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Burschenschaften rechtsaußen

Konservative unterlagen in Flügelstreit

Von Jörg Kronauer *

Mit einem Sieg des extrem rechten Verbandsflügels ist der »Außerordentliche Burschentag« der Deutschen Burschenschaft (DB) am Samstag in Stuttgart zu Ende gegangen.

Dem Rechtsaußen-Flügel, der über eine strukturelle Mehrheit in der DB verfügt, gelang es durch einen geschickten Zug, die unmittelbare Spaltung des Verbandes zu verhindern: Er ließ die Abwahl des Chefredakteurs der »Burschenschaftlichen Blätter«, Norbert Weidner, zu. Weidner hatte mit Ausfällen zum Nazi-Mord an Dietrich Bonhoeffer für Aufregung gesorgt. Für den Fall seiner Bestätigung im Amt war mit dem sofortigen Austritt einer Reihe konservativer Burschenschaften gerechnet worden. Weidner, der noch beim letzten Burschentag Anfang Juni mit einer Mehrheit wiedergewählt worden war, wurde nun mit rund 100 gegen 70 Stimmen entlassen.

Dafür musste der konservative Verbandsflügel in sämtlichen weiteren Streitpunkten Niederlagen einstecken. Der Versuch wurde abgeschmettert, drei besonders exponierte Rechtsaußen-Burschenschaften aus der DB auszuschließen. Zwei von ihnen sind in einem »Ostdeutschen Kartell« mit der Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia assoziiert; diese wurde nun anstelle eines gemäßigteren Bundes sogar zur Vorsitzenden Burschenschaft gewählt.

Die Teutonia Wien hatte in den 1990er Jahren Kontakte zur österreichischen NS-Szene und gilt als eine der rechtesten Burschenschaften überhaupt. Eines ihrer Mitglieder, Jan Ackermeier, war im Herbst 2010 von seinem damaligen Arbeitgeber, einem FPÖ-Abgeordneten im österreichischen Nationalrat, wegen seiner Tätigkeit für die extrem rechte »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« entlassen worden, die alljährlich im Februar den berüchtigten Dresdener Neonazi-Aufmarsch organisiert. Die Wiener Teutonia stellt zudem den Pressereferenten der DB, Walter Tributsch. Tributsch leitet den Verlag der österreichischen Wochenzeitung »Zur Zeit«, eines Pendants zur deutschen »Junge Freiheit«.

Auch der neue Chefredakteur der »Burschenschaftlichen Blätter« kommt vom Rechtsaußen-Flügel der DB. Michael Paulwitz (Burschenschaft Normannia Heidelberg) gehört dem Landesvorstand der Partei »Die Republikaner« in Baden-Württemberg an, publiziert regelmäßig in Medien wie der »Jungen Freiheit« und ist Ko-Autor eines rassistischen Buches über »Ausländergewalt in Deutschland«.

Mit der Postenvergabe in Stuttgart hat der Rechtsaußen-Flügel die Führung im Dachverband endgültig übernommen. Nur als Hohn kann es von den konservativen Bünden verstanden werden, dass ihr Antrag, die Mitgliedschaft in einer »verfassungsfeindlichen« Organisation müsse mit der Mitgliedschaft in einer DB-Burschenschaft unvereinbar sein, abgeändert wurde. In Zukunft soll nur nicht mehr Burschenschafter werden dürfen, wer einer Vereinigung angehört, die »nationalsozialistische Ziele« verfolgt.

Nach dem Sieg der Rechten ließen Sprecher des konservativen Flügels durchblicken, dass ihr Verbleib im Dachverband weiterhin zur Debatte steht. Die DB ist in den letzten Jahren bereits von rund 120 auf knapp 100 Mitgliedsbünde geschrumpft. In Stuttgart war nun erneut davon die Rede, rund 20 weitere Burschenschaften könnten in den kommenden Wochen und Monaten die DB verlassen. Der Dachverband wäre in diesem Fall finanziell und personell geschwächt, aber politisch konsolidiert; er böte der extremen Rechten Deutschlands und Österreichs eine funktionierende Infrastruktur in rund 40 Hochschulstädten.

* Aus: neues deutschland, Montag, 26. November 2012


"Burschenschaften sind und bleiben rechtsradikal"

Ihr deutscher Dachverband tagte am Samstag in Stuttgart. Abspaltung des national-liberalen Flügels möglich. Gespräch mit Jörg Meierotte **

Jörg Meierotte ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen, dem Studierendenverband der SPD.


Die Deutsche Burschenschaft (DB), Dachverband von 120 Burschenschaften in Deutschland und Österreich, steht womöglich vor der Spaltung. Ein außerordentlicher Burschentag am Sonnabend in Stuttgart hat die Gräben zwischen dem rechtsradikalen und dem liberal-nationalen Flügel nicht zuschütten können. Was folgt daraus für Sie?

Die Deutsche Burschenschaft hat in Stuttgart ihr wahres Gesicht gezeigt. Im Sommer hatte sie in Eisenach ihren Zoff-Parteitag, damals traten die liberal-nationalen Funktionäre aus Protest von ihren Ämtern zurück. Das Kalkül ist nicht aufgegangen, jetzt wieder auf eitel Sonnenschein zu schalten. Die DB ist und bleibt rechtsradikal und steht mit demokratischen Grundsätzen auf dem Kriegsfuß. Und deshalb bleibt sie auch unser politischer Gegner.

Den Sie am liebsten abgeschafft sähen?

Die Auflösung der DB samt ihrer Mitgliedsverbindungen fordern wir schon seit Jahren. Die Ereignisse von Stuttgart unterstreichen aber einmal mehr die Dringlichkeit eines Verbots. Dafür spricht vor allem die Wahl der Teutonia Wien zur vorsitzenden DB-Burschenschaft. Die ist bekannt für ihre stramm rechte Gesinnung und gehört auch zu den strikten Verfechtern eines Ariernachweises als Aufnahmekriterium für Neumitglieder. Das ist purer Rassismus, für den die DB ebenso steht wie für Antisemitismus, Revanchismus, Sexismus und Homophobie. Diesem Treiben darf die Politik nicht länger tatenlos zusehen.

Beschlossene Sache ist der »Ariernachweis« allerdings nicht …

Was aber nicht heißt, daß er vom Tisch ist. Der Punkt wurde vertagt, bis zum nächsten Treffen soll sich eine Kommission damit beschäftigen. Es geht offensichtlich darum, das Thema totzuschweigen, weil es für viel schlechte Presse gesorgt hat. Jetzt bleibt es erst einmal bei der alten, reaktionären Regelung, daß man männlich und »Deutscher« sein muß, um in den Laden aufgenommen zu werden. Menschen mit Migrationshintergrund und solche, die »nur« die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, müssen auch weiterhin draußen blieben.

Halten Sie eine Spaltung der DB für denkbar? In einer offiziellen Verlautbarung heißt es jedenfalls, die DB habe in Stuttgart Handlungsfähigkeit bewiesen.

Das ist die übliche Propaganda. In den Medien haben Vertreter der liberal-nationalen Strömung ziemlich deutlich von einem bevorstehenden Bruch gesprochen. Wobei das keine wirkliche Spaltung wäre, denn dafür sind die Rechtsradikalen viel zu beherrschend. Falls es tatsächlich so kommt, macht das diese Liberal-Nationalen auch nicht sympathischer, diese Leute haben ebenfalls ein verzerrtes Gesellschafts- und Geschichtsbild.

Immerhin wurde in Stuttgart Norbert Weidner, der den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als »Landesverräter« beschimpft hatte, als Chefredakteur der Verbandszeitung Burschenschaftliche Blätter abgelöst. Wie ist das zu bewerten?

Hätte es dieses Bauernopfer nicht gegeben, wäre der Burschentag zum Totaldesaster geworden. So haben die Liberalen wenigstens einen symbolischen Erfolg vorzuweisen – mehr aber auch nicht. All ihre anderen Anträge wurden abgebügelt, auch jener, der es verbieten sollte, daß man als DB-Mitglied zugleich einer verfassungsfeindlichen Organisation angehört. Unvereinbarkeit gilt jetzt lediglich mit »nationalsozialistischen« Organisationen. Die sind hierzulande allerdings seit 1945 verboten. Der Passus ist also praktisch wertlos und besagt nur, daß die DB alles toleriert, was rechts ist.

Wie agieren die DB-Mitglieder im Uni-Alltag?

Bei uns in Frankfurt am Main eher unauffällig. Wegen der späten Gründung der Goethe-Universität ist das hier keine traditionelle Verbindungsstadt. Ganz anders sieht es zum Beispiel in Darmstadt und Marburg aus. Dort treten Burschenschaften viel sichtbarer und mitunter auch aggressiv in Erscheinung, sie sitzen im Studierendenparlament und haben politischen Einfluß. Im Verborgenen bleiben allerdings die Seilschaften, über die Verbindungsmitglieder in gehobene gesellschaftliche Positionen befördert werden. Wer weiß schon, daß auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Burschenschaftler ist?

Interview: Ralf Wurzbacher

** Aus: junge Welt, Dienstag, 27. November 2012


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