA Baden Württemberg), Prof. Dr. Maria Mies (Köln), Eberhard Schultz (Rechtsanwalt), Prof. Dr. phil. Frank Deppe (Marburg), Dr. phil. Matin Baraki (Dolmetscher und Dozent, Marburg), Konrad Ege (Journalist, Washington), Wolf Huy (Studiendirektor), Dr. Klaus Waterstradt (IPPNW), Beate Malkus (Schauspielerin, RightNow!), Tanja Thomas (Medienwissenschaftlerin, Kiel), Eckart Spoo (Journalist, Publizist), Dr. Peter Lock (Friedensforscher, European Association for Research on Transformation (EART e.V.), Hamburg), Christoph Krämer (IPPNW-D., AK "Süd-Nord"), Gudrun Christan (BUND), Ortwin Spender (BUND), Tobias Pflüger (Politikwissenschaftler, Publizist, Friedensforscher, Informationsstelle Militarisierung e.V.), Bernhard Nolz (Sprecher der PädagogInnen für den Frieden), Dr. phil. Gazi Caglar (Hannover), Prof. Dr. phil. Werner Ruf (Kassel), Cyrus Salimi-Asl (freier Journalist)


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